Nach der Führungskrise bei VW deutet sich mit der geplanten Berufung von Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch zum Aufsichtsratschef ein Friedensschluss der Eigentümer an. Die Familie Porsche und der im Streit ausgeschiedene VW-Patriarch Ferdinand Piech als Haupteigner der Porsche SE einigten sich am Donnerstag darauf, den 64-Jährigen auf einer außerordentlichen Aktionärsversammlung von VW im November zur Wahl vorzuschlagen. Damit endet der im Frühjahr ausgebrochene Machtkampf bei dem weltgrößten Autokonzern, den die Porsche SE als Mehrheitsaktionärin kontrolliert. Unklar ist, ob Konzernchef Martin Winterkorn noch Ambitionen hat, Piech nach einer Übergangszeit unter Pötsch an der Spitze des Aufsichtsrats zu beerben. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass sein Vertrag bis 2018 verlängert werden soll.

"Hans Dieter Pötsch besitzt das uneingeschränkte Vertrauen des gesamten Aufsichtsrats der Porsche SE", sagte Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche. Pötsch habe in den vergangenen Jahren mit seinem strategische Weitblick zur Weiterentwicklung von Volkswagen beigetragen. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrats, in dem das Land Niedersachsen als zweitgrößter Eigner, die Arbeitnehmer und die Familie Porsche das Sagen haben, erklärte seine Unterstützung für das Votum. "Wir sind sicher, dass mit Herrn Pötsch ein überzeugender Vorschlag für die künftige Position des Aufsichtsratsvorsitzenden gemacht wurde", sagte der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber, der den VW-Aufsichtsrat seit Piechs Rückzug im April kommissarisch führt. Vor der VW-Hauptversammlung im November muss der Vorschlag noch von den Aufsichtsräten beider Gesellschaften genehmigt werden.

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ZUSTIMMUNG UND KRITIK



Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil begrüßte die Nominierung von Pötsch. Dessen Wahl sei Gewähr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, sagte der SPD-Politiker. Auch unter Analysten kam das Votum gut an. Arndt Ellinghorst von Evercore ISI sagte, Pötsch sei der Richtige, um den neuen VW-Chef Herbert Diess dabei zu unterstützen, die renditeschwache Hauptmarke VW auf Kurs zu bringen. Die mit einem Prozent an Volkswagen beteiligte Fondsgesellschaft Union Investment kritisierte hingegen den direkten Wechsel von Pötsch in das Kontrollgremium. "Ein Aufsichtsratsvorsitzender braucht kritische Distanz, um Dinge zu hinterfragen", sagte Fondsmanager Ingo Speich. An der Börse schlug die Entscheidung keine Wellen: Die VW-Aktie legte weniger stark zu als der Leitindex Dax.

Pötsch, der 2002 zu VW wechselte, war davor Vorstandschef des Maschinen- und Anlagenbauers Dürr. Zu einem seiner größten Erfolge zählt die Entschuldung der Porsche SE nach der missglückten Versuch des damaligen Vorstandschefs Wendelin Wiedeking vor sieben Jahren, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Damals saß Porsche auf einem Schuldenberg von 11,6 Milliarden Euro. Den trug Pötsch durch eine Kapitalerhöhung und dem Verkauf des Sportwagengeschäfts an Volkswagen ab. Heute verfügt die Holding der Familien Porsche und Piech über ein Guthaben von zwei Milliarden Euro.

Seine bisherige Funktion als Finanzvorstand der Porsche SE soll Pötsch behalten. Er hat diesen Posten bislang in Personalunion beider Gesellschaften. Die Porsche SE ist mit knapp 51 Prozent größter VW-Eigner. Als Nachfolger als VW-Finanzvorstand sei Audi-Chef Rupert Stadler im Gespräch, sagte ein Insider.

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Im VW-Aufsichtsrat soll Julia Kuhn-Piech für Pötsch Platz machen. Sie ist Tochter von Hans Michel Piech, der ebenfalls im VW-Aufsichtsrat sitzt. Louise Kiesling, die nach dem Rückzug von Ferdinand Piech und seiner Frau Ursula im April ebenfalls in den VW-Aufsichtsrat gerichtlich berufen wurde, sollen die Aktionäre November neben Pötsch in den Aufsichtsrat wählen.

Unklar blieb zunächst, ob Pötsch über die geplante Laufzeit seines Aufsichtsratsmandats bis 2017 hinaus den Wolfsburger Zwölf-Markenkonzern kontrollieren soll. Am Mittwoch hatte das VW-Aufsichtsratspräsidium eine vorzeitige Verlängerung des Vertrags von Vorstandschef Winterkorn bis Ende 2018 vorgeschlagen. Nach wie vor wird in dem Wolfsburger Konzern spekuliert, der 68-Jährige Konzernchef könnte danach in den Aufsichtsrat wechseln.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die damit nicht mehr rechnen. "Wenn Winterkorn in den Aufsichtsrat wechseln wollte, hätte er das jetzt machen sollen", sagte ein Insider. Der 78-jährige Piech war im April überraschend auf Distanz zu seinem einstigen Ziehsohn gegangen, um zu verhindern, dass dieser ihn an der Spitze des Aufsichtsrats beerbt, obwohl dies ursprünglich einmal sein Plan gewesen sein soll.

Reuters