Doch dafür gibt es einige andere Baustellen, auf denen es nicht so rund läuft. Zu einem Sorgenkind hat sich beispielsweise der US-Markt entwickelt. Dort wurde in den beiden ersten Monaten 2014 ein Absatzminus von 16 Prozent auf 50.600 Autos verbucht. Und was mindestens genauso schwer wiegt: Es ist derzeit kein Plan in Sicht, mit dem die Wolfsburger auf dem zweitgrößten Pkw-Markt der Welt die Wende einleiten könnten. Hinzu kommen eingetrübte konjunkturelle Aussichten in wichtigen Zukunftsmärkten wie Brasilien und Russland, wobei letztgenanntes Land natürlich auch mit seiner negativen Rolle in der Krim-Krise einen Risikofaktor darstellt.
Auf dem weltgrößten Einzelmarkt China, wo VW im Januar und Februar mit 437.700 verkauften Fahrzeugen fast die Hälfte des Absatzes macht, stehen die Wolfsburger als Marktführer sowohl bei den Massenherstellern als auch der Oberklasse zwar gut da. Konkret wurden dort im Vorjahr 4,3 Milliarden Euro oder fast 17 Prozent mehr verdient. Aber selbst hierüber machen sich die Anleger zuletzt vermehrt Sorgen, weil fraglich ist, wie gut im Reich der Mitte der eingeleiteten Übergang von einer export- hin zu einer mehr binnenwirtschaftlich getriebenen Volkswirtschaft gelingen wird.
Auf Seite 2: Ausblick und Pläne rund um Scania verstimmen etwas
Ausblick und Pläne rund um Scania verstimmen etwas
Neben diesen Dingen reagierte der Markt aber auf zwei hausgemachte Nachrichten von VW etwas säuerlich. Gemeint ist damit zum einen die Ergebnisvorlage. Der operative Gewinn konnte im Vorjahr zwar gesteigert werden, doch der Ausblick auf das laufende Jahr wurde relativ zurückhaltend formuliert, indem für Umsatz und operativer Rendite jeweils in etwa nur die Vorjahreswerte in Aussicht gestellt wurden. Am Donnerstag wurde das zwar etwas korrigiert, indem Vorstandschef Martin Winterkorn bei der Bilanzvorlage darauf hinwies, VW habe sich noch nie damit begnügt, nur das Minimalergebnis zu erreichen, aber an einem allgemein schwachen Handelstag führte das am Ende nicht zu Kursgewinnen.
Als zweiter Bremsfaktor kam jüngst zum anderen auch noch die im Februar gemachte Ankündigung der Komplettübernahme des Lkw-Herstellers Scania hinzu (die Angebotsfrist für die Scania-Übernahme beginnt am 17. März und endet voraussichtlich am 25. April). Grundsätzlich wird das unter dem Aspekt der besseren Integration mit MAN zwar als strategisch folgerichtig eingestuft. Aber der Kaufpreis von 6,7 Milliarden Dollar gilt als eher hoch, außerdem überraschte die damit verbundene Ankündigung einer Erhöhung des Vorzugskapitals.
Als unsicher gilt außerdem unter Experten ganz allgemein, ob es wie anvisiert tatsächlich gelingen kann, bis 2018 zum weltgrößten Branchenvertreter aufzusteigen. 2013 hat VW mit 9,73 Millionen Einheiten zwar General Motors vom zweiten Platz verdrängt und bis zum Platzhirsch Toyota, der 9,98 Millionen Fahrzeige verkauft hat, scheint es nicht allzu weit zu sein. Aber auch wegen der Schwäche in den USA wird doch zusehends an einer erfolgreichen Umsetzung der Zielvorgabe gezweifelt, obwohl den jüngsten Angaben zufolge VW nun bereits 2014 mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkaufen will. Meldungen zufolge ist Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piech derzeit trotzdem etwas unzufrieden mit dem Tempo bei der Erfüllung des Plans zur Erlangung der Weltmarktführerschaft und es wird sich zeigen müssen, inwieweit sich der Konzern mit seinen zwölf Marken (Volkswagen Pkw, Audi, Seat, Škoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Porsche, Ducati, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania und MAN) nicht verzettelt.
Auf Seite 3: Moderate Bewertung versus etwas angeknackste Charttechnik
Moderate Bewertung versus etwas angeknackste Charttechnik
Bedenken wie diese sind mit eine Erklärung dafür, wieso die Aktie relativ günstig bewertet ist, wenngleich hier auch eine traditionell eher günstige Bewertung von Massenproduzenten aus dem Autosektor zu berücksichtigen ist. Wenn die Gewinnschätzung stimmen, muss die Aktie aber dennoch als vergleichsweise moderat bewertet eingestuft werden. So rechnet die Berenberg Bank für die Jahre 2014 bis 2016 mit Werten beim Gewinn je Aktie von 23,69, 28,75 und 31,62 Euro. Auf dieser Basis errechnen sich KGVs von 7,6, 6,2 und 5,7. Das ist ebenso niedrig wie ein Unternehmenswert im Verhältnis zum Gewinn vor Steuern und Zinsen von 2,6.
Berenberg-Analyst Adam Hull ist sich aufbauend auf diesen Zahlen jedenfalls sicher: "VW ist aus unserer Sicht sehr günstig." Er rät deshalb mit einem Kursziel von 240 Euro zum Kauf. Auch sonst gibt es kaum einen Analysten, der als Kursziel einen Wert unter dem aktuellen Niveau nennt. Der Aktie hat das zuletzt in einem ebenfalls nachgebenden Gesamtmarkt aber wenig geholfen. Die Notiz ist trotzdem kontinuierlich gefallen und aktuell bis auf ein Niveau abgerutscht, in dem sich grob gesprochen nicht nur die 200-Tage-Druchschnittslinie sondern auch die langfristige Aufwärtstrendlinie bewegt. Somit befinden wir uns charttechnisch in einer kritischen Phase.
Fazit: Mit dem DAX können die VW-Vorzugsaktien nun schon seit einiger Zeit nicht mehr mithalten. Aber vermutlich ist das eine ganz normale Entwicklung. Schließlich hat der Titel zuvor seit der großen Kurswende nach oben an den Börsen im März 2009 deutlich besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Eine längere Phase des Durchschnaufens kommt deswegen nicht überraschend. Die Bewertung ist relativ günstig, was das weitere Abwärtspotenzial begrenzen sollte. Aber das Chartbild hat sich zuletzt eingetrübt und wegen der fehlenden Dynamik drängt sich momentan noch kein Kauf auf. Neu einsteigen sollte man erst dann, wenn das bisherige Rekordhoch von 204,15 Euro überwunden werden kann. Denn erst dann kann die Wiederaufnahme des Aufwärtstrends zweifelsfrei attestiert werden.