Der bisherige VW-Chef wurde selbst überrascht, auch die Märkte traf die Nachricht unvorbereitet: Herbert Diess ist ab 1. September nicht mehr Chef bei Deutschlands größtem Autobauer. Von einer "einvernehmlichen" Trennung ist die Rede. Doch dem Vernehmen nach wurde der Wechsel von den Eigentümerfamilien Porsche und Piëch angestoßen. Der Chef-Abgang sorgt unter Anlegern für Verunsicherung, die VW-Aktie verlor.
Diess galt als wichtiger Treiber, hatte das Produktportfolio der Wolfsburger neu strukturiert und die Ausrichtung hin zur Elektromobilität maßgeblich vorangetrieben. Dabei ging er auch mal auf Konfrontation, konnte zudem die Probleme bei der Software-Sparte Cariad nicht lösen. Der US-Investmentbank Jefferies zufolge ist Volkswagen bei Absatz und Software-Implementierung ins Hintertreffen geraten, die Strategie bleibe kapitalintensiv. Neue Impulse sollen jetzt her.
Die Konzernspitze übernimmt Oliver Blume, aktuell Chef bei VWs Sportwagentochter Porsche. Mutter- und Tochterkonzern leitet er künftig in Personalunion. Der Start war schon mal holprig, der angeblich enge Kontakt zu Finanzminister Christian Lindner sorgte für Negativ-Schlagzeilen. In dem Austausch soll es um die weiterhin erlaubte Verwendung von E-Fuels, synthetische Kraftstoffe, gegangen sein. Eine Absprache oder Einflussnahme zwischen FDP und Porsche-Chef dementierten beide Seiten.
Unabhängig davon kommen auf den designierten VW-Chef große Herausforderungen zu. VW tut sich im US-Markt schwer, die Neuauflage von Scout, der Marke für Geländewagen, soll neue Impulse schaffen. Auf der anderen Seite der Welt, in China, büßte man zuletzt Anteile ein. Gründe dafür sind wohl der Chipmangel sowie zu wenig digitale Funktionen, die Kunden im Reich der Mitte schätzen. Mit aufstrebenden Konkurrenten wie BYD oder Nio finden diese heimische Wahlmöglichkeiten vor. Auch bei PowerCo gibt es Baustellen. Die Sparte, die die weltweiten Batterieaktivitäten des Konzerns bündelt, kämpft mit Beschaffungsproblemen: "Die Lieferkette fu¨r unser Gescha¨ft existiert heute einfach noch nicht", gab Finanzvorstand Kai Alexander Mu¨ller jüngst zu. Volkswagen zeigt sich für eine Börsennotierung von PowerCo offen.
Fragen bei Doppelfunktion
Nebenbei muss sich Blume um den eigenen Schritt aufs Börsenparkett kümmern. Sein aktueller Verantwortungsbereich, die Porsche AG, strebt den Börsengang wohl für das vierte Quartal an. Analysten sehen die Doppelfunktion von Blume als Chef von Volkswagen und Porsche durchaus kritisch. Daniel Roeska von Bernstein sagt, die offiziellen Gründe für Porsches Börsengang seien Unabhängigkeit für den Sportwagenhersteller, die Finanzierung von VWs Elektrostrategie sowie das Bestreben, den Wert von Porsche besser hervorzuheben. Die Entscheidung, Blume zum Boss von VW und Porsche zu ernennen, stünde im Widerspruch zu allen drei Begründungen.
Potenzial: Der Wechsel an der Spitze bringt Unsicherheiten, Bewertung und Perspektiven machen VW dagegen aussichtsreich.
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