Markenchef Herbert Diess zeigte sich am Dienstag bei der Volkswagen-Bilanzpräsentation dennoch zuversichtlich, dass der Umbau gelingt: "2017 wird für die Marke ein sehr anspruchsvolles, aber auch ein sehr erfolgreiches Jahr." Börsianer sind da skeptischer. Die VW-Aktie gehörte zeitweise zu den größten Verlierern im Dax.

Volkswagen schwenke zwar rechtzeitig in Richtung Elektromobilität um, sagte ein Aktienhändler. Allerdings werde der Konzern wohl nicht so durchstarten, wie erhofft. "Die Marke VW hinkt immer noch hinterher. Außerdem gibt noch die Querelen in der Führungsspitze, weil Diess VW für einige offenbar zu aggressiv umbauen will." Der ehemalige BMW-Manager hielt dem entgegen, ihm mangele es bei Volkswagen nicht an Unterstützung. "Ich glaube, ich habe eine gute Rückendeckung, wenn ich in den Kollegenkreis gucke", sagte Diess mit Blick auf den versammelten Konzernvorstand auf dem Podium. Auch bei den "Stakeholdern" nehme die Unterstützung zu.

Diess hatte im vorigen Jahr nach monatelangem Ringen mit dem Betriebsrat einen Zukunftspakt ausgehandelt, mit dem die Marke VW ihre chronisch niedrige operative Rendite bis 2020 auf vier Prozent verdoppeln soll. Der Pakt sieht einen massiven Stellenabbau vor, der aber sozialverträglich über Fluktuation und Altersteilzeit abgewickelt werden soll. Streit gab es unlängst, weil der Betriebsrat Diess öffentlich vorwarf, sich nicht an die Vereinbarung zu halten und mehr Leiharbeiter abbauen zu wollen als geplant. Diess betonte nun, der Umbau von Volkswagen sei richtig und wichtig. "Es geht nicht nur um Mitarbeiteraufbau in Zukunftsfeldern, sondern es geht auch um eine dramatische Produktivitätssteigerung und Mitarbeiterabbau." Die ersten Wochen der Umsetzung des Zukunftspakts seien spannungsvoll gewesen und "an der einen oder anderen Stelle etwas holperig". Er nehme den Betriebsrat jedoch so wahr, dass auch er zu den Zielen stehe.

Auch Konzernchef Matthias Müller glaubt, dass die Neuausrichtung gelingen kann. "Wir haben 2016 die Weichen gestellt für die größte Transformation in der Geschichte dieses Unternehmens - und dabei operativ besser abgeschnitten als viele uns das zugetraut hätten." Der Konzern sei finanziell gerüstet, um die Folgen der Dieselkrise zu tragen. Im vergangenen Jahr hatte Volkswagen mit seinen zwölf Marken trotz weiterer Belastungen durch die Dieselaffäre einen Betriebsgewinn von 7,1 Milliarden Euro eingefahren. Vor Sonderlasten verbuchten die Wolfsburger ein operatives Ergebnis von 14,6 Milliarden Euro, eine neue Bestmarke. Die bereinigte operative Rendite lag bei 6,7 Prozent und damit im Mittelfeld der Konkurrenz. Der Netto-Gewinn des Wolfsburger Konzerns lag bei 5,1 Milliarden Euro, nachdem im vorangegangenen Jahr noch tiefrote Zahlen zu Buche gestanden hatten.

VORSTANDSGEHÄLTER SINKEN - CHEF MÜLLER VERDIENT MEHR



Verglichen mit früheren Jahren, in denen Spitzenverdiener wie Ex-Vorstandschef Martin Winterkorn teils mehr als 17 Millionen Euro eingestrichen hatten, fielen die Gehälter der Topmanager insgesamt geringer aus. Ihre Gesamtvergütung nahm von mehr als 63 Millionen Euro (2015) auf zuletzt rund 39,5 Millionen Euro ab. An der Spitze der neun Vorstände lag die inzwischen ausgeschiedene Christine Hohmann-Dennhardt mit einer Summe von 10,05 Millionen Euro - bei ihr stammt ein Großteil aber aus einer Abfindung nach dem Verlassen des Unternehmens im Januar.

Auf Platz zwei kam Vorstandschef Müller. Seine Gesamtbezüge kletterten im vergangenen Jahr auf 7,25 Millionen Euro, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Geschäftsbericht hervorgeht. 2015 verdiente er 4,76 Millionen Euro. Müller gehört allerdings erst seit März 2015 dem Konzernvorstand an und sitzt seit September 2015 auf dem Chefsessel - die Jahreszahlen sind daher nur begrenzt vergleichbar.

VW hatte erst kürzlich sein System zur Bestimmung der Gehälter für Vorstände und Aufsichtsräte reformiert - nach langer Kritik an der Höhe der Bezüge. Unter anderem wurde für den Vorsitzenden des Vorstands eine Höchstgrenze von 10 Millionen Euro eingezogen.

