Die US-Abgasaffäre löst bei Volkswagen den größten Kurssturz seit 21 Jahren aus. Die Aktien brachen um knapp 23 Prozent ein und waren mit 125,40 Euro so billig wie zuletzt im Sommer 2012. Dies bedeutet einen Verlust an Marktkapitalisierung von rund 17 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa der gesamten Marktkapitalisierung der Commerzbank.
Insgesamt wechselten bis zum Mittag bereits mehr als mehr als sechs Mal so viele VW-Vorzüge den Besitzer wie an einem gesamten Durchschnittstag.
Der Ausverkauf bei VW zog auch den deutschen Leitindex Dax in die Tiefe. Auch die Papiere der anderen deutschen Autobauer gerieten unter Druck. Daimler und BMW rutschten um jeweils etwa vier Prozent ab.
Der Wolfsburger Konzern hatte am Wochenende massive Abgas-Manipulationen in den USA zugegeben, die dem Autobauer eine Milliarden-Strafe einbringen könnte. VW-Chef Martin Winterkorn hatte sich für den Verstoß entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. Er persönlich bedauere zutiefst, dass VW das Vertrauen von Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht habe.
Die US-Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos. Für Volkswagen könnte dies nach Angaben der Behörde eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen.
"DAS WIRD TEUER"
"Das wird teuer", sagte Heino Ruland, Marktanalyst vom Brokerhaus ICF. Da VW die Manipulation zugegen habe, müsse mit der Höchststrafe von etwa 18 Milliarden Dollar gerechnet werden. "Das ist aber sicher nicht das Ende der Fahnenstange." Er rechne mit Sammelklagen von US-Autohaltern. Außerdem sei offen, ob die Prüfergebnisse auch in anderen Staaten falsch seien.
Autoexperte Stefan Bratzel rechnet mit einer niedrigeren Strafe, da VW mit den US-Behörden kooperiere. Der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach verwies auf den Fall von General Motors. Die Opel-Mutter muss im Skandal um defekte Zündschlösser, mit dem zahlreiche Todesfälle in den USA in Verbindung gebracht werden, ein Strafe von 900 Millionen Dollar bezahlen.
Viel größer sei der Imageschaden, den VW und damit auch die gesamte deutsche Automobilindustrie in den USA erlitten habe, sagte Bratzel. "Das ist ein deutsches Thema. Da sind alle in der Sippenhaftung", ist der Wissenschaftler überzeugt. Volkswagen mit seiner Tochter Audi sei das Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie. Die stärkere Einführung des Dieselantriebs in den USA könne die Branche vorerst vergessen. Geklärt werden müsse nun, ob auch andere Hersteller die Abgaswerte manipuliert hätten.
VW müsse zudem beweisen, dass nicht auch in Europa und Asien getrickst wurde. Personelle Konsequenzen stünden vorerst nicht im Vordergrund. "Ich würde Winterkorn an seinen Worten messen, das Ganze vollumfänglich aufzuklären", sagte Bratzel. Klar sei jedoch, dass die Entscheidung über den Einsatz der verbotenen Software nicht im kleinen Kreis getroffen worden sei. Eine Person mit Kenntnis der Vorgänge sagte, die Entscheidungen über die Einhaltung von Emissionskontrollen auch in den USA würden von VW in Wolfsburg gefällt. Eine weitere Person sagte, das Thema werde auch den Aufsichtsrat auf seiner Sitzung am Freitag beschäftigen.
Die EPA wirft dem Wolfsburger Konzern vor, in Volkswagen- und Audi-Modellen eine Software eingesetzt zu haben, mit der die Verringerung bestimmter Abgasemissionen im normalen Fahrbetrieb ausgeschaltet werden könne. Folge solcher Manipulationen sei, dass die Autos für den Umweltschutz festgesetzte Emissionslimits um das bis zu 40-Fache übertreffen könnten.
Im Fokus der Ermittlungen stehen laut EPA Vier-Zylinder-Modelle der Jahre 2009 bis 2015. Es geht um die VW-Modelle Jetta, Beetle und Golf und den Audi A3 aus den Jahren 2009 bis 2015 sowie den VW Passat aus diesem und dem vergangenen Jahr. Die Fahrzeuge müssten vorerst nicht in die Werkstätten zurückgerufen werden, betonte die EPA.