Dabei entrüstet die Aktionäre von Volkswagen nur ein Thema: Der Dieselskandal, losgetreten durch eine Ad-Hoc-Meldung am 22. September 2015, in welcher der Konzern einräumte, dass es Unregelmäßigkeiten bei der Messung der Abgase von Dieselfahrzeugen gegeben hatte. Die Werte waren - wie sich herausstellte - mit einer Software absichtlich manipuliert worden. Die zornigen Eigner wollen wissen: Wussten Vorstandsmitglieder vor der Meldung davon?

Dann nämlich hätten Aktionäre und Verbraucher Recht auf Schadensersatz. Weltweit laufen Verfahren, die Ansprüche in Höhe von neun Milliarden Euro durchsetzen wollen. Doch ohne die Information haben die Prozesse wenig Aussicht auf Erfolg.

Keine Chance auf eine Antwort



Im vergangenen Jahr hatte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch lückenlose Aufklärung versprochen. Heute äußerte er sich anders: "Um es klar zu sagen: Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es nicht geben", sagte Pötsch. Jones Day ist die Kanzlei, die im Auftrag von Volkswagen und in Zusammenarbeit mit der US-Justiz den Dieselskandal aufgearbeitet hat. 600 Gespräche mit Mitarbeitern haben die Rechtsanwälte geführt und 100 Millionen Dokumente gesichert. Ein Bericht darüber liegt vor - doch die wichtigste Frage bleibt offen.

Der Aufsichtsrat überwacht die bisherigen und weiteren Ermittlungen. Für viele Aktionäre eine Farce: "Wie soll Pötsch die Untersuchungen überwachen, wenn gegen ihn auch wegen kapitalrechtlicher Verstöße ermittelt wird? Das ist ein Witz.", sagte einer.

Vorstandschef Matthias Müller beschwichtigt und betont, dass der Abgasskandal dem Konzern auch weiterhin beschäftigen und "viel abverlangen" würde. In Deutschland seien bereits 1,7 Millionen Fahrzeuge umgerüstet, weltweit 4,7 Millionen. Bis zum Herbst sollen alle 11 Millionen betroffenen Diesel-Pkw auf dem neuesten Stand sein. Zudem habe Volkswagen ein Hinweisgebersystem installiert, welches Mitarbeiter dazu ermutigen soll, Fehlverhalten zu melden. Dass darüber hinaus in den nächsten drei Jahren US-amerikanische Anwälte die VW-Geschäfte überwachten, stelle den Konzern auf den Prüfstand, so Müller.

Doch die Beschwichtigungsversuche verpuffen: "Die Kosten für den Dieselskandal tragen allein die Aktionäre. Kein Vorstand ist bisher rechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Und die Boni werden angenommen, als sei nichts passiert", kritisiert ein Aktionärsvertreter.

Dass die Dividende der Vorzugsaktionäre ohne Stimmrecht mit 2,06 Euro nur unwesentlich höher sei als die der stimmberechtigten Stammaktionäre mit zwei Euro pro Aktie, sei nur eine weitere Missbilligung der Eigner.

Die Gesichter der Volkswagen-Vorstände und Aufsichtsräte wurden länger und länger. Aber passieren wird wohl lange nichts. Vor 2020 sei nicht mit einem Ergebnis der Verfahren auf Entschädigungen und Sonderprüfungen nicht zu rechnen, meint ein Rechtsanwalt. Und dass VW von sich aus Informationen preisgibt, ist ausgeschlossen. Für diesen Fall müsste der Autobauer weitere Strafzahlungen an die US-Justiz zahlen. Die Verschwiegenheit ist Teil des Vergleichs mit den dortigen Behörden.

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Einschätzung der Redaktion



Finanziell hat der Volkswagenkonzern die Rechtsrisiken durch eine Rückstellung von insgesamt 22,6 Milliarden Euro, von denen bislang nur drei Milliarden abgeflossen sind, im Griff. Die Geschäfte laufen indes gut, mit einem weltweiten Absatz von 10,3 Millionen Fahrzeuge ist VW seit wenigen Monaten Weltmarktführer. Das zeigt sich in den Zahlen und soll sich auch bald wieder in einer Dividende von 30 Prozent des Gewinns wiederspiegeln. Die diesjährige Rendite liegt aufgrund des Dieselskandals bei lediglich 19,7 Prozent. Solange der Kurs unter dem Vorkrisenniveau liegt ist Volkswagen zudem ein Kauf mit hohem Kursgewinnpotenzial.

Empfehlung: Kaufen
Zielkurs: 155 Euro
Stoppkurs: 142 Euro