Nach seinem abrupten Abgang bei Volkswagen hinterlässt Firmenpatriarch Ferdinand Piech eine Lücke, die nur schwer zu füllen ist. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber führt den Aufsichtsrat von Europas größtem Autobauer nur kommissarisch, bis ein Nachfolger gefunden ist. Um den Riesenkonzern mit zwölf Marken und weltweit fast 600.000 Beschäftigten in den nächsten Jahren zusammenzuhalten, muss eine Persönlichkeit gefunden werden, die in dem von Ingenieuren dominierten Unternehmen akzeptiert wird. Ganz ersetzen wird man den wegen seines strategischen Genies geschätzten Visionär Piech wohl nie können.
Es folgt ein Überblick über mögliche Kandidaten für eine Nachfolge an der Aufsichtsratsspitze.
WOLFGANG PORSCHE
Das Vorschlagsrecht haben die Eigner und damit vor allem die einflussreichen Familien Porsche und Piech. Sie müssen sich in den nächsten Wochen auf einen Kandidaten einigen. Wolfgang Porsche gilt als naheliegender Anwärter. Der Doktor der Handelswissenschaften leitet seit 2007 den Aufsichtsrat der Familienholding, die über knapp 51 Prozent der Stimmrechte an VW verfügt. Der 71-jährige Cousin von Ferdinand Piech sammelte erste operative Erfahrung mit der Autobranche in den 70er Jahren im Vertrieb und in der Beteiligungsverwaltung von Daimler.
Allerdings könnte ihm Piech nach dem verlorenen Machtkampf um die VW-Führung noch einen Strich durch die Rechnung machen. Der hat seine stärkste Blockademöglichkeit durch den Rücktritt vom VW-Aufsichtsratsmandat jedoch aufgegeben. Auch seine Frau Ursula schied aus dem Kontrollgremium aus. Ob Piech seinen Sitz im Aufsichtsrat von VW-Hauptaktionär Porsche SE behält, an der er gut 13 Prozent hält, ist unklar. Falls ja, hätte er weiterhin großen Einfluss.
MARTIN WINTERKORN
Die Familien hatten sich ursprünglich darauf verständigt, dass Vorstandschef Winterkorn an die Spitze des VW-Aufsichtsrats wechseln sollte, wenn Piech in den Ruhestand geht. Winterkorns derzeitiger Vertrag läuft bis Ende 2016. Das Präsidium des Aufsichtsrats hat ihm bereits eine Verlängerung in Aussicht gestellt. Konzernkenner halten es für möglich, dass der Gewerkschafter Huber nach der Hauptversammlung am 5. Mai noch für eine Übergangszeit weiter Aufsichtsratschef bleibt und später an Winterkorn übergibt. Allerdings ist sein Ruf nach Piechs Kritik an der verfehlten Modellpolitik in den USA und der Renditeschwäche der Hauptmarke VW angekratzt. Formal müssten 25 Prozent der stimmberechtigten Aktionäre Winterkorn vorschlagen, dann wäre die nach dem Kodex für gute Unternehmensführung geforderte zweijährige Pause zwischen Vorstandsamt und Aufsichtsratsmandat ausgehebelt. Diese Quote würde auch gegen den Widerstand Piechs zustande kommen.
HANS MICHEL PIECH
Piechs jüngerer Bruder spricht für die Familie Piech. Der in Wien lebende Rechtsanwalt sitzt im VW-Aufsichtsrat, spielt öffentlich aber kaum eine Rolle. Abgesehen von Besuchen bei Konzernabenden von Volkswagen im Vorfeld großer Automessen trat er kaum in Erscheinung. Hans Michel Piech vertritt Insidern zufolge eine "unabhängige Meinung" und käme daher als Kompromisskandidat infrage. Seine geringe Bekanntheit könnte allerdings auch dagegen sprechen. Das gilt auch für Ferdinand Oliver Porsche. Der 54-Jährige Sohn des Porsche-Designers Ferdinand Alexander Porsche ist ebenfalls Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer.
EXTERNE KANDIDATEN
Um die Lage nach dem Krach zwischen Ferdinand Piech und Wolfgang Porsche zu beruhigen, könnte auch eine externe Führungspersönlichkeit das Kontrollgremium leiten. Er muss Erfahrung in der Steuerung eines weltumspannenden Konzerns mitbringen und nach Möglichkeit Ingenieur sein. Vor allem muss er die zerstrittenen Lager bei Volkswagen einen. "Man muss die Welt in Wolfsburg kennen", schildert Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management die Anforderung an einen Bewerber. Das vereinfacht die Suche nach einem geeigneten Kandidaten nicht gerade. An eine Frau als Piech-Nachfolgerin denkt in der von Männern dominierten VW-Welt bisher kaum einer.
Reuters