Technologisch lassen die deutschen Autobauer die weltweite Konkurrenz oft alt aussehen. Doch wenn es um die Verjüngung der Konzernspitzen geht, sind VW, Daimler & Co keine Vorreiter. Während bei den US-Konzernen General Motors und Ford sowie bei Peugeot in Frankreich seit dem vergangenen Jahr neue Chefs - bei der Opel-Mutter GM erstmals sogar eine Chefin - das Zepter schwingen, hat bei den deutschen Rivalen vielfach noch die alte Garde das Sagen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass das hohe Durchschnittsalter deutscher Auto-Management-Teams zu einem immer größeren Problem wird", sagt Arnd Ellinghorst vom Analysehaus Evercore ISI. Wer das sprichwörtliche Benzin im Blut hat, dürfte sich aus Sicht des Experten schwer tun, einen Autokonzern in die vernetzte und elektrische Zukunft zu führen.
Doch das soll sich jetzt ändern: Den Auftakt für einen Generationswechsel in der deutschen Autoindustrie macht BMW mit Harald Krüger. Der 49-Jährige ist der jüngste Autoboss in der Branche, wenn er im Mai kommenden Jahres Norbert Reithofer an der Spitze des Münchener Premiumherstellers ablöst. BMW-Großaktionär Stefan Quandt setzt erklärtermaßen auf die "Gestaltungskraft der jüngeren Generation". Denn der Umbruch der Automobilindustrie könnte auch sicher geglaubte Erfolge verpuffen lassen. "Wir haben es in der Branche mit völlig neuen Themen zu tun", erläutert Autoexperte Stefan Bratzel und zählt auf: umweltfreundliche Antriebe, Elektromobilität, autonomes Fahren, Carsharing oder Internet-Vertrieb.
Jüngere Manager seien da ein Stück näher dran, meint auch der Leiter des Institut of Automotive Management in Bergisch Gladbach. "Es hilft, wenn man mit der Digitalisierung aufgewachsen ist." Die sogenannten "digital natives", die von Kindesbeinen an mit Handys, Computer und Tablets umgehen, dürften aber erst in einigen Jahren die Chefetagen erobern. Dem Management-"Jungspund" Krüger mit seinen 49 Jahren, dem 51-jährigen Audi -Chef Rupert Stadler oder der fast 53 Jahre alten GM-Chefin Mary Barra wurden die elektronischen Spielzeuge dagegen noch nicht in die Wiege gelegt.
Technologische Umwälzungen treiben inzwischen die Pkw-Industrie - und ihren Generationswechsel. Autos werden mit Smartphones vernetzt und kommunizieren demnächst über das Internet direkt miteinander oder mit der Infrastruktur, um den Wagen sicher ans Ziel zu führen. Autonomes Fahren wird in nicht allzu ferner Zukunft Wirklichkeit. Wenn der Gesetzgeber mitspielt, sollen künftig Roboter das Lenkrad übernehmen, während sich die Passagiere zurücklehnen und Zeitung lesen oder Mails beantworten. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young können sich drei Viertel der Befragten bis 45 Jahre so das Autofahren der Zukunft vorstellen. Das Fahren selbst, von den Autobauern lange als pure Freude verherrlicht, wird immer mehr zur Nebensache. Assistenzsysteme, die teilautomatisiertes Fahren heute schon bei geringem Tempo ermöglichen, werden inzwischen auch in Autos der Mittel- und Kompaktklasse eingebaut.
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Waren Ingenieure bisher vor allem damit beschäftigt, verbrauchsärmere Motoren und Getriebe zu entwickeln und darauf zu achten, dass der Abstand der Bauteile im Karosseriebau stimmt, werