Deutschland denkt um. Russlands Einmarsch in das Nachbarland Ukraine, um dort die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen und das Land unter Moskaus Kontrolle zu bringen, hat die Verteidigungsstrategie der Bundesrepublik radikal geändert. Man werde jedes Mitgliedsland der Nato so verteidigen wie sich selbst, kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einer Sondersitzung des Bundestags an.

"Klar ist: Wir müssen in die Sicherheit unseres Landes deutlich mehr investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen", sagte der Kanzler. Der Bundeswehr will die Bundesregierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die auf mehrere Jahre ausgelegte Summe soll bereits im Bundeshaushalt für 2022 verfügbar sein.

Die Summe ist doppelt so hoch wie das derzeitige Budget der Bundeswehr. Scholz will nun "Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investieren". Deutschland löst damit eine langjährige Forderung der Nato, vor allem aber der USA, ein. Experten erwarten die Umsetzung ab dem Jahr 2024.

Obwohl Deutschlands Rüstungsbudget seit 2014 von 32 Milliarden Euro auf 56 Milliarden gestiegen ist, hat das an den Problemen der Bundeswehr wenig geändert: umständliche Beschaffung, große Bürokratie, komplizierte Auftragsvergabe und eine Ausrüstung von Sturmgewehren, von Schiffen, U-Booten, Hubschraubern oder Panzern, die nur bedingt einsatzfähig ist. Und das, obwohl Hersteller wie Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegman, Thyssenkrupp, Hensoldt und Airbus weltweit begehrte Spezialisten sind. Die Ausrüstung und die Strukturen der Bundeswehr, vor allem auch das berüchtigte Beschaffungsamt "BAAINBw" in Koblenz müssen umfassend modernisiert werden, um im Betrieb danach alle Erneuerungen und Projekte aus dem Haushalt finanzieren zu können.

Wahre Auftragsflut

Die Idee für ein Sondervermögen und die Liste für dringende Investitionen wurde bereits im vergangenen Herbst formuliert. Innerhalb des europäische Luftabwehrsystems FCAS entwickelt die Münchnener MTU Aero Engines zusammen mit Safran Aircraft Engines in Frankreich für den Antrieb des Next Generation Fighters (NGF). Bis Europas neuer Jet, der federführend von Dassault entwickelt wird, aufsteigen kann - voraussichtlich erst nach 2030 -, sollen Eurofighter und F35-Jets des US-Konzerns Lockheed Martin die betagten Tornados der Bundeswehr ersetzen. Die Helikopter aus den 70er-Jahren sollen durch US-Hubschrauber ersetzt werden.

Die Aktien deutscher Rüstungsfirmen wie Rheinmetall und Hensoldt und die Papiere von US-Giganten wie Lockheed Martin und Raytheon Technologies legten zweistellig zu. Mit hohen Zuflüssen in ihre Fonds profitieren auch Anbieter von Zertifikaten und ETFs auf Rüstungsindizes von der Kursfantasie.

Zu Lockheed Martin, Entwickler des Kampfjets F-35-Lightning, gehört auch US-Hubschrauberhersteller Sikorsky. Triebwerksentwickler Pratt & Whitney, Partner von MTU in der zivilen Luftfahrt, ist Teil des Portfolios von Raytheon Technologies aus Farmington, Connecticut.

In Berlin lud das von Christine Lambrecht (SPD) geführte Verteidigungsministerium Vertreter von Rüstungsfirmen zum Gespräch. Einige hatten sich sehr gut vorbereitet. So bot Rheinmetall der Bundesregierung ein Paket mit Munition, Hubschraubern, Ketten- und Radpanzern im Wert von 42 Milliarden Euro an, wie Chef Armin Pappenberger dem "Handelsblatt" berichtete. Die Düsseldorfer sind bei vielen Themen in Verhandlungen mit der Bundesregierung.

Man könne die Auslastung der Produktion deutlich erhöhen, signalisierte der Konzern. In den meisten Werken wird mit einer Schicht gearbeitet. Rund um die Uhr sei auch möglich, sagt Pappenberger. So könnte die Herstellung von Panzermunition in sechs bis zwölf Monaten auf bis zu 240.000 Stück pro Jahr versechsfacht werden. Beim Schützenpanzer Puma stellte Rheinmetall die Lieferung von 229 Fahrzeugen im Wert von knapp 3,7 Milliarden Euro in Aussicht. 34 Pumas könnten in der laufenden Legislaturperiode geliefert werden. Auch eine Anfrage aus der Ukraine liege vor und werde von der Bundesregierung geprüft, sagte Rheinmetall.

Hensoldt aus Taufkirchen bei München ist ein ehemaliger Geschäftsbereich von Airbus Defence and Space. Die Firma, die Finanzinvestor KKR im Jahr 2020 an die Börse brachte, entwickelt Radar- und Sensortechnologie für elektronische Kampfführung vom Boden und aus der Luft. Mit Hensoldts weltweit einmaligem Passivradar ist es möglich, Kampfjets unentdeckt aufzuspüren.

