Die weltgrößte Computerspielmesse Gamescom hatte jüngst mit 373 000 so viele Besucher wie noch nie zuvor. Gaming ist also weiterhin "in". Trotzdem hatten es Aktien rund um das Thema Videospiele zuletzt nicht unbedingt leicht. So tritt der rund 60 Branchenvertreter enthaltende EEF and Video Game Tech Index schon seit Ende Mai 2017 auf der Stelle. Doch nun könnte wieder Bewegung in den Sektor kommen.

Seit dem Jahr 2000 war es laut Ned Davis Research so, dass die Aktienkurse der drei großen US-Videospiele-Produzenten Electronic Arts, Activision Blizzard und Take-Two Interactive rund 14 Monate vor dem Launch der Konsolen der nächsten Generation durch Microsoft und Sony begonnen haben, relative Stärke aufzubauen. Erklären lässt sich das mit positiven Umsatzimpulsen, die sich Börsianer von den neuen Produkten versprechen. Da der Start der Microsoft-Konsole Mitte November 2020 erwartet wird, könnte die Outperformance bereits im August begonnen haben.

Microsoft treibt die neue Konsole unter dem Namen "Project Scarlett" voran. In einem Werbevideo verspricht der US-Softwarekonzern einen größeren Sprung nach vorne als bei allen bisherigen Konsolenversionen. Dank eines speziell entwickelten AMD-Prozessors und eines leistungsstarken GDDR6-Speichers soll "Project Scarlett" sowohl bei Power und Geschwindigkeit als auch bei der Leistung neue Maßstäbe setzen.

Mittlerweile nutzen zwar immer mehr Spieler auch das Smartphone, Rückenwind sollte von den neuen Konsolen aber trotzdem ausgehen. Schließlich besitzen laut dem Branchenverband Entertainment Software Association etwa 64 Prozent der US-Haushalte mindestens ein Gerät, auf dem sie Videospiele spielen können - und in 36 Prozent dieser Haushalte gibt es demnach Spielekonsolen.

Auch in Deutschland spielt man laut dem Marktforscher GfK inzwischen am liebsten auf dem Smartphone (18,6 Millionen). Auf Platz 2 folgen die Konsolen mit 16,7 Millionen Menschen, während auf dem PC - zuletzt mit abnehmender Tendenz - 13,4 Millionen Gamer spielten.

Nach Prognosen des Marktforschers Newzoo werden die globalen Videospiele-Umsätze von 2018 bis 2022 von 139 Milliarden auf 196 Milliarden US-Dollar steigen. Ein mehr als solides Wachstum für die Branche. Was die Umsatzdynamik angeht, gab es zuletzt zwar auch immer wieder Zweifel. Dazu trugen Sorgen um die sogenannten Lootboxen bei. Dabei handelt es sich um eine besondere Art der Umsatzerzielung in einem Spiel, die auf einer zufallsgenerierten Auswahl an (in realem Geld zu bezahlenden) virtuellen Gütern basiert. Diese Boxen sind einer der wichtigsten Treiber für das Umsatzwachstum, aber auch eine Quelle von Streitigkeiten, wie die Schweizer Privatbank Julius Bär erklärt.

Analyst Alexander Ruchti sieht das Risiko eines vollständigen Verbots durch die Regulierungsbehörden zwar inzwischen nur noch als gering an. Aber eine mögliche strengere Regulierung der Lootboxen wird weiterhin als Damoklesschwert für die Industrie angesehen. Der US-Handelsverband der Videospiele-­Industrie hat deshalb im August die Selbstregulierung von Lootboxen beschlossen und verlangt von den Mitgliedern, die Wahrscheinlichkeit verschiedener Güter in Lootboxen in Spielen offenzulegen.

Das sorgte für ein Aufatmen in der Branche. Ruchti: "Angesichts einer nüchterneren Bewertung schätzen wir die Wachstumsaussichten der Videospiele-Industrie als vielversprechend ein. Wir gehen davon aus, dass die Umsatzerzielung in den Spielen, eine Fortsetzung des Übergangs von der physischen zu digitalen Distributions- und Abonnementdiensten, weiterhin das Gewinnwachstum antreiben werden."

