Mit edlem Geschirr für Hochzeitspaare macht Villeroy & Boch längst nicht mehr das Gros seiner Umsätze. Auf der Messe Ambiente in Frankfurt präsentierte das im Saarland ansässige Traditionsunternehmen Lifestyleprodukte wie Grillbestecke, Designtassen und Geschenkartikel. All das soll neue Zielgruppen anlocken. Im Interview mit BÖRSE ONLINE erklärt der neue Finanzvorstand Markus Warncke die Geschäftsstrategie des SDAX-Unternehmens - und sagt, weshalb der Mangel an Handwerkern das Wachstum in Deutschland bremst und der Verfall des Rubels das Geschäft in Russland anfacht.

Sie haben das Umsatzziel von nominal drei bis fünf Prozent knapp verfehlt. Woran lag das?
Den Umsatz auf konstanter Kursbasis haben wir um vier Prozent gesteigert. Währungsbereinigt sind wir also absolut im Rahmen unserer Guidance geblieben. Nominal haben wir unser Umsatzziel nicht ganz erreicht, weil uns Probleme mit einzelnen Währungen belasteten. Der Verfall des Rubels sowie der Rückgang der schwedischen und der norwegischen Krone haben den Umsatz gedrückt.

Das Gewinnziel hat Villeroy & Boch jedoch klar getoppt. Das bereinigte operative Ergebnis stieg um über sechs Prozent. War das die Folge von Kostensenkungen?
Für unsere höhere Marge gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat sich das Produktivitätsprogramm mit Kostensenkungen in den Sanitärfabriken positiv niedergeschlagen. Zum anderen haben wir mehr Produkte mit höherer Wertschöpfung verkauft - zum Beispiel unsere spülrandlosen WCs. Zudem konnten wir Preiserhöhungen im Einkauf deckeln und außerdem durch unser neues Blockheizkraftwerk in Mettlach Energiekosten einsparen.

Im ersten Halbjahr trieb die starke Konsumnachfrage in Deutschland das Wachstum an. Hielt der Trend an?
Ja, die Konsumfreude in Deutschland hält auch weiterhin an. Besonders im ersten und vierten Quartal 2014 war sie groß. Im zweiten und dritten Quartal gab’s eine kleine Delle, die inzwischen jedoch ausgebügelt ist.

Befürchten Sie, dass der Handwerkermangel in Deutschland die Nachfrage bremst?
Das ist heute schon so: Der Mangel an Handwerkern bremst das Wachstum von Villeroy & Boch in Deutschland. Denn wegen der begrenzten Kapazität von Handwerkern müssen hierzulande Haushalte derzeit mehrere Wochen auf einen Installateur oder einen Elektriker warten. Manche Produkte im Sanitärbereich können dadurch nicht schnell genug eingesetzt werden.

Auf Seite 2: Wie die Chancen in Russland stehen



In Russland hat Villeroy & Boch der Krise getrotzt. Haben die Russen immer noch genügend Geld für hochwertige Keramik?
In den jüngsten Monaten haben viele russische Verbraucher wegen des Rubel-Verfalls in Sachwerte investiert. Das bescherte uns eine starke Nachfrage. Unser Vorteil ist, dass wir eine eigene Gesellschaft und ein eigenes Lager vor Ort haben. Dadurch können wir in Russland zahlreiche unserer Produkte sehr schnell liefern.

Mit trendigen Produkten richten Sie sich auf neue Zielgruppen aus. Lohnt sich das denn?
Der klassische Tischkulturmarkt wird immer kleiner. Der Bedarf, komplette Geschirrsets zu kaufen, lässt nach. Wir müssen daher zunehmend in wiederkehrendes Geschäft expandieren, also Geschenkartikel. Das ist ein boomendes Segment: Für einzelne Tassen oder Geschirr als Geschenk gibt es eine enorme Nachfrage. Das Geschenkartikelsortiment soll deshalb weiter ausgebaut werden. Darüber hinaus setzen wir auf Trendthemen wie Barbecue. Mit einer neuen Serie von Barbecueprodukten, die wir auf der Ambiente präsentiert haben, wollen wir neue Zielgruppen anlocken.

Wie zuversichtlich sind Sie für 2015?
Für 2015 gehen wir von einer leicht wachsenden Weltwirtschaft aus. Wir wollen an das gute Abschneiden des Jahres 2014 anknüpfen und den Umsatz um drei bis fünf Prozent steigern. Das operative Ergebnis soll um über fünf Prozent zulegen, weil wir beispielsweise noch Potenzial in unserem Effizienzsteigerungsprogramm haben. Und auch auf den Märkten sieht es gut aus. Trotz Risiken auf der Währungsseite - insbesondere der Rubel- Verfall bereitet uns Kopfzerbrechen - und trotz geopolitischer Unsicherheiten überwiegen insgesamt die Chancen.

Fühlen Sie sich wohl im SDAX?
Wir sind zufrieden im SDAX. Unser Ziel ist es, stabil in diesem Segment zu bleiben. 2014 ist uns das gut gelungen: Die Aktie von Villeroy & Boch hat den SDAX outperformt.

Auf Seite 3: Tradition trifft Moderne



Villeroy & Boch-Aktie lockt mit Kaufsignal und attraktiver Dividendenrendite

Kaum ein Unternehmen an der Frankfurter Börse ist so alt wie Villeroy & Boch. Seit über 260 Jahren liefert das Porzellanunternehmen edles Geschirr an Könige, Filmstars und Unternehmer. Ex-Papst Benedikt und Prinzessin Diana aßen schon von Villeroy & Boch- Tellern. Im Zeitalter von Fast Food und Tiefkühlkost ist aber die schön gedeckte Tafel aus der Mode gekommen. Deshalb hat sich das saarländische Unternehmen zum Lifestyleanbieter entwickelt, der Trends zu setzen versucht. Mit Designgeschirr sowie Kaffee- und Barbecuesets hat Villeroy & Boch neue Zielgruppen erschlossen - und wächst in Deutschland. Voriges Jahr stieg der Umsatz hierzulande um 2,8 Prozent auf 218 Millionen Euro. Zum wichtigsten Wachstumsmarkt hat sich inzwischen China entwickelt. Im Reich der Mitte verzeichnen die Saarländer konstant zweistellige Zuwächse.

Zweites Standbein ist die Sanitärkeramik. Villeroy & Boch stattet Badezimmer mit Waschbecken, Badewannen und Armaturen aus. Im vergangenen Jahr steigerte Villeroy & Boch den Konzernumsatz wechselkursbereinigt um vier Prozent auf 766,3 Millionen Euro. Das operative Ergebnis (Ebit) kletterte sogar um über sechs Prozent auf 38,4 Millionen Euro.

Seit den 90er-Jahren ist das Unternehmen börsennotiert. Nach einem dramatischen Absturz 2008 hat sich der Titel spürbar erholt. Allein in den vergangenen zwei Jahren hat sich der Kurs verdoppelt. Ende 2013 kehrte Villeroy & Boch in den SDAX zurück.

Auf Seite 4: Investor-Info