Zentrale Bedeutung komme dabei dem Kulturwandel im Unternehmen zu, erklärte der neue Volkswagen-Chef. Volkswagen müsse "noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort noch anständiger werden." Dies habe "oberste Priorität", sagte Diess vor rund 2000 Anteilseignern in Berlin. Dazu habe der Konzern mit "Together4Integrity" ein neues Programm auf den Weg gebracht. Zuvor hatte auch Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch vor den Anteilseignern den Kulturwandel als "Kernstück" bei der Bewältigung der Dieselkrise bezeichnet.

Neben der Stärkung der Compliance-Abteilung, die auf die Einhaltung der Regeln im weitverzweigten Konzern achtet, solle auch das anonyme Hinweis-Gebersystem ("Whistleblower") ausgebaut werden. Damit kommt der Konzern auch den Forderungen des US-Aufsehers Larry D. Thompson nach, der nach der Einigung des Konzerns im Zuge des Dieselskandals in den USA eingesetzt wurde und sehr weitreichende Prüf- und Aufsichtsrechte bei Volkswagen hat.

Großaktionäre und Kleinanleger zeigten sich in der Generaldebatte unzufrieden mit der Bewältigung der Dieselkrise. Der Aufklärungselan bei Volkswagen habe deutlich nachgelassen, monierten zahlreiche Sprecher.

Zudem kritisierten Investoren die Besetzung des Aufsichtsrats. "Statt eines unabhängig besetzten Kontrollgremiums, setzt sich der Aufsichtsrat immer noch aus den Vertretern der Großaktionäre - mit dem ehemaligen Finanzvorstand an der Spitze - zusammen", bemängelte etwa Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS mit Blick auf Pötsch. Für Unmut sorgte auch die geplante Wiederwahl von Wolfgang Porsche und die Nachwahl von Marianne Heiß in den Aufsichtsrat. Porsche ist Sprecher der Mehrheitseigner. Heiß arbeitete bisher beim Werbekonzern BBDO. Das Unternehmen verantwortet die Werbung von VW.

Diess warb vor den Aktionären zugleich für den geplanten Umbau des Konzerns. Nach den Mitte April vorgestellten Plänen soll der Konzern künftig in sechs operative Einheiten sowie China unterteilt werden. So sollen VW, Skoda, SEAT, VW Nutz sowie Moia künftig in der Gruppe Volumen gebündelt werden und von Diess in Personalunion geführt werden. Die Premium-Gruppe besteht aus Audi und der Porsche Holding Salzburg. Porsche. Bentley, Bugatti und Lamborghini sollen in der Super Premium-Gruppe geführt werden. Das Nutzfahrzeug-Geschäft um Scania und MAN soll mittelfristig kapitalmarktfähig sein. Hier liebäugelt der Konzern laut Presseberichten offenbar auch mit einem Börsengang im ersten Quartal 2019. In den beiden weiteren Einheiten sollen das Komponentengeschäft sowie die Finanzdienstleistungen gebündelt werden.

Konzern denkt über Ausgliederung von Randbereichen nach



Im Zuge des laufenden Umbaus denkt der Konzern auch über eine Ausgliederung von Randbereichen nach. Für Nicht-Kerngeschäfte werde man "belastbare Zukunftsperspektiven finden", sagte Diess mit Blick auf die Motorrad-Marke Ducati, MAN Diesel & Turbo (Schiffsdiesel) sowie Renk (Getriebe). Analysten hatten in den vergangenen Monaten immer wieder über mögliche Verkäufe dieser Bereiche spekuliert und dabei auf fehlende Synergien verwiesen.

Mit Blick auf das laufende Geschäft bekräftigte Diess die jüngste Prognose des Konzerns. Danach soll der Umsatz im laufenden Jahr um bis zu fünf Prozent steigen. Beim operativen Ergebnis peilt Volkswagen weiterhin eine Rendite zwischen 6,5 und 7,5 Prozent an.

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Einschätzung der Redaktion



Bei Volkswagen bleibt gerade kein Stein auf dem anderen. Der neue Konzernchef Herbert Diess verpasst dem Unternehmen den größten Umbau in der Konzernhistorie. Nach den Plänen sollen die zwölf Marken in vier Gruppen gebündelt werden, das im Wettbewerbsvergleich ungewöhnlich umfassende Komponentengeschäft wird unter eine einheitliche Leitung gestellt. Zentrale Funktionen wie Produktion, Vertrieb, IT oder Führungskräfte-Entwicklung werden konzernübergreifend organisiert und im Vorstand verankert.