Sportliches Wachstum


Als Wachstumstreiber gilt auch weiterhin der Bereich E-Sports. Ein Segment, das weltweit immer mehr Anhänger findet, wie auch steigende Preisgelder bei E-Sports-Events belegen. Zum anderen kommt Rückenwind aus der Wolke. Beim Cloud-Gaming laufen Videospiele nicht mehr auf dem eigenen Computer, sondern auf einem Großrechner im Rechenzentrum. Das heißt, es erfolgt nur ein Streaming auf das eigene Gerät, wodurch es keiner besonders leistungsfähigen Hardware mehr bedarf. Zu den Angeboten zählen die Playstation Now von Sony, die Xbox xCloud von Microsoft, Geforce Now vom Grafikkartenhersteller Nvidia oder die Plattform Stadia von Google. Was sich die Betreiber hiervon erhoffen, macht die Alphabet-Tochter Google mit dem Hinweis deutlich, mit seinem Cloud-Gaming-Dienst eine Milliardenkundschaft im Visier zu haben.

Konsolenrückenwind für US-Trio


Aus dem Trio Electronic Arts, Activision Blizzard und Take-Two Interactive spricht aus charttechnischer Sicht einiges für Take-Two Interactive. Allerdings ist dafür hier die Bewertung etwas höher. Dafür stimmt der Gewinntrend: Der Analystenkonsens geht bis 2023/24 beim Ergebnis je Aktie von einem Anstieg von aktuell 4,55 auf 7,50 Dollar aus. Für das letztgenannte Geschäftsjahr ergibt sich damit ein KGV von 17,5, was angesichts der Ergebnisper­spektiven vertretbar erscheint.

Aufwärts gehen soll es gemäß Analystenprognosen unterm Strich auch mit den Gewinnen bei Electronic Arts und Activision Blizzard. Wobei sich in diesen beiden Fällen auf Basis der für 2022/23 erwarteten Gewinne von 6,77 Dollar beziehungsweise von 3,67 Dollar je Anteilschein relativ moderate geschätzte KGVs von 13,6 beziehungsweise von 13,7 ergeben.

Einen kleinen Schub erhielt die Activision-Aktie bereits in der vergangenen Woche. Das Unternehmen veröffentlichte am 27. August die Urversion des Rollenspielklassikers "World of Warcraft" und wurde regelrecht überrannt. Um dem Hype gerecht zu werden, stellten die Entwickler immer mehr Server online. Für den deutschsprachigen Raum waren zunächst vier Server geplant, schon am ersten Tag musste die Zahl verdoppelt werden. Charttechnisch sieht es so aus, als sei die Bodenbildung­sphase abgeschlossen.

In einer ähnlichen Bewertungsrelationen wie Activision und Take-Two bewegt sich auch die Aktie von Bandai Namco. Dahinter verbirgt sich ein japanisches Unternehmen, das Network-Content, Videospiele-Software und Live-Unterhaltung anbietet. Die Gesellschaft stellte auf der Gamescom etliche Neuigkeiten vor. In den vergangenen Jahren muss Bandai mit seinem Produktangebot einiges richtig gemacht haben. Der Kurs stieg von Oktober 2010 bis heute von 732 Yen auf 6360 Yen.

Etwas aus dem Rahmen fällt Also Holding. Es handelt sich um einen IT-Distributor, der als drittgrößter seiner Art in Europa gilt. Bei der Expansion setzt der Vorstand auf die Bereiche Solutions und Services sowie auf das Cloud-Geschäft. Die Schweizer stellten auf der Gamescom eine eigene Virtualisierungsplattform vor. Diese ermöglicht es, dass Cloud-Strea­ming von Onlinespielen, Videos und Musik, aber auch die Virtualisierung von datenintensiven B2B-Anwendungen wie etwa 3-D-Druck oder Edge Computing, wesentlich schneller und kostengünstiger wird. Der Analystenkonsens sieht den Gewinn je Aktie von 2018 bis 2021 von 8,27 Franken auf 10,83 Franken steigen, sodass auch hier der Ergebnistrend stimmt. Wie fast alle Schweizer Aktien kann der Wert im Moment allerdings nur außerhalb der EU oder außerbörslich bei Lang & Schwarz gehandelt werden.

Einen Blick wert ist auch die Aktie des britischen Spieleentwicklers Frontier Developments. Im November soll "Planet Zoo" auf den Markt kommen, das auf der Gamescom als bestes Simulationsspiel gefeiert wurde. Wir werden darüber in einer der kommenden Ausgaben gesondert berichten.

Auf einen Blick: Spieleaktien


Hersteller von Videospielen könnten vor einer Neubewertung stehen. Bald kommen neue Konsolen auf den Markt.