Mit 4,2 Millionen verkauften Fahrzeugen hat der Volkswagen-Konzern in den ersten fünf Monaten des Jahres den Absatz leicht gesteigert. Zwar betrug das Plus gegenüber dem Vorjahreszeitraum nur 0,3 Prozent, aber angesichts der Marktschwäche in China und der Sanktionen gegen Russland hatten Auguren schwächere Zahlen befürchtet. Vor allem die vermeintliche Abhängigkeit von China ist vielen Analysten ein Dorn im Auge. Goldman Sachs senkte vergangene Woche den Daumen - und das Kursziel auf 214 Euro. Wir sprachen mit Ulrich Hackenberg, der als Mitglied des Audi-Vorstands für die technische Entwicklung der Marke zuständig ist. Zusätzlich ist er verantwortlich für die markenübergreifende Entwicklungssteuerung des VW-Konzerns.

BÖRSE ONLINE: Der chinesische Markt beruhigt sich, eine Sättigung zeichnet sich ab. Wie sehen Sie das China-Geschäft in diesem und in den nächsten Jahren?
Ulrich Hackenberg: China ist für uns ein sehr wichtiger Markt, wir produzieren ja auch vor Ort. China ist immer auch davon abhängig, wie der Plan der Behörden und der Regierung aussieht. In Fünfjahresplänen wird entschieden, wie sich das Land industrie- und gesellschaftspolitisch entwickeln soll. Darauf kann man sich gut einstellen und verlassen. Nach den Jahren mit zweistelligem Wachstum folgt nun eine Konsolidierung, aber immer noch im hohen Bereich. Wenn es sich bei sechs oder sieben Prozent einpendeln sollte, ist China immer noch der am stärksten wachsende Markt weltweit.

Welche lokal produzierten Fahrzeuge verkaufen sich besonders gut?
Der Privatkunde präferiert den A 3 Sportback und die A 3 Limousine, die im Fertigungsstandort Foshan in der südchinesischen Provinz Guangdong produziert werden. Mit dem A 6 und A 8 sind wir ebenfalls sehr stark im Markt. Wir beobachten in China zudem einen verstärkten Trend zum SUV. Der Q 5 ist hier weiterhin Marktführer im Premiumsegment und wird im kommenden Jahr mit dem neuen Modell in China auch in einer Langversion angeboten. Der neue Q 5 wird in China und im neuen Werk in Mexiko gebaut.

Sie haben es eben erwähnt, San José Chiapa ist in Mexiko der neue Produktionsstandort für Audi. Sollen dort neben dem Q 5 in Zukunft weitere Modelle vom Band laufen?
Allein ein neues Auto in eine neue Fabrik zu installieren, ist eine große Herausforderung. Wir sind im Moment schon in dem Prozess, in dem die Fabrik angefangen hat zu arbeiten. Die ersten Vorserienautos entstehen bereits, und wir sehen, dass es mit großem Engagement vorwärtsgeht. Wir schaffen rund 3000 neue Arbeitsplätze bei Audi selbst und können durch die Nähe des Volkswagen-Werks in Puebla Synergien mit den Lieferanten generieren.

Mexiko gilt gesellschaftspolitisch nicht gerade als stabil. Kann das neue Werk positive Veränderungen erzielen?
Meine ganz persönliche Ansicht ist, dass ein demokratisierter Wohlstand das beste Mittel ist, um Stabilität in einem solchen Land sicherzustellen. Man kann alle möglichen Vereinbarungen treffen, wichtig ist aber die Zufriedenheit der Bevölkerung. Diese Zufriedenheit kommt dann, wenn Arbeitsplätze vorhanden sind und die Leute Geld verdienen und mit diesem Geld ihren Lebensstandard selbst bestimmen können.

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Kommen wir zur Umweltfrage. Die ersten Elektrofahrzeuge haben Sie auf die Straße gebracht. Manche Konkurrenten halten mit der Brennstoffzelle dagegen. Wie weit ist Audi respektive Volkswagen hier?
Wir haben im Volkswagen-Konzern in der Forschung über lange Zeit Brennstoffzellenfahrzeuge entwickelt. Ich habe in meiner Volkswagenphase einen Prozess gestartet, das gesamte Projekt aus der Forschung in die Serienentwicklung zu übertragen. Danach haben wir in einer Symbiose zwischen Audi und Volkswagen Technologien entwickelt (Anmerkung der Redaktion: Audi A7 Sportback h-tron und Volkswagen Passat HyMotion). Das hat dazu geführt, dass wir eine Brennstoffzellentechnik der fünften Generation aufgebaut haben, die im Lauf des nächsten Jahres serienreif sein wird.

Heißt das, wir können mit einem brennstoffzellengetriebenen Audi und Volkswagen für den Massenmarkt rechnen?
Wenn man eine Entwicklung macht, aus der man nachher entsprechende Volumina produziert, mit denen größere Kundengruppen angesprochen werden, dann wird dafür eine Lieferantenlandschaft gebraucht, die entsprechend mitentwickelt und auch investiert. Zu dem Zeitpunkt beginnt eine Verantwortung, die man auch gegenüber dem Lieferanten tragen muss. Wenn der Lieferant in eine Serienproduktion investiert, müssen die Stückzahlen dies auch rechtfertigen. Ansonsten wäre ein Business Case geschaffen, in dem kein Geld verdient wird. Dieser Business Case gilt gleichermaßen für die Infrastruktur.

Also bedeutet serienreif nicht, dass die Brennstoffzelle auch tatsächlich in Serie geht?
Man braucht ein flächendeckendes Netz, nicht nur in Kalifornien, sondern in Deutschland, Europa und überall dort, wo wir diese Autos verkaufen wollen und müssen. Wir brauchen bestimmte Volumina, um unsere Investitionen zu rechtfertigen. Die Infrastruktur ist noch nicht da, aber wir beobachten den Ausbau genau. Sobald eine Kundenrelevanz auch über die Infrastruktur gegeben ist, sind wir in der Lage, diesen Prozess industriell zu starten. Dieser Prozess dauert zwei bis drei Jahre, bevor wir in den Markt gehen können.

Audi fördert auch die Entwicklung neuer, CO2-neutraler Treibstoffe: Mikroorganismen produzieren Diesel und Ethanol. Können diese Kraftstoffe bereits getankt werden?
Es gibt entsprechende Anlagen, die wir auch mitfinanziert haben und deren Kraftstoffe getankt werden können. Aber wir sind kein Energielieferant. Wir zeigen auf, mit welchen Technologien man emissionsarm mobil sein kann. Das machen wir gern, und wir nehmen auch die Aufgabe für uns an, die Energieindustrie auf solche Möglichkeiten hinzuweisen. Auch in der Form, dass wir Geld in die Hand nehmen und Hardware bauen. Aber wir sind nicht diejenigen, die großtechnisch dafür sorgen, dass, sagen wir mal, 30 oder 40 Prozent des Marktes mit solchen Kraftstoffen abgedeckt werden.

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