Dazu arbeitet der Konzern mit Hochdruck an der Elektrifizierung seines Portfolios. Bis 2025 sollen 80 neue Fahrzeuge auf den Markt kommen, 50 davon sollen reine E-Antriebe haben. Alleine bis 2022 wollen die Wolfsburger 34 Milliarden Euro in E-Antriebe, autonomes Fahren, Digitalisierung und andere Themen stecken.

Das ist ein beispielloser Kraftakt. Aber Volkswagen kann sich das leisten. Trotz der milliardenschweren Belastungen aus der Dieselkrise stiegen die Netto-Zuflüsse im ersten Quartal um satte fünf Milliarden, die Netto-Liquidität lag damit bei 24,3 Milliarden Euro nach 22,4 Milliarden zum Jahresende 2017.

Auch sonst hellen sich die Aussichten weiter auf. Im Vorjahr hat der Konzern trotz der Dieselkriese sein operatives Ergebnis auf 13,8 Milliarden Euro nahezu verdoppelt. Auch im laufenden Jahr sieht es bislang gut aus. Von Januar bis März lieferte der größte Autobauer der Welt weltweit 2,7 Millionen Fahrzeuge aus und damit 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Umsatz kletterte um 3,6 Prozent auf 58,2 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis gab zwar um 3,6 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro nach. Doch wirkten sich dabei laut Volkswagen Änderungen in der Bewertung von Derivaten belastend aus.

Volkswagen hat in den vergangenen Jahrzehnten unter seiner verknöcherten Führungsstruktur und dem großen Einfluss der Gewerkschaften und des Landes Niedersachsen gelitten. Doch mit der Berufung des ehemaligen BMW-Managers Herbert Diess an die Konzernspitze scheinen sich die Strukturen zu lockern. Während seiner Zeit als VW-Markenchef hat Diess die Profitabilität der Kernmarke innerhalb kürzester Zeit durchgreifend verbessert. Das soll ihm nun auch Konzernebene gelingen.

Die Vorzeichen dafür stehen gut. Der mächtige Betriebsrat hat nach anfänglichen, teils heftigen Streitigkeiten inzwischen seinen Frieden mit Diess geschlossen. Dazu hat Diess auch die Rückendeckung des mächtigen Aufsichtsrats und Groß-Aktionärs Wolfgang Porsche. Angesichts der Revolution in der Branche gibt es zu dem Umbau und der verstärkten Delegation von Entscheidungen auf die operative Ebene auch keine Alternative.



Zwar ist der Aufklärungswille im Dieselskandal bei Volkswagen zuletzt deutlich erlahmt. Zudem sind die Rechtsrisiken außerhalb der USA noch längst nicht vom Tisch. Aber so teuer wie in den Vereinigten Staaten dürfte es für den Konzern wohl auf anderen Märkten nicht mehr werden.

Die VW-Aktie



Die VW-Aktie ist im langjährigen Vergleich derzeit sehr moderat bewertet. Seit 2011 pendelt das KGV in der Spanne zwischen fünf und zehn Euro. Derzeit liegt das Papier bei rund sieben. Gelingt es Diess, die Entwicklung konzern-übergreifend vor allem bei E-Antrieben stärker zu zentralisieren und die Kosten weiter einzudämmen, dürften die Gewinne weiter spürbar nach oben klettern. Dazu hat das Unternehmen mit dem absehbaren Börsengang von Trucks & Bus einen großen Hebel in der Hand. Das könnte auch ein Vorbild für einen denkbaren IPO des Komponenten-Geschäfts sein. Auch bei der Dividende hat der Konzern für 2018 noch viel Luft nach oben. Bis 2022 soll die Ausschüttung die vom Konzern angestrebte Quote von 30 Prozent des Ergebnisses erreichen, erklärte Finanzvorstand Frank Witter auf eine entsprechende Frage auf der HV. Für 2017 liegt der entsprechende Wert bei 17 Prozent.

Charttechnisch ist ohnehin alles im grünen Bereich: Aktuell kämpft das Papier mit dem Widerstand bei 177 Euro. Fällt die Marke ist ein weiterer Kursanstieg bis zum jüngsten Hoch bei 189 Euro drin.

Wir bleiben bei unserer Einschätzung: Kaufen.

Kursziel: 189 Euro

Stopp: 152 Euro