Bei Volkswagen könnte es eigentlich so schön sein in diesen Tagen. Beim Absatz steht für das zweite Quartal ein Plus von 6,7 Prozent auf 2,84 Millionen Fahrzeuge zu Buche. Der Umsatz legte zuletzt um 3,4 Prozent auf 61,15 Milliarden Euro zu und dann war da noch das um den Dieselskandal und andere Sondereinflüsse bereinigte operative Ergebnis: Gleich um 22,7 Prozent schnellte die Marke nach oben. Immerhin 5,58 Milliarden Euro fuhr der Zwölf-Marken-Konzern von April bis Juni ein. Analysten hatten dem Konzern dagegen gerade fünf Milliarden zugetraut.

Vor allem die Kernmarke VW und das langjährige Sorgenkind Seat trugen zu dem unerwartet kräftigen Anstieg bei (siehe Grafik).



Dazu lieferten auch die Transporter-Sparte sowie die MAN-Trucker satte Ergebnis-Zuwächse in Wolfsburg ab.

Der Boss tritt auf die Euphorie-Bremse



Doch ungeachtet der starken Quartalszahlen tritt Konzernchef Herbert Diess auf die Euphorie-Bremse. In den kommenden Monaten dürften der neue Testzyklus Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP) für einige Herausforderungen sorgen, warnte Diess am Mittwoch auf der Halbjahrespressekonferenz in Wolfsburg.

Das ab dem 1. September gültige Verfahren zur Messung von Abgasen ist deutlich komplexer als die bisherigen Testreihen. So müssen im Unterschied zu früher nun auch bereits zugelassene Fahrzeuge durch die Prüfung. Außerdem müssen jetzt nicht nur einzelne Motorvarianten sondern zusätzlich auch noch unterschiedliche Getriebe- und Ausstattungsvarianten über den Abgas-TÜV. Die Zertifizierungsanforderungen umfassten beispielsweise auch Fahrzeug-Varianten mit dünneren Reifen oder mit Schiebedach. Dazu kommen längere Teststrecken sowie Tests mit höheren Geschwindigkeiten.

Angesichts der erheblich gestiegenen Anforderungen kommen die Autobauer mit den nötigen Abgasprüfungen derzeit kaum noch hinterher. Zu den größten Herausforderungen gehörten die Teststände. Außerdem gebe es auch bei der Antragsbearbeitung Engpässe, sagte Diess.

Weil längst nicht alle Getriebe- und Ausstattungsvarianten über eine WLTP-Zertifizierung verfügen, muss der Konzern auf die Bremse treten. In den kommenden Wochen stünden die Bänder auch nach den Werksferien vereinzelt still, sagte Finanzchef Frank Witter. Für bereits produzierte Fahrzeuge, die noch ohne WLTP-Siegel sind, hat der Konzern bereits große Stellflächen unter anderem am Pannen-Flughafen BER angemietet.

Zudem lastet der Dieselskandal weiter auf dem Konzern. Alleine im zweiten Quartal stiegen die entsprechenden Belastungen um weitere 1,6 Milliarden Euro. Alleine 600 Millionen Euro haben die Wolfsburger im zweiten Quartal für Rechtsverteidigungskosten, also vor allem Anwälte, zurückgelegt. Dazu kommt das von der Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen der Dieselaffäre verhängte Bußgeld von einer Milliarde Euro.

Damit hat Dieselgate den größten deutschen Autobauer bislang bereits 27,4 Milliarden Euro gekostet. Der enorme Aufwand für Management oder gebundene Entwicklungskapazitäten ist da noch nicht mal mit drin.

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Einschätzung der Redaktion



Bei Volkswagen sieht es operativ derzeit eigentlich sehr ordentlich aus. Die Kernmarke VW kommt bei der überfälligen Sanierung gut voran. Zudem hat die lange kriselnde Marke Seat ihre operative Marge dank eines jüngeren und attraktiveren Produkt-Portfolios gleich um 110 Basispunkte verbessert und auch die Nutzfahrzeuge werfen derzeit schöne Gewinne ab. Obendrein fährt der Konzern die Früchgte seines rund-erneuerten Portfolios ein. Vor allem die neuen SUV um VW Touareg oder Skoda Kodiac sorgen dabei für kräftige Absatzzuwächse.

Doch insgesamt trübt sich die Lage derzeit wieder ein. Im Dieselskandal drohen in den nächsten Qurtalen weitere Belastungen "im einstelligen Milliarden-Bereich", schreibt etwa NordLB-Analyst Frank Schwope in einer aktuellen Einschätzung. Und der neue Prüfzyklus WLTP könnte die ambitionierten Wachstumsziele für das laufende Jahr gefährden. Zwar hat der Konzern seine Prognose für das laufende Jahr am Mittwoch erneut bestätigt. Danach peilen die Wolfsburger für 2018 weiterhin ein Umsatzplus von fünf Prozent auf rund 242 Milliarden Euro an. Die um den Dieselskandal bereinigte operative Marge soll weiterhin zwischen 6,5 und sieben Prozent liegen. Doch einfach wird das nicht. "Das zweite Halbjahr ", räumte Konzern-Boss Diess am Mittwoch freimütig ein, werde "auch auf der Margenseite zu einem Kraftakt".

Auch charttechnisch ist die VW-Aktie derzeit angeschlagen. Am Mittwoch hat die Aktie kurzfristig an der 200-Tage-Linie gekratzt, ist dann aber gescheitert. Daher bleiben wir bei unserer Einschätzung, nehmen unser Kursziel aber zunächst zurück. Beobachten. Kursziel: 165 Euro Stopp: 139 Euro