Volkswagen müsse sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung als größter Autokonzern mit weltweit mehr als 600.000 Beschäftigten stellen und transparenter werden, meint Henkel, der das Insight Mobility Institut in Wiesbaden leitet. Er rät Konzernchef Diess, sich regelmäßig persönlich der Öffentlichkeit zu stellen und über den Stand der Diesel-Aufarbeitung zu informieren. Nur so könne Volkswagen das durch die millionenfache Abgasmanipulation verlorene Vertrauen zurückgewinnen. "Man darf sich nicht hinter Pressemitteilungen verstecken."
Ein Hindernis für eine größere Transparenz sei allerdings die Eignerstruktur von Volkswagen, bei der die Porsches und Piechs über ihre Familienholding Porsche SE die Fäden in der Hand halten. "Es ist ein Problem, wenn ein derart kleiner Kreis einen derartigen Einfluss ausüben kann", sagt Henkel. Die Familien hatten lange ihre schützende Hand über Stadler gehalten, dessen Karriere einst von Familienpatriarch Ferdinand Piech gefördert worden war. Auch der Autoexperte Stefan Randak von der Beratungsfirma Atreus sieht die Familien in der Verantwortung: "Es ist fatal, dass Volkswagen in Sachen Stadler so lange gewartet hat." Spätestens vor einer Woche, als die Betrugsermittlungen auf Stadler ausgeweitet wurden, hätten die Eigner die Reißleine ziehen müssen. Auch Stadler selbst hätte handeln müssen. "Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen."
WEITERE ENTHÜLLUNGEN?
Die Verhaftung Stadlers birgt allerdings große Risiken: Der Audi-Chef wird derzeit von der Staatsanwaltschaft vernommen. Viele warten gespannt darauf, ob neue Details zur millionenfachen Manipulation von Dieselabgasen bei VW ans Licht kommen. Die Staatsanwaltschaft greift außerdem mit bisher ungekannter Härte durch. Die Buße von einer Milliarde Euro wegen Abgasmanipulation gegen Volkswagen und Stadlers Verhaftung wegen Verdunklungsgefahr könnten erst der Anfang gewesen sein. Diess muss sich also darauf einstellen, dass weitere Enthüllungen das ohnehin angekratzte Image von Volkswagen weiter beschädigen. "Audi ist die Ausgeburt der Dieselaffäre", sagt Autoexperte Randak. "Die Mine, die mit Stadler hochgegangen ist, dürfte nicht die Letzte sein." In der Ingolstädter Technikschmiede wurde die Motorsteuerung zur Manipulation der Diesel-Abgaswerte ausgetüftelt.
Weder Henkel noch Randak gehen jedoch davon aus, dass der von Diess angestoßene Konzernumbau durch Stadlers Verhaftung ins Stocken gerät. "Die Personalie hat in der Umsetzung der Strategie keine nachhaltige negative Auswirkung", meint Randak. "Diess wird das umsetzen, er wird es eben mit anderen Personen machen."