Wie der Radarspezialist ist auch Europas Flugzeugbauer Airbus beim europäischen Luftkampfsystem FCAS dabei. Zudem entwickelt Airbus federführend in einem Konsortium die Air Combat Cloud, das internetbasierte System zur Unterstützung der NGF-Kampfjets, sowie die Eurodrohne.
 


INVESTOR-INFO

Lockheed Martin

Kampfjets und Hubschrauber

Rund 40 Prozent von 67 Milliarden Dollar Erlös für 2021 lieferten Lockheed Martins Kampfjets, darunter auch der F-35. Die Sparte Rotary und Mission entwickelt die Militärhubschrauber Blackhawk und Seahawk und steht für ein Viertel des Umsatzes. Satelliten und Kommunikationssysteme liefern ein Fünftel. Raketensysteme erwirtschaften 15 Prozent der Erlöse. Für 2022 werden ein moderater Umsatzrückgang und zwölf Prozent mehr Gewinn, 7,1 Milliarden Dollar, erwartet.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 490,00 Euro
Stoppkurs: 295,00 Euro

Raytheon

Raketen und Laser

Zu Raytheon Technologies gehören neben der Triebwerkssparte Pratt & Whitney (30 Prozent des Umsatzes) und der Servicesparte Collins Aerospace (30 Prozent) auch Missiles & Defence und Intelligence & Space, die Raketensysteme sowie Laser- und Cyberwaffen produzieren und jeweils für ein Fünftel des Umsatzes sorgen. Für 2022 erwarten Analysten gut 69 Milliarden Dollar Umsatz, sieben Prozent mehr. Sieben Milliarden Dollar Gewinn sollen es werden, plus acht Prozent.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 115,00 Euro
Stoppkurs: 69,00 Euro

Zertifikat und ETF

Amerikas Rüstungsindustrie

Auch als die Pandemie im Jahr 2020 weltweit ausbrach und das globale Wirtschaftswachstum um 3,1 Prozent schrumpfte, stiegen die globalen Rüstungsausgaben um 1,3 Prozent - das sechste Jahr in Folge, erklärte das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI im Dezember 2021. Nun dürfte sich dieser Trend deutlich verstärken.

Der ETF Aerospace & Defense (WKN: A2J NSR) von Invesco und das Open-End- Zertifikat auf den Arca Defense Index (WKN:927 994) bieten Anlegern die Möglichkeit, diversifiziert in den Rüstungssektor zu investieren. Im Aerospace & Defence Index enthalten sind neben Papieren von Boeing, wo die F-18-Hornet Kampfjets hergestellt werden, Aktien von Lockheed Martin, Northrop Grumman und Raytheon.

Rheinmetall

Auftragsflut in Aussicht

Rheinmetall gehört zu den größten Herstellern militärischer Heerestechnik in Europa. Der Konzern will nun bis zu 3.000 Mitarbeiter einstellen. Die Lager wurden 2021 für eine Milliarde Euro mit Stahl, Aluminium und Spezialchips aufgefüllt. Analysten erwarten für 2022 rund 6,3 Milliarden Euro Umsatz, gut ein Zehntel mehr als 2021. Der Nettogewinn soll um mehr als 30 Prozent auf 414 Millionen Euro zulegen. Gut möglich, dass die Schätzungen erhöht werden.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 180,00 Euro
Stoppkurs: 90,00 Euro

Hensoldt

Begehrter Spezialist

Investor KKR, der den Radarspezialisten Hensoldt 2020 an die Börse brachte, nutzt den Kursanstieg, um rund zehn Millionen Aktien zu platzieren. Das ist ein Anteil von fast zehn Prozent. Zuvor hielt KKR 18,8 Prozent. Die staatliche KfW-Bank hält eine Sperrminorität von 26,4 Prozent. Für 2022 erwarten Analysten 1,7 Milliarden Euro Erlös, fast 16 Prozent mehr als 2021. Der Nettogewinn soll um 14 Prozent auf 133,3 Millionen Euro zulegen. Höhere Prognosen sind möglich. Halten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 24,00 Euro
Stoppkurs: 18,00 Euro

MTU Aero Engines

Triebwerke und Service

Im militärischen Bereich ist das EJ200-Triebwerk der Münchener für den Eurofighter der Hauptumsatzbringer. Den größten Umsatzanteil liefert die Instandhaltung von Triebwerken ziviler Flugzeuge. Beim Gewinn ist der Beitrag des Servicegeschäfts jedoch deutlich geringer als jener des Neugeschäfts mit Triebwerken. Damit profitiert MTU zusätzlich von einer Erholung im Luftverkehr. Aussichtsreich.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 240,00 Euro
Stoppkurs: 145,00 Euro