Auf Seite 2: Kehrtwende mit Blick auf Gespräche zu Fusion mit Fiat





EINE ZUKUNFT "MIT ODER OHNE HERRN MARCHIONNE"



Eine überraschende Kehrtwende vollzog Müller mit Blick auf Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss mit Fiat Chrysler. "Es wäre sehr hilfreich, wenn Herr Marchionne seine Überlegungen auch mir mitteilen würde und nicht nur Ihnen", sagte er am Rande der Bilanzpressekonferenz. Fiat-Chrysler-Boss Sergio Marchionne hatte eine Übernahme von Fiat durch Volkswagen ins Gespräch gebracht - kurz nachdem der Verkauf von Opel durch General Motors an Peugeot bekanntgegeben worden war. Noch in der vergangenen Woche, auf dem Genfer Autosalon, hatte Volkswagen-Chef Müller daraufhin betont: "Ich bin für nichts gesprächsbereit, ich kümmere mich um VW, ich kümmere mich doch nicht um Fiat." VW habe derzeit andere Sorgen als Übernahmen. Auch jetzt machte Müller deutlich, dass sein Haus einen Zukauf nicht zwingend brauche: "Ich bin ganz zuversichtlich, was die Zukunft von Volkswagen betrifft - mit oder ohne Herrn Marchionne."

Der inzwischen weltgrößte Autokonzern plant in diesem und im nächsten Jahr zehn Modelle mit Elektroantrieb und will bis 2025 mehr als 30 neue, rein batteriegetriebene Fahrzeuge auf die Straße bringen. Gleichzeitig arbeiten die Niedersachsen mit Hochdruck an der Entwicklung von selbstfahrenden Autos. Der Umbau des Automobilgeschäfts laufe planmäßig, das neue Geschäftfeld für Mobilitätsdienste nehme Gestalt an. Der Umschwung verschlingt viel Geld. Allein für die Transformation des Kerngeschäfts und den Aufbau neuer Mobilitätsdienste veranschlagt der Konzern bis 2025 eine zweistelligen Milliardenbetrag. Auch für die Aufarbeitung der Dieselkrise sind Milliardensummen nötig. Bisher hat Volkswagen dafür 22,6 Milliarden zurückgestellt - und noch ist nicht absehbar, ob der Konzern Dieselbesitzern und Anlegern in Europa Schadensersatz zahlen muss. Finanzvorstand Frank Witter machte klar, dass die Nettoliquidität dieses Jahr zeitweise unter die Marke von 20 Milliarden Euro sinken könne.

Auf Seite 3: Anleihemarkt, Rückruf, Standorte





VW WILL IN KÜRZE AUF DEN ANLEIHEMARKT ZURÜCK



Volkswagen will sich möglichst bald aus dem Klammergriff der Banken lösen und an den Kapitalmarkt zurückkehren. Der Konzern sei guten Mutes, relativ zeitnah wieder unbesicherte Anleihen zu platzieren, sagte Finanzchef Frank Witter am Dienstag. Es sei nicht geplant, den Überbrückungskredit mehrerer Großbanken erneut zu verlängern. Die Netto-Liquidität des Konzerns werde dieses Jahr temporär unter die 20-Milliarden-Euro-Grenze fallen, aber nur für kurze Zeit - eben auch dank der Anleihe-Emission.

Volkswagen hatte den vergleichsweise teuren Überbrückungskredit im Dezember 2015 erhalten, um die Kosten der millionenfachen Abgasmanipulationen insbesondere in den USA abzufedern. Damals war es wegen der unsicheren Finanzlage für die Wolfsburger zu teuer, das Geld wie gewohnt bei Anleihe-Investoren aufzunehmen. Die Kreditlinie steht noch bis Juni zur Verfügung.

RÜCKRUF NIMMT FAHRT AUF



Der Rückruf der weltweit über 11 Millionen betroffenen Wagen quer durch die Marken nehme weiter Fahrt auf: "Allein in Deutschland haben wir inzwischen mehr als 1,5 Millionen Konzernfahrzeuge umgerüstet, weltweit sind es bereits 4 Millionen." Der Vorstandschef bekräftigte das Ziel, bis Ende 2017 alle Autos "in Ordnung zu bringen".

BEKENNTNIS ZU STANDORTEN



Müller betonte mit Blick auf die wirtschaftspolitischen Unsicherheiten in den USA, dass sich VW zu seinen Standorten bekenne: "Wir stehen zu unseren Investitions- und Standortentscheidungen und wollen langfristig in den USA eine deutlich größere Rolle spielen als heute." US-Präsident Donald Trump hatte bei einheimischen und ausländischen Autobauern Sorgen wegen möglicher Strafzölle ausgelöst.

rtr/dpa-AFX