Das französischen Unternehmen, das vor 15 Jahren schon einmal dem Wolfsburger Konzern gehörte, würde so zum Kern der neuen Strategie, mit der Diess den Autobauer auf den Wandel der Mobilität vorbereitet. Ein Konsortium unter Führung von Volkswagen hatte sich erst am Mittwoch mit den Europcar-Eignern auf den Preis für die Übernahme geeinigt.
Auch andere Autobauer richten sich auf ein verändertes Nutzungsverhalten vor allem jüngerer Kunden ein, die Autos nicht mehr besitzen, sondern für kurze Zeit mieten oder abonnieren wollen. Volkswagen verfügt unter der Marke WeShare in einigen Städten bereits über Aktivitäten im Carsharing und bietet mit Moia Mitfahrdienste an. Der Ausbau kommt nur langsam voran, außerdem wirft das Geschäft in der Anfangsphase kaum Geld ab. "Die Kombination von Vermietung und Carsharing ist wahrscheinlich der einzige Weg, um Carsharing profitabel zu machen", sagte Diess bei einer Telefonkonferenz mit Journalisten anlässlich der Präsentation der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr. Das sei offensichtlich, denn einer der Konkurrenten mache bereits Forschritte auf diesem Gebiet. Der Münchner Autovermieter Sixt, auf den VW im vergangenen Jahr ein Auge geworfen haben soll, verfügt bereits über eine Mobilitätsplattform, mit deren Hilfe das klassische Verleihgeschäft, Carsharing und Fahrdienste zusammenwachsen sollen. Darüber können auch Autos abonniert werden.
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Diess sagte, Volkswagen habe in den vergangenen eineinhalb Jahren mehrere Optionen in Betracht gezogen, sei letztlich aber auf Europcar zurückgekommen, weil man das Unternehmen kenne. Der Autovermieter sei vor allem in Europa stark, weltweit bisher aber kaum präsent. Wenn sich erste Fortschritte beim Umbau zu einer Mobilitätsplattform zeigten, wolle man über eine Expansion in weitere Regionen nachdenken.
Volkswagen bietet den Europcar-Eignern zusammen mit zwei Partnern 50 Cent je Aktie, womit das Pariser Unternehmen 2,5 Milliarden Euro wert ist. Einschließlich Schulden und Pensionsverpflichtungen ist Europcar fast drei Milliarden Euro schwer. Der Deal soll möglichst noch diesem Jahr über die Bühne gehen. Den auf Volkswagen entfallenden Anteil am Erwerb von Europcar bezifferte das Management bei einer Telefonkonferenz mit Analysten mit knapp 1,7 Milliarden Euro.
Finanziell sieht sich Europas größter Autokonzern trotz hoher Investitionen in die Elektromobilität und den Aufbau einer eigenen Softwaresparte dazu im Stande. Im ersten Halbjahr fuhr Volkswagen dank stark gestiegener Auslieferungen einen Rekordgewinn von 11,4 Milliarden Euro ein. Der Umsatz kletterte um 35 Prozent auf rund 130 Milliarden Euro. Die Prognose für die operative Rendite erhöhte das Management und stellt für 2021 nun zwischen sechs und 7,5 Prozent in Aussicht, je ein halber Prozentpunkt mehr als bisher. Den Ausblick für die weltweiten Auslieferungen dämpfte der Konzern wegen der Chip-Krise dagegen, geht aber noch von einem "spürbaren" Anstieg um etwa zehn Prozent zum schwachen Vorjahr aus. Das bisher erwartete "deutliche" Plus hätte einen Zuwachs um 15 Prozent bedeutet, erläuterte Finanzchef Arno Antlitz. Im ersten Halbjahr brachte Volkswagen weltweit knapp fünf Millionen Fahrzeuge zu den Kunden, rund 28 Prozent mehr als im von Lockdowns zur Eindämmung der Pandemie geprägten Vorjahreszeitraum.
Volkswagen hatte im Vorfeld der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen erklärt, die Beeinträchtigungen durch den Engpass bei elektronischen Bauteilen würden eher in der zweiten Jahreshälfte zu Buche schlagen. Die Taskforce, die der Autobauer eingerichtet hat, rechnet damit, dass sich der Engpass bei Halbleitern, unter dem die gesamte Branche ächzt, bis Ende nächsten Jahres hinziehen dürfte. Im ersten Halbjahr konnten die Wolfsburger bereits eine hohe sechsstellige Zahl an Fahrzeugen nicht produzieren. Der Gewinn stieg dennoch, weil der Konzern mehr größere Autos verkaufte und die beiden Premiummarken Audi und Porsche gut verdienten.
Einen möglichen Teil-Börsengang der Sportwagen-Tochter Porsche räumt Volkswagen weiter keinen Vorrang ein. Priorität habe der Aufbau von Kapazitäten zur Batteriezell-Fertigung für Elektroautos, sagte Diess auf Analystenfragen.
rtr