Die Lage für Volkswagen, Daimler und Co. ist derzeit nicht gerade vergnügungssteuer-pflichtig. Die Dieselkrise ist noch lange nicht verdaut, deutsche Gerichte verfügen nahezu im Wochenryhthmus neue Fahrverbote, die Kauflaune in China leidet unter erhöhten Importsteuern und zu allem Überfluss bringt die Einführung neuer Abgasstandards die ohnehin arg gestressten Entwicklungsabteilungen vieler Hersteller an ihre Grenzen.

Die Lage ist inzwischen so angespannt, dass die Unternehmen zuletzt ihre Prognosen gleich reihenweise kassieren mussten. Erst am Dienstag warnte etwa der Autozulieferer Schaeffler vor einem schwächer als erwarteten Umsatz und senkte zugleich die Prognose für die operative Marge. Zuvor hatten auch Daimler und BMW ihre Ziele für 2018 gekappt.

Nur ein deutscher Autobauer hält an seinem Ausblick fest: Volkswagen. Zwar gebe es weiterhin "große Herausforderungen", sagte Konzernchef Herbert Diess am Dienstag zur Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal. Aber die Entwicklung in den ersten neun Monaten sei "erfreulich" gewesen.



Das kann man so sehen. Beim Umsatz reichte es im dritten Quartal zu einem Plus von 0,9 Prozent auf 55,2 Milliarden Euro und damit gut eine Milliarde mehr als Analysten erwartet hatten. Und das um die Kosten des Diesel-Betrugs bereinigte operative Ergebnis rutschte zwar um 18,6 Prozent auf 3,51 Milliarden Euro ab. Die Experten hatten mit einem Ebit von 3,2 Milliarden aber einen erheblich größeren Rückgang befürchtet.



Neben der Geldbuße von 800 Millionen Euro für die Beilegung der Dieselkrise bei Audi schlug zuletzt vor allem die Umstellung auf den Abgasstandard WLTP ins Kontor. Weil für zahlreiche Motor-Getriebekombinationen weiterhin die Zulassung fehlt, waren zahlreiche Modelle nicht bestellbar. Die Lieferausfälle waren zuletzt so groß, dass VW sein Stammwerk in Wolfsburg tageweise komplett stilllegen musste. Dazu kosten die Rabatt-Aktionen für den Austausch alter Diesel-Dreckschleudern ordentlich Geld.

Doch Besserung ist in Sicht. Im November und Dezember soll sich das Geschäft in Europa allmählich wieder normalisieren, sagte VW-Finanzchef Frank Witter am Dienstag auf einer Telefon-Konferenz mit Journalisten. Für das Gesamtjahr halte man an der geplanten Umsatzsteigerung von rund fünf Prozent. Dies gelte auch für die angepeilte operative Marge 6,5 bis 7,5 Prozent.

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Einschätzung der Redaktion



Der Mix aus Dieselkrise, WLTP-Einführung und China-Unsicherheit hat bei Volkswagen nicht ganz so tiefe Bremsspuren hinterlassen wie von vielen Analysten befürchtet. Im vierten Quartal muss der Konzern allerdings jetzt richtig Gas geben, um den Auslieferungsrückstand seit September wettzumachen.



Die Aussichten dafür stehen nicht schlecht. Denn der Konzern hat sein Modell-Portfolio zuletzt ordentlich aufgepeppt. Und falls die chinesische Regierung die Steuern für kleinere Pkw tatsächlich kurzfristig senken sollte, um die schleppende Nachfrage wieder in Gang zu bringen, könnte das dem Konzern einen Extra-Schub bringen. Schon jetzt entfällt rund 37 Prozent des Konzern-Absatzes auf das Reich der Mitte.

Doch über dem insgesamt sehr ordentlichen operativen Geschäft hängt weiter das Damoklesschwert milliarden-schwerer Rechtsrisiken aus dem Diesel-Skandal. Alleine beim Landgereicht Braunschweig sind Forderungen über neun Milliarden Euro anhängig. Dazu tritt Anfang November das neue Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) in Kraft. Hier kommen neue Schadenersatz-Forderungen im Gesamtvolumen von weiteren vier Milliarden Euro auf den Konzern zu. NordLB-Analyst Frank Schwope schätzt, dass sich die Rechtsrisiken für den Konzern inzwischen auf zehn bis 20 Milliarden Euro belaufen - zusätzlich zu den 28 Milliarden Euro, die die Wolfsburger bis heute für den Diesel-Betrug zahlen mussten.

Immerhin: Charttechnisch hellt sich die Lage für die VW-Aktie derzeit auf. Zwar ist der seit Jahresanfang gültige Abwärtstrend noch in Takt. Aber am Dienstag hat das Papier die 55- und die 200-Tage-Linie nach oben durchstoßen. Kurzfristig könnte die Aktie nun die Marke von 155 Euro ins Visier nehmen. Dort verläuft der Abwärtstrend. Wir warten aber noch ab, ob die Vorzugsaktie den Abwärtstrend kurzftristig tatsächlich knacken kann. Beobachten.

Kursziel: 155 Euro

Stopp: 131 Euro