"Ich glaube, dass ein Unternehmen von dieser Größe nicht alles aus Wolfsburg heraus lenken kann", sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Er machte deutlich, dass das Management unterhalb des Konzernvorstands mehr Verantwortung bekommen soll. "Unser Ansatz als Betriebsrat lautet: Zentral so viel wie nötig, dezentral so viel wie möglich", sagte Osterloh. Dies sei auch Teil des von Winterkorn geplanten Zukunftsprogramms "Future Tracks".
In der Belegschaft wird seit längerem kritisiert, dass bei Volkswagen zuviel zentral entschieden wird und der Autobauer mit zwölf Marken auf Trends in einigen Ländern zu spät reagiert. So hatte Osterloh die Absatzprobleme der Kernmarke VW in den USA als "Katastrophenveranstaltung" gebrandmarkt. Inzwischen wurde der US-Statthalter ausgewechselt. Zu den ersten Entscheidungen für eine Neuausrichtung zählt eine drastische Verkürzung der Modellzyklen von sieben auf fünf Jahre. Ende 2016 soll zudem ein großer Geländewagen in den USA an den Start gehen. "Es ist allen klar, dass wir dort weitere Produkte brauchen", sagte Osterloh. Konkret nannte er einen Pick-up. "Wir sind in den USA auf dem richtigen Weg, aber wer glaubt, dass das in zwölf Monaten zu schaffen ist, der liegt falsch."
Auf dem nach China zweitgrößten Pkw-Markt fährt VW bislang weit hinter der Konkurrenz her, weil sich der für den US-Geschmack entwickelte Passat nicht mehr so gut verkauft. Inzwischen steigen die Verkaufszahlen dank des optisch aufgefrischten Kompaktmodells Jetta wieder leicht, jedoch liegt VW in Nordamerika noch weit hinter seinen Zielen.
Auch in Brasilien, der zweiten großen Baustelle für VW, soll das lokale Management laut Osterloh mehr Einfluss auf die Modelle bekommen, um auf Kundenwünsche eingehen zu können. "Letztlich müssen wir maßgeschneiderte Produkte für die Kunden in den Weltregionen liefern und deshalb müssen die Regionen mitentscheiden können, wie die Fahrzeuge aussehen sollen."
In China geschieht dies bereits. Für den größten Markt der Wolfsburger existiert im Konzernvorstand ein eigenes Ressort. China-Chef Jochem Heizmann verfügt damit über Einfluss auf wichtige Entscheidungen in der Konzernspitze.
Auf Seite 2: WINTERKORN SOLL BIS 2018 BLEIBEN
WINTERKORN SOLL BIS 2018 BLEIBEN
Wenn es nach dem mächtigen Betriebsrat geht, soll Winterkorn weiter das Zepter bei Volkswagen in der Hand halten. "Ich könnte mir vorstellen, dass er noch zwei Jahre dranhängt", sagte Osterloh. Winterkorn hatte unlängst angekündigt, dass er seinen bis Ende 2016 laufenden Vertrag als Vorstandschef erfüllen werde. Wie es danach weitergeht, hatte er offengelassen. "Ich wäre dann 69, eigentlich alt genug, um aufzuhören", hatte Winterkorn damals in einem Interview gesagt. Osterloh deutete nun an, dass der Betriebsrat Winterkorn bitten werde, länger zu bleiben. "Wir haben kein Interesse daran, den besten Manager der Automobilindustrie, dem es auch um die Menschen bei VW geht, gehen zu lassen." Osterloh fügte hinzu: "Ich bin mir sicher, er mag seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender viel zu gern, als dass er jetzt schon ans Aufhören denkt." Winterkorn führt den nach Toyota weltweit zweitgrößten Autobauer seit 2007.
Der Betriebsrat hat aufgrund der Geschichte von VW viel Einfluss in dem Unternehmen. Bei wichtigen Entscheidungen kommt niemand an der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat vorbei. Osterloh sitzt zudem im einflussreichen Präsidium, das die Sitzungen des Kontrollgremiums vorbereitet. Der 58-Jährige hat außerdem einen direkten Draht zu VW-Patriarch Ferdinand Piech. Er gilt damit als einer der mächtigsten Arbeitnehmervertreter in Deutschland.
Reuters