"Der vzbv will, dass gerichtlich eindeutig geklärt wird, ob es unrechtmäßige Handlungen zum Schaden von Millionen Verbrauchern gegeben hat", sagte vzbv-Chef Klaus Müller. Während sich der Volkswagen-Konzern zuversichtlich zeigte, dass es keine Grundlage für die Forderungen gebe, erklärte Bundesjustizministerin Katarina Barley: "Verbraucher dürfen nicht die Dummen sein, wenn sich Unternehmen nicht rechtstreu verhalten."
Die Klage, die vom ADAC unterstützt wird, will der vzbv mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Musterfeststellungsklage am 1. November beim Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig einreichen. Die große Koalition hatte sich verpflichtet, das Gesetz rasch auf den Weg zu bringen, um eine Verjährung der Schadenersatzansprüche zu stoppen. Diese laufen Ende 2018 aus. Die Klage soll sich gegen Fahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat mit Dieselmotoren des Typs EA 189 richten. Ziel ist die Feststellung, "dass Volkswagen mit der Software-Manipulation Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und betrogen hat und betroffenen Käufern Schadensersatz schuldigt".
Besitzer dieser Autotypen oder Verbraucher, die einen dieser Wagen verkauft haben, können sich der Klage kostenlos anschließen. Dafür müssen sie sich in ein Klageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen und melden damit ihre Ansprüche an. Genauere Informationen hat der vzbv auf der Seite www.musterfeststellungsklagen.de bereitgestellt.
PROZESS KANN SICH JAHRE HINZIEHEN
VW-Kunden, die sich der Klage anschließen, müssen einen langen Atem haben. Mit einem OLG-Urteil rechnen die vzbv-Juristen erst 2020. Bis zu einem Urteil in der letzten deutschen Instanz, dem Bundesgerichtshof, können noch einmal Jahre vergehen. Unklar ist, ob auch der Europäische Gerichtshof angerufen werden könnte. Endet die Musterfeststellungsklage mit einer Schadensfeststellung und nicht mit einem Vergleich, muss der jeweilige Verbraucher eine indivuelle Schadensersatzklage gegen VW starten. Sein Vorteil ist dann, dass die Schuldfrage schon geklärt ist.
Der vzbv hat zwei Kanzleien engagiert, die die Musterfeststellungsklage vor Gericht vertreten sollen. Rechtsanwalt Ralf Stoll erklärte, Ziel könne sein, eine sogenannte Rückabwicklung durchzusetzen. Dann müsste der Kaufpreis, möglicherweise mit Abzug einer Nutzungsgebühr, von VW erstattet werden. Denkbar sei auch eine Einmalzahlung, die sich zwischen zehn und 25 Prozent des Neupreises bewegen würde, sagte der Jurist mit Blick auf bereits abgeschlossene, ähnlich gelagerte Prozesse. Nach Angaben des vzbv kommen theoretisch deutlich über zwei Millionen Pkw-Besitzer für die Musterfeststellungsklage gegen VW in betracht.
"Es gibt keine Rechtsgrundlage für kundenseitige Klagen im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik in Deutschland", erklärte ein VW-Sprecher. Die meisten Klagen von Volkswagen-Kunden vor Landgerichten seien erfolglos gewesen. Nach Angaben des Sprechers liegen zwölf Oberlandesgerichts-Urteile vor, "die allesamt im Sinne von Volkswagen beziehungsweise im Sinne der Händler ausgefallen sind". Insgesamt seien oder waren in Deutschland demnach rund 23.800 Verfahren anhängig.
Am Montag hat vor dem OLG Braunschweig ein Prozess von Anlegern gegen Volkswagen begonnen. Sie werfen dem Wolfsburger Autokonzern vor, zu spät über die Abgasmanipulationen informiert zu haben und damit verantwortlich für finanzielle Verluste zu sein.
"Ich freue mich, dass vzbv und ADAC die erste 'Eine für Alle-Klage' nach Beschluss des Gesetzes durch den Deutschen Bundestag erheben", teilte Justizministerin Barley mit. Losgelöst vom VW-Dieselskandal ermutige sie alle Verbraucherinnen und Verbraucher, ihre Rechte zu nutzen, sagte sie mit Blick auf das neue Klageinstrument.
rtr