Einen derart großen Schritt hatte es zuletzt in der globalen Finanzkrise vor zehn Jahren gegeben. Er wurde nun mit den Risiken für die US-Wirtschaft begründet, die sich mit der Ausbreitung des Virus verbinden. Die Notenbank werde die Entwicklung weiter genau beobachten und ihre Werkzeuge bei Bedarf einsetzen, um die Konjunktur zu stützen.

Die einstimmig getroffene Entscheidung der Währungshüter überraschte die Finanzmärkte, die erst für die Zinssitzung am 17. und 18. März mit einer Senkung gerechnet hatten. Auf einer Telefonkonferenz hatten sich die Finanzminister und Zentralbankchefs der sieben führenden Industriestaaten (G7) über ihr Vorgehen gegen die Krise abgestimmt. US-Finanzminister Steven Mnuchin betonte danach, die G7 hätten vereinbart, "alles in ihrer Macht Stehende" zur Schadensbegrenzung zu tun. Eine Senkung der Strafzölle gegen China schloss er aber aus. Sein japanischer Kollege Taro Aso sagte, denkbar seien geldpolitische Reaktionen oder höhere Ausgaben der Staaten. Letztlich werde die Antwort aus dem Kreis der sieben Staaten - Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, die USA und Kanada - von Land zu Land jeweils unterschiedlich ausfallen.

Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zeigt die Zinssenkung in den USA, dass die Zentralbanken die Corona-Krise "sehr, sehr ernst" nehmen. Die US-Notenbank reagiere als erste, obwohl die US-Wirtschaft am wenigsten betroffen sei: "Dies macht deutlich, wie beunruhigt die Zentralbanken weltweit sind." LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert verweist darauf, dass es bei der Fed einen außerplanmäßigen Beschluss und eine Veränderung um einen halben Prozentpunkt zuletzt in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren gab: "Die US-Währungshüter hoffen darauf, die Märkte mit diesem entschiedenen Schritt nachhaltiger zu beruhigen, so dass keine weitere Zinsschritte notwendig werden, denn die US-Wirtschaft befindet sich laut Einschätzung der Fed weiterhin in guter Verfassung."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte, die Corona-Krise werde genau beobachtet. "Wenn es nötig werden sollte, stehen uns alle Mittel zur Verfügung, um einem weltweiten Abschwung entgegenzuwirken", twitterte der SPD-Politiker. Ifo-Präsident Clemens Fuest hält eine Rezession hierzulande wegen der Virus-Epidemie für möglich. Steuersenkungen oder ein Investitionsprogramm der Regierung seien aber nicht die richtige Antwort auf diese Krise. Stattdessen sollte die Politik den Konkurs von Unternehmen verhindern, die eigentlich gesund seien - etwa mit Notkrediten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet bereits konkret an gezielten Geldspritzen für Firmen, die von den Folgen der Epidemie betroffen sind, wie drei mit den Überlegungen vertraute Personen Reuters sagten. Den Insidern zufolge wird geprüft, ob langfristige gezielte Kreditspritzen (TLTRO) besonders kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen sollten. Der Grund sei, dass kleine Firmen generell nicht so leicht an Kredite gelangten im Vergleich zu großen Konzernen. Daher bekämen diese auch die Folgen der Viruskrise deutlicher zu spüren. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte am Montagabend erklärt, die Notenbank stehe bereit, mit angemessenen, gezielten geldpolitischen Schritten auf die Virus-Krise zu antworten. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 12. März in Frankfurt.

"IMPFSTOFF WÜRDE MEHR HELFEN"


Aus Sicht von Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Großbank ING in Deutschland, sind die Mittel der Geldpolitik bei dieser Krise begrenzt. Es gebe wenig, was die EZB machen könne, außer die Finanzmärkte zu beruhigen. "Um es offen zu sagen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ein Impfstoff definitiv mehr helfen als eine weitere Zinssenkung", sagte der Experte.

Anders als die US-Notenbank Fed hat die EZB bei den Zinsen allerdings nicht mehr viel Spielraum. Ihr Leitzins liegt bereits auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Eine Senkung auf unter Null wird von den meisten Experten ausgeschlossen. Darüber hinaus müssen Banken bereits seit 2014 Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der EZB über Nacht Geld parken. Damit soll der Druck auf die Geldhäuser steigen, das Geld in Form von Krediten auszugeben und damit die Wirtschaft zu unterstützen. Im September hatte die EZB diesen "Einlagensatz" genannten Strafzins verschärft. Er beträgt jetzt minus 0,5 Prozent. Investoren am Geldmarkt halten es zu mehr als 60 Prozent für wahrscheinlich, dass die Daumenschrauben hier nochmals angezogen werden - auf minus 0,6 Prozent bei der EZB-Sitzung im März.

rtr