LAGE DES UNTERNEHMENS:

Der Dax-Konzern wächst dank steigender Mieten in den Großstädten, Zukäufen und Neubauten kräftig. Bei den Mieten profitiert der Vermieter wie andere aus der Branche vor allem von modernisierten Wohnungen. Die Kosten dafür legen die Konzerne nicht nur teilweise auf die Mieter um, sondern sie können die Mieten anschließend auch stärker erhöhen. Zudem setzt Vonovia auf Neubau und die Aufstockung von Gebäuden.

Seit längerem wächst der Wohnimmobilien-Konzern auch durch Übernahmen im In- und Ausland. Vonovia ist mit rund 354 000 Wohnungen der größte Vermieter in Deutschland. Damit hat der Konzern nach eigenen Angaben hierzulande einen Marktanteil von 1,5 Prozent. Weitere etwa 60 000 Wohnungen besitzt das Unternehmen in Schweden und Österreich. Im Sommer 2020 war der Konzern beim niederländischen Immobilieninvestor Vesteda eingestiegen. Nun will der Bochumer Konzern Deutschlands zweitgrößten Vermieter Deutsche Wohnen übernehmen.

Erst jüngst startete Vonovia einen neuen Anlauf. Konzernchef Rolf Buch kündigte ein verbessertes Angebot an - gerade eine Woche nachdem ihm die Mehrheit der Aktionäre von Deutsche Wohnen die kalte Schulter gezeigt hatten. Bei einem Scheitern auch des angekündigten neuen Übernahmeangebots will Buch keinen weiteren Anlauf unternehmen.

Vonovia war im vergangenen Monat mit seinem Übernahmeangebot für die Nummer zwei auf dem deutschen Wohnungsmarkt knapp an der Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent gescheitert. "Wir haben aus den Fehlern gelernt, die wir beim letzten Mal gemacht haben", sagte Buch. Vonovia werde sich "von einzelnen Aktionären nicht unter Druck setzen lassen", kündigte er an und fügte hinzu: "Ich spreche nicht mit Spekulanten."

Buch schätzt, dass Hedgefonds und kurzfristige Anleger knapp 50 Prozent der Aktien von Deutsche Wohnen halten. Weitere 20 Prozent seien im Besitz von Indexfonds. Vonovia selbst besitzt mittlerweile knapp 30 Prozent an Deutsche Wohnen. Mit diesem Anteil könne Vonovia "relativ gut und lange leben", sagte Buch. Weitere Aktien will der Vonovia-Chef nicht dazu kaufen, schon um kein Pflichtangebot an die anderen Aktionäre machen zu müssen.

Im neuen Angebot, das voraussichtlich noch im August vorgelegt werden soll, will Vonovia den Preis je Aktie um einen Euro auf 53 Euro aufstocken. Damit wäre Deutsche Wohnen insgesamt 19 Milliarden Euro wert. Der Union-Investment-Manager Michael Muders hält das Angebot weiter für zu niedrig.

Derweil laufen die Geschäfte für Deutschlands größten Immobilienkonzern besser als erwartet. Deshalb erhöhte der Marktführer bei Vorlage der Zahlen für das erste Halbjahr die Ergebnisprognosen für das laufende Jahr. Das operative Ergebnis (FFO) soll 2021 jetzt auf 1,465 bis 1,515 Milliarden Euro steigen. Zuvor hatte der Immobilienkonzern jeweils 50 Millionen Euro weniger im Visier. Im vergangenen Jahr legte der operative Gewinn im Jahresvergleich um elf Prozent auf 1,35 Milliarden Euro zu. Im ersten Halbjahr stieg der FFO im Jahresvergleich um 13 Prozent auf 765 Millionen Euro. Die Miete keltterte im Schnitt auf 7,29 Euro pro Quadratmeter - das waren 3,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den vom Unternehmen erfassten 18 Experten empfiehlt mit 14 Branchenkennern die Mehrheit die Aktie zum Kauf. Während sich drei Experten für das Halten des Papiers aussprechen, gibt es ein Verkaufsvotum. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 62,50 Euro - aktuell kostet das Papier fast 59 Euro.

Nach Ansicht von Analyst Karsten Oblinger von der DZ Bank hat Deutschlands größter Immobilienkonzern im ersten Halbjahr solide abgeschnitten. Laut Analyst Michael Seufert von NordLB hat Vonovia dabei in erster Linie von einem Wachstum aus eigener Kraft aufgrund von Neubau und Modernisierung profitiert.

Die neue, höhere Prognose für den Betriebsgewinn in diesem Jahr liegt laut Analyst Julian Livingston-Booth von der kanadischen Bank RBC über seiner Annahme und auch über der vom Unternehmen selbst erhobenen Konsensschätzung. Experte Kai Klose von der Berenberg Bank hält zumindest die Mitte der erhöhten Jahresziele für erreichbar. Die Ergebnisse des ersten Halbjahres deuteten darauf hin, dass sich die bereits gute Rentabilität des Unternehmens weiter verbessern werde. Die Aktienmärkte dürften sich aber in den kommenden Wochen auf den Fortschritt der potenziellen Fusion mit Deutsche Wohnen konzentrieren, so der Experte. Allerdings hält er Vonovia auch ohne das Unternehmen für gut positioniert.

Für Analyst Jochen Schmitt von der Privatbank Metzler entwickelt sich die Immobiliengesellschaft operativ gut und beständig. Allerdings bleibt er bei seiner Empfehlung, die Aktie zu halten. Er begründet dies mit der Ungewissheit über künftige Kosten für eine energieeffiziente Modernisierung von Wohnungen. Zudem könnte das Thema Mieten-Begrenzung nach der Bundestagswahl wieder auf die Agenda kommen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Vonovia-Anteile gehören in diesem Jahr zu den Verlierern im Dax. Seit ihrem Jahreshoch von etwas mehr als 60 Euro verlor das Papier bis Ende Mai rund 20 Prozent und legte dann mit der Übernahmeofferte für Deutsche Wohnen wieder nach und nach zu. Seit Jahresbeginn steht ein Minus von knapp zwei Prozent zu Buche. Im vergangenen Jahr gewann das Papier des Immobilienkonzerns hingegen rund ein Viertel.

Seit dem Index-Aufstieg der Aktie im September 2015 hat sich der Kurs etwa verdoppelt - und auch in diesem Zeitraum gab es kaum Dax-Titel, die mehr zugelegt haben. Mit einem Börsenwert von inzwischen rund 34 Milliarden Euro liegt Vonovia in dieser Wertung inzwischen im Index-Mittelfeld.

Vonovia ist aus Deutsche Annington hervorgegangen, die 2000 einen Großteil der vom Bund verkauften Eisenbahnerwohnungen gekauft hatte. Bis zum Börsengang hatte die Firma Finanzinvestoren gehört. Der Start am Kapitalmarkt war holprig - der Börsengang gelang erst im zweiten Anlauf. Die Investoren, allen voran die britische Gesellschaft Terra Firma, mussten sich mit deutlich weniger zufrieden geben als erhofft.

Doch die Übernahmestrategie des Unternehmenslenkers Buch sowie der Immobilienboom in Deutschland bescherten den Anteilseignern bald kräftige Gewinne. Vom Ausgabepreis in Höhe von 16,50 Euro ging es Stück für Stück nach oben. Inzwischen haben sich die Alteigentümer ganz von Vonovia verabschiedet.

dpa-AFX