Die europäischen Autobauer geraten zunehmend unter Druck. Die Konkurrenz aus China, aber auch Tesla macht vor allem Volkswagen zu schaffen. Die VW-Aktie sackte in den vergangenen Tagen ab und ist charttechnisch angeknackst. Doch zur Automesse IAA Mobility zeigt sich der Konzern optimistisch. Die zuletzt abgekühlte Nachfrage sei nur ein "Zwischentief".

Volkswagen hofft zum Beginn der IAA Mobility in München auf eine Belebung der zuletzt schwächelnden E-Auto-Nachfrage und legt beim Elektro-Portfolio der Kernmarke noch einmal nach. "Bis 2027 bringen wir als Marke elf neue Elektromodelle auf den Markt", kündigte Markenchef Thomas Schäfer im Gespräch mit der Deutschen-Presse-Agentur an. 

Mit dabei sein wird ein vollelektischer GTI, der ab 2027 serienreif werden soll. Mit dem Elektro-GTI will Volkswagen sein Profil als Elektroautomarke schärfen. Das bisher nur bei sportlichen Verbrennermodellen wie dem Golf GTI genutzte Kürzel werde künftig auch entsprechende Elektromodelle kennzeichnen, so Schäfer auf der IAA. "Mit dem ID. GTI Concept bringen wir die GTI-DNA ins Elektrozeitalter." 

Am eingeschlagenen Elektro-Kurs will der Chef der Kernmarke trotz der zuletzt abgekühlten Nachfrage festhalten. "Wir gehen davon aus, dass der E-Auto-Anteil in Europa in den kommenden Jahren deutlich steigen wird", sagte Schäfer. Dass der Zuspruch zuletzt zurückgegangen war, bezeichnete er als "Zwischentief".

E-Auto-Nachfrage in Deutschland gefallen

Vor allem in Deutschland hatte die Begeisterung für E-Autos Anfang des Jahres deutlich an Schwung verloren. Die reduzierte Kaufprämie, Inflation und die zuletzt langen Lieferzeiten drückten auf die Stimmung. VW musste deshalb in Emden zeitweise die Produktion drosseln. Inzwischen habe sich die Lage aber gebessert, sagte Schäfer. "Seit Mai sehen wir wieder einen Aufwärtstrend bei den Auftragseingängen."

"Die Ladeinfrastruktur ist ein weiteres Thema, das manche Kunden noch abwarten lässt, bis ein E-Auto gekauft wird", sagte VW-Konzern-Chef Oliver Blume einer Sonntagszeitung. Das könne dazu führen, dass manche ihre Autos länger fahren als geplant. Insgesamt rechnet Blume noch in diesem Jahr wieder mit wachsenden Absätzen: "Für dieses Jahr sind wir zuversichtlich, mit einem deutlichen Plus beim Absatzvolumen abzuschließen."

VW-Aktie auf Dreieinhalb-Jahres-Tief

Die VW-Vorzugsaktie war in den vergangenen Wochen von 126 Euro bis auf 107,70 Euro abgesackt – das tiefste Niveau seit Frühjahr 2020. Dabei hat der DAX-Wert auch die Unterstützungszone bei 114 bis 116 Euro unterschritten. Immerhin: Am Montag stabilisiert sich die VW-Aktie am Vormittag in freundlichem Umfeld und steigt im Xetra-Handel um 0,7 Prozent auf 109,12 Euro. Sowohl die 200- als auch die 50-Tage-Linie zeigen noch abwärts.

TradingView.com
Vier-Jahres-Chart Volkswagen Vz. (Xetra)

UBS sagt "Verkaufen"

Die Schweizer Großbank UBS fürchtet wachsende Konkurrenz für europäische Autobauer durch chinesische Produzenten. Vor allem Massenhersteller dürfte das laut den Experten betreffen, weshalb sie die Aktien von Volkswagen am Freitag von "Neutral" auf "Sell" abgestuft haben. Sie sehen eine Handvoll chinesischer Elektrofahrzeughersteller auf dem Weg "zu neuen globalen Champions". 

Volkswagen werde auf globaler Ebene am stärksten bedrängt von der zunehmenden Konkurrenz aus Fernost, befürchtet Analyst Patrick Hummel. Der Gegenwind, dem der Konzern auch in Europa durch chinesische Elektroautos ausgesetzt sei, werde am Markt unterschätzt. Die VW-Aktie wirke zwar derzeit günstig, doch in den kommenden ein bis zwei Jahren dürfte sich dies zum Negativen wenden. Das Kursziel kappte er von 135 auf 100 Euro. 

Auto-Experten rechnen damit, dass Firmen wie BYD, XPeng oder Dongfeng schon bald zu ernstzunehmenden Wettbewerbern europäischer Autohersteller werden.


Keine Preissenkungen

Tatsächlich braucht VW ein Rezept, um dem steigenden Druck der Konkurrenz zu begegnen. Preissenkungen, mit denen vor allem Tesla derzeit die Nachfrage ankurbeln will, lehnte das VW-Management erneut ab. "An Preiskämpfen beteiligen wir uns nicht", sagte Markenchef Schäfer. "Marktanteile über den Preis zu erkaufen, ist nach meiner Erfahrung nicht nachhaltig."

Die Kritik von Händlern, dass VW zum 1. September die Preise einiger Modelle sogar erhöhte, wies Schäfer zurück. "Die Preise unserer E-Autos wurden zum 1. September nicht erhöht, sondern lediglich die einiger ausgewählter Verbrenner-Modelle." Auf den Elektro-Hochlauf habe das daher keinen Einfluss.

Erschwingliche VW-Stromer kommen

Immerhin wolle der VW-Konzern in zwei Jahren günstigere Elektroautos zu Einstiegspreisen unter 25.000 Euro auf den Markt bringen. Ab 2025 biete die weiterentwickelte Plattform MEB+ zehn Prozent mehr Reichweite und Effizienz. Modelle von Volkswagen, Skoda und Cupra sollen in weniger als 20 Minuten ihre Batterien aufladen können, wie VW am Montag in München ankündigte. "Wir kommen gut voran. Und das schneller als geplant", so Blume mit Blick auf den Umschwung zu Elektroautos und Mobilitäts-Dienstleistungen. Wesentliche Voraussetzung zur "Demokratisierung der E-Mobilität" seien sinkende Kosten für Batterien. 

Nach Ansicht von Auto-Experte Philipp Kupferschmidt von Accenture dürfte sich der "ruinöse Preiskampf bei Batterieautos" in China in den kommenden Jahren über eine Konsolidierung abschwächen. Aber: "Alleine werden es die deutschen Autobauer nicht schaffen können, es gibt keine andere Option, als Partnerschaften einzugehen, um sich die mangelnde Kompetenz ins Haus zu holen und schnell entsprechende Sprünge zu machen", so der Experte. 

Volkswagen geht diesen durchaus schmerzlichen Schritt gerade. Um schneller aussichtsreiche Elektromodelle auf die Straße zu bekommen, entwickeln die Wolfsburger zusammen mit dem lokalen E-Autobauer XPeng nun gemeinsame Modelle, auf Basis chinesischer Technik. Auch die Ingolstädter Tochter Audi will in China ihre Bande mit Partnern vertiefen, weil es nicht rund läuft.

Weiterer Kursrutsch denkbar

BÖRSE ONLINE hatte die VW-Aktie zuletzt Ende Juni zum Kauf empfohlen. Nachdem die Aktie unter die seinerzeit genannte Stopp-Marke bei 109 Euro gefallen ist, steht Volkswagen lediglich auf "Beobachten". Vor einem Neueinstieg sind nochmals tiefere Kurse denkbar.

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(Mit Material von dpa-AFX)

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