Die Welt befindet sich schon länger in einer einschneidenden Übergangsphase, die durch Digitalisierung, Klimawandel, demografische Alterung sowie den Wettlauf zwischen China und den USA um die wirtschaftliche und technologische Führung geprägt ist. Zweifellos hat die Corona-Krise dazu geführt, dass die ohnehin bestehende Unsicherheit noch einmal um ein Vielfaches gesteigert wurde. Wenn klar ist, dass die Zukunft deutlich anders aussieht als die Vergangenheit, konkrete Anhaltspunkte für ein stichhaltiges Zukunftsbild aber noch fehlen, geraten bestehende Wertvorstellungen ins Wanken. Altes Vermögen droht, entwertet zu werden, neue Vermögen entstehen.
Gerade Währungen rücken in bewegten Zeiten in den Fokus. Heute sind es vor allem die Nachwirkungen der großen Finanzund Wirtschaftskrise 2008/09 sowie - schon absehbar - die Corona- Krise, die das Vertrauen in bestehende Währungssysteme untergraben. Jahrelange ultraexpansive Geldpolitik und daraus resultierende Null- oder Negativzinsen sowie eine beispiellose Liquiditätsflut durch Wertpapierkaufprogramme der Notenbanken haben die Preise für alle Anlageklassen massiv ansteigen lassen. Mit den fiskalpolitischen Rettungspaketen der letzten Monate, den daraus resultierenden weltweit explodierenden Staatsschulden und zuletzt deutlich zunehmenden Sorgen über steigende Inflationsraten wird die Unsicherheit noch einmal ungleich größer. Möglicherweise ist es heute nur die fehlende Alternative, die Menschen vor der Flucht aus einzelnen Währungen bewahrt, denn keiner der bedeutendsten Währungsräume ist frei von Symptomen einer schleichenden Stabilitätserosion.
China kam mit Abstand am glimpflichsten aus der globalen Rezession und wies sogar schon im Gesamtjahr 2020 ein positives Wirtschaftswachstum vor. Allerdings fehlen Chinas Währung Yuan wesentliche Grundvoraussetzungen moderner Geldordnungen, allen voran eine politisch unabhängige Notenbank und ein flexibles Wechselkursregime ohne Kapitalverkehrsbeschränkungen, um in absehbarer Zeit eine bedeutende Alternative für die derzeit führenden Reservewährungen US-Dollar und Euro zu werden. Zwar werden Kryptowährungen den bestehenden Status quo des internationalen Währungssystems nicht so schnell gefährden, denn sie können mangels eigener Geldordnung nicht als gesetzliches Zahlungsmittel dienen. Anders als bei Bargeld besteht für Gläubiger einer Geldschuld keine Annahmepflicht. Dennoch kommen Bitcoin und Co gerade aufgrund der allgemein zunehmenden Unsicherheiten eine stetig steigende Bedeutung zu. Trotz teilweise extremer Kursschwankungen nutzen viele private und institutionelle Anleger sowie Unternehmen die digitalen Assets zur Diversifikation ihrer Vermögensanlagen.
Zentralbanken beschäftigen sich immer intensiver mit digitalem Zentralbankgeld, nicht zuletzt angefeuert durch die Bestrebungen Facebooks, ein eigenes Zahlungsmittel unter dem Namen Libra beziehungsweise Diem zu initiieren. Bei ausreichendem Vertrauen könnten digitale Plattformunternehmen aufgrund ihrer Größe, Relevanz und Netzeffekte sogar private Zentralbankfunktionen übernehmen. Diese Rolle werden sich die Notenbanken allerdings kaum nehmen lassen, weshalb in den kommenden Jahren - neben dem bereits im Praxistest befindlichen chinesischen Yuan - noch weitere digitale Zentralbankwährungen lanciert werden. Sicher ist, dass programmierbare Währungen künftig ihren Platz in modernen Volkswirtschaften finden werden, denn wenn Maschinen untereinander kommunizieren und interagieren, sind automatisierte Zahlungsvorgänge nötig. Die aktuellen Zeitenwenden verbunden mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie bringen das internationale Währungssystem in Bewegung. Auch wenn der US-Dollar und der Euro zunächst die wichtigsten Reservewährungen bleiben werden, dürfte Bargeld sukzessive an Bedeutung verlieren, und die Welt der Währungen wird durch digitale Angebote vielfältiger.
Über Carsten Mumm
Der gelernte Bankkaufmann und studierte Diplom-Volkswirt Mumm ist seit 2006 CFA-Charterholder und Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel. Zuvor verantwortete er den Bereich Asset Management und arbeitete bis zur Fusion 2010 mit Reuschel & Co. langjährig als Leiter Portfoliomanagement bei Conrad Hinrich Donner. Die Privatbank blickt inzwischen erfolgreich auf rund 220 Jahre Tradition zurück.