Das Bundesverkehrsministerium wies die Vorwürfe zurück und forderte die Brüsseler Behörde erneut auf, das bestehende Recht zu ändern.
Die EU-Kommission beschuldigte Deutschland und Großbritannien zudem, das Gesetz gebrochen zu haben, weil sie nicht die geforderten technischen Informationen aus den eigenen Untersuchungen gegen den Wolfsburger Konzern zur Verfügung gestellt haben sollen. Dabei geht es um mögliche Unregelmäßigkeiten beim Ausstoß von Stickoxid bei Fahrzeugen von VW und anderen Herstellern. Gegen Tschechien, Litauen und Griechenland wurde ebenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren auf den Weg gebracht, weil dort noch keine Regeln für entsprechende Strafen gegen Autohersteller erlassen wurden. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zuvor von Insidern erfahren, dass die Brüsseler Behörde gegen die sieben Länder vorgehen will.
Ein Vertragsverletzungsverfahren verläuft in mehreren Stufen und kann mit einer Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) sowie einer Geldbuße für das betroffene Mitgliedsland enden. Volkswagen hatte vor mehr als einem Jahr auf Druck der US-Umweltbehörden zugegeben, Diesel-Abgaswerte mit einer speziellen Software manipuliert zu haben. Weltweit sind rund elf Millionen Fahrzeuge davon betroffen.
GRÜNE: EU-VERFAHREN WAR ÜBERFÄLLIG
Ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte, Deutschland habe als einziges Land in Europa einen umfassenden Katalog mit Sofortmaßnahmen zur gezielten Vermeidung von unzulässigen Abschalteinrichtungen umgesetzt. Gegenüber VW seien Maßnahmen ergriffen worden, "die auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes gerichtet sind". Dazu zählten der verpflichtende Rückruf von 2,4 Millionen Fahrzeugen, ein Rückruf von 630.000 Autos verschiedener Hersteller zur Optimierung von Abgasreinigungssystemen sowie unangemeldete Prüfungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Zudem sei die EU-Kommission von Dobrindt aufgefordert worden, das geltende Recht so zu ändern, den Stand der Technik beim Abgasreinigungssystem als zwingendes Qualitätsmerkmal zu ergänzen.
Die EU-Kommission zögert aber mit einem Vorschlag, weil nicht alle Autohersteller in Europa auf dem gleichen technischen Niveau sind und eine Änderung des Rechts Zeit benötigt. Mit der Änderung der EU-Verordnung von 2007 will Deutschland mehr Klarheit schaffen, wann eine Abschalteinrichtung zum Schutz des Motors notwendig ist und wann nicht. Wie in den USA sind in der EU solche sogenannten defeat devices verboten, es sei denn, sie dienen beispielsweise bei Kälte dem Schutz des Motors. Nach Ansicht des KBA haben alle deutschen Hersteller außer BMW die Ausnahmen aber zu großzügig ausgelegt.
Statt einer Änderung der alten Verordnung setzt EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska auf neue Regeln und rief das EU-Parlament sowie den EU-Rat auf, möglichst bald eine Einigung bei der geplanten Reform zur Typgenehmigung von Fahrzeugen zu erreichen.
Für die EU-Abgeordnete Rebecca Harms von den Grünen ist das Verfahren seit Jahren überfällig gewesen. "Die EU-Kommission hat immer wieder behauptet, sie hätte gegen die Mitgliedsstaaten keine Handhabe. Die Eröffnung des Verfahrens heute zeigt, dass diese Behauptungen Unsinn waren."
Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde wies entsprechende Kritik zurück. Man sei auf die Mitarbeit der Mitgliedsländer angewiesen, weil die EU-Kommission selbst die Autohersteller nicht überprüfen könne. Bei der Verhängung einer Strafe im Falle von Regelverstößen hätten die EU-Staaten zudem Spielräume. "Ich kann also nicht sagen, dass VW den Betrag X zahlen muss." Ein VW-Sprecher sagte, die genauen Inhalte der Vorwürfe aus Brüssel seien dem Konzern nicht bekannt. "Wir können uns daher nicht dazu äußern."
rtr