Der Volkswagen-Konzern legt die Messlatte nach den ersten drei Quartalen etwas höher. Zum Jahresende sollen die Erlöse nun doch auf Vorjahresniveau von rund 200 Milliarden Euro liegen, teilte das Unternehmen am Donnerstag zur Vorlage der Quartalszahlen mit. Bislang hatte der Konzern einen Rückgang von bis zu fünf Prozent in Aussicht gestellt.
Bereinigt um die Lasten aus dem Dieselskandal und andererSondereffekte reichte es im dritten Quartal operativ zu einem Plus von 17 Prozent auf 3,75 Milliarden Euro. Das lag klar über den Analysten-Prognosen von 3,2 Milliarden. Auch beim Umsatzplus von einem Prozent auf 52 Milliarden Euro übertrafen die Wolfsburger die Erwartungen von 51,5 Milliarden Euro, wenn auch nur knapp. Weil auch das Geschäft einigermaßen ordentlich läuft, sieht der Zwölf-Marken-Konzern die bereinigte operative Rendite nun am oberen Ende der bislang angepeilten Bandbreite von fünf bis sechs Prozent. Das aktuelle Quartalsergebnis belege, dass Volkswagen "voll handlungsfähig" sei, sagte Konzern-Chef Matthias Müller.
Das kann man so sehen. Immerhin liegt die Netto-Liquidität nach neun Monaten bei 31,1 Milliarden Euro. Das ist - auch gemessen an den drohenden Milliarden-Zahlungen wegen Dieselgate - ordentlich. Für eine Entwarnung ist aber dennoch viel zu früh. Denn im weiten Volkswagen-Reich werden die Probleme immer größer, nicht kleiner.
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Problem 1: Die Kernmarke VW
Ausgerechnet bei der Kernmarke VW trübt sich die Lage weiter ein. Im dritten Quartal hat sich das operative Ergebnis auf 363 Millionen Euro mehr als halbiert. Mit einer operativen Marge von zuletzt 1,6 Prozent ist das Geschäft eher ein Roter Riese im weiten Volkswagen-Universum. Das flaue Ergebnis dürfte die Diskussion um die geplanten Sparmaßnahmen im Konzern weiter anfachen. Anlass zu allzu großer Euphorie gibt es freilich nicht. Zwar gilt der neue VW-Markenchef Herbert Diess als knallharter Kostenkiller der auch vor dem personal nicht Halt macht. Aber bei Volkswagen geht gegen den mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh gar nichts und der will von Personalabbau nichts wissen.Problem 2: Aktivierte Kosten für Forschung und Entwicklung und geänderte Rückstellungen
Der starke Anstieg beim operativen Ergebnis ist Analysten zufolge nicht nur Ausweis der guten Geschäftsentwicklung. Alleine durch Aktivierung von Entwicklungskosten habe Volkwagen im dritten Quartal einen positiven Ergebnis-Effekt von 900 Millionen Euro erzielt, schreibt DZ-Analyst Michael Punzet in einer aktuellen Studie. Zudem habe der Konzern zwar die Rückstellungen für Dieselgate um rund 400 Millionen Euro erhöht, gleichzeitig aber weitere Vorsorgemaßnahmen um eine Milliarde aufgelöst. Insgesamt sei die "Ergebnisqualität im dritten Quartal schlechter", urteilte auch Sascha Gommel von der Commerzbank.
Problem 3: Dieselgate
Volkswagen hat bei der Aufarbeitung des Dieselskandals in den USA zum Wochenauftakt einen großen Schritt nach vorne gemacht. Das Bezirksgericht in San Francisco hat den milliarden-schweren Vergleich des Konzerns mit VW-Besitzern in den USA genehmigt. Insgesamt müssen die Wolfsburger für das Paket aus Rückkäufen und Zahlungen an Umweltfonds bis zu 16,5 Milliarden Dollar locker machen. Die Einigung zu den Drei-Liter-Diesel-Motoren ist da noch nicht mal drin.
Zudem sieht sich Europas größter Autobauer wegen der Diesel-Mauscheleien weltweit zahllosen Schadenersatz-Klagen von Aktionären gegenüber. Unklar ist auch, ob der Konzern unter Verweis auf die Rechtslage europäische VW-Besitzer weiterhin einfach ignorierten, oder ob auch hier noch Ausgleichszahlungen nach US-Vorbild fällig werden, wie es auch die EU vehement fordert.
Sollte es soweit kommen, dürften auch die am Donnerstag um rund 400 Millionen auf insgesamt 18,2 Milliarden Euro erhöhten Rückstellungen sehr knapp kalkuliert sein.
Problem 4: Audi
Volkswagen hat sich nach Ausbruch von Dieselgate lange Zeit nach Kräften gemüht, seine renditestarke Premium-Tochter Audi aus dem Dieselskandal herauszuhalten. Doch spätestens seit Ende Juli hängt auch die Marke mit den vier Ringen mittendrin im Abwärtssog von Dieselgate. Damals hatte das Unternehmen seine Prognose unter Verweis auf Dieselgate revidiert und eine operative Marge "leicht" unterhalb des langfristigen Zielkorridors in Aussicht gestellt.
Am Donnerstag nun mussten die Ingolstädter ihre Rendite-Ziele für das laufende Jahr erneut kappen. Danach werde die operative Umsatz-Rendite nach Sondereffekten 2016 "deutlich" unter der angepeilten Bandbreite von acht bis zehn Prozent liegen. Zur Begründung verwies Audi auf weitere Belastungen von 620 Millionen Euro aus Dieselgate und Probleme mit den Airbags von Takata.
Doch Dieselgate ist längst nicht das einzige Problem von Audi. Das lange Jahre sorgsam gepflegte Image des Innovationsträgers im Premium-Segment ("Vorsprung durch Technik") ist zuletzt arg verblasst. Auch der Modell-Offensive von Mercedes-Benz und BMW haben die Bayern derzeit kaum etwas entgegen zu setzen.
Auf Seite 3: Einschätzung der Redaktion
Einschätzung der Redaktion
Die jüngsten Quartalszahlen bei Volkswagen sehen auf den ersten Blick ganz ordentlich aus. Doch der Bericht wirft Fragen auf, sowohl zur Bilanzierung als auch zum operativen Geschäft. Denn für VW wird die Lage immer schwieriger. In den ersten neun Monaten hat die Kernmarke bei rund 51 Milliarden Euro Umsatz operativ gerade mal 1,23 Milliarden Euro gebracht. Zum Vergleich: Skoda steuert 940 Millionen zum Ebit bei, braucht dafür aber lediglich 4,9 Milliarden Umsatz.
Ausgerechnet jetzt schwächelt auch noch Audi. Die einst stolzen Ingolstädter leiden unter Dieselgate, aber auch unter hausgemachten Fehlern und müssen im laufenden Jahr zum zweiten Mal ihre Prognose revidieren. Dabei wären starke Ergebnisse gerade jetzt besonders wichtig. Das würde nicht nur der Konzern-Mutter helfen, sondern auch Audi selbst, damit die Ingolstädter ihren Ruf als Innovationsführer wieder aufpolieren können und gleichzeitig auch noch genügend Finanzkraft haben, um die Weichen Richtung Elektro-Mobilität zu stellen.
Angesichts dieser Ausgangslage sehen wir die Perspektiven für die VW-Aktie daher derzeit eher skeptisch. Dieselgate ist noch längst nicht verdaut. Hinter vielen anderen Themen steht ein dickes Fragezeichen. Halten.
Kursziel: 130 Euro
Stopp: 115 Euro