Europas größter Autobauer will sein Angebot an E-Fahrzeugen ausbauen, die Planung weiterer Batteriezellen-Fabriken vorantreiben sowie beim Thema Software und Digitalisierung frühere Verzögerungen aufholen. Dafür nimmt Volkswagen in den kommenden 4 Jahren sehr viel Geld in die Hand. An der Börse ist man zunächst skeptisch..
Volkswagen gibt Gas. Europas größter Autokonzern will bis 2027 insgesamt 180 Milliarden Euro investieren. Zwei Drittel davon fließen in die Elektrifizierung und Digitalisierung, wie der DAX-Konzern am Dienstag bei der Bilanzvorlage mitteilte. Allein 15 Milliarden Euro stecken die Wolfsburger in diesem Zeitraum in den Aufbau von Zellfabriken der Batterie-Tochter PowerCo und in die Sicherung von Rohstoffen für Akkus.
Vier Zellfabriken entstehen
Technikvorstand Thomas Schmall sagte Reuters, anfangs werde der Schwerpunkt bei der Rohstoff-Sicherung liegen, danach bei den Zellfabriken. Volkswagen will seine erste Zellfabrik in Salzgitter 2025 an den Start bringen, 2026 soll das Werk im spanischen Valencia folgen und 2027 ein dritter Standort, möglicherweise in Osteuropa.
Unklar war zunächst, ob in den 15 Milliarden auch Investitionen für Kanada enthalten sind. Dort baut Volkswagen seine erste Batteriezellen-Fabrik außerhalb Europas.
In Europa plant VW insgesamt zunächst sechs Fabriken für eigene Akkuzellen von Elektrofahrzeugen, auch um unabhängiger von asiatischen Zulieferern zu werden. Die Hälfte davon ist bereits konkret beschlossen. "Unsere drei Werke in Europa sind jetzt bis 2028 festgelegt", sagte Schmall. Der Vorlauf für neue Standorte nehme aber Jahre in Anspruch.Erst ab 2025 sei wohl frühestens mit Details zum nächsten europäischen Standort zu rechnen.
Angesichts einer hohen Nettoliquidität von zuletzt 43 Milliarden Euro, in der 16 Milliarden aus dem Börsengang der Sportwagen-Tochter Porsche AG eingeflossen sind, sehen sich die Wolfsburger in der Lage, die im laufenden Jahr anfallenden Ausgaben zu stemmen. Für die kommenden Jahre setzt der Konzern auf weiterhin robuste Geschäfte bei einem hohen Barmittelzufluss.
Volkswagen: Keine Überraschung bei endgültigen Jahreszahlen
VW legt auch seine endgültigen Jahreszahlen vor. Die Kernmarke des Volkswagen-Konzerns hat im vergangenen Jahr trotz eines starken Rückgangs ihrer Auslieferungen ein besseres Ergebnis erwirtschaftet. Wie die Wolfsburger am Morgen mitteilten, stieg der Gewinn im laufenden Geschäft – Sonderfaktoren herausgerechnet – um 22,5 Prozent auf knapp 2,65 Milliarden Euro. Gleichzeitig konnte VW mit rund 4,6 Millionen Fahrzeugen deutlich weniger Autos an die Kunden bringen (minus 6,8 Prozent), Hauptgrund dafür waren die anhaltenden Versorgungsprobleme etwa bei Mikrochips und Elektronik.
Der Umsatz der VW-Hauptsparte kletterte um 8,7 Prozent auf 73,8 Milliarden Euro. Dass auch beim Ergebnis am Ende mehr in der Kasse blieb, lag unter anderem an den höheren Autopreisen, die 2022 infolge der allgemeinen Inflation, aber auch wegen des knappen Angebots auf den Neu- wie Gebrauchtwagen-Märkten spürbar angezogen hatten.
An der Börse reagieren die Anleger am Dienstag in freundlichem Umfeld enttäuscht. Die VW-Vorzugsaktie steht mit einem Kursabschlag von mehr als drei Prozent auf 126 Euro am DAX-Ende.
Einschätzungen zur VW-Vorzugsaktie
Analyst Philippe Houchois vom US-Investmenthaus Jefferies wertete die detaillierten Kennziffern zu den VW-Konzernzahlen als "schwach". Insbesondere die Volumenmarken hätten zum Jahresende hin weniger verdient als am Markt erwartet. Zur Jahresmitte hatte die VW-Kernmarke noch ihren Ausblick für die operative Marge auf vier bis fünf Prozent erhöht – dann aber nach neun Monaten vor einem schwierigen vierten Quartal gewarnt. In den drei Monaten bis Dezember machte die Kernmarke denn auch kaum noch Gewinn im Tagesgeschäft. Houchois bestätigte sein Votum "Underperform" mit einem Kursziel von 115 Euro.
Die kanadische Bank RBC sieht das anders und hat die Volkswagen-Vorzugsaktie nach den detaillierten Jahreszahlen auf "Outperform" mit einem Kursziel von 237 Euro belassen. Die finalen Kennziffern hätten den vorläufigen Eckdaten entsprochen, schrieb Analyst Tom Narayan in einer Einschätzung. Auch am Ausblick auf 2023 habe sich kaum etwas geändert.
BÖRSE ONLINE hält die VW-Aktie langfristig für kaufenswert, auch wenn die hohen Investitionen die künftigen Überschüsse bremsen und sich das Chartbild mit dem Rückfall unter die 200-Tage-Linie zuletzt wieder eingetrübt hat. Das Kursziel für Volkswagen liegt derzeit zwischen den beiden Analysten: 189 Euro. Eine Stop-Loss-Order sollte sicherheitshalber bei 99 Euro eingeplant werden.
Lesen Sie auch: Hohe Dividenden und niedrige KGVs – Mehr als 8 Prozent Dividendenrendite mit Auto-Aktien wie Volkswagen, Mercedes oder BMW
(Mit Material von Reuters und dpa-AFX)
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen, Porsche AG.
Der Chefredakteur, Herr Frank Pöpsel, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen.
Der Autor dieses Artikels ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Volkswagen, Porsche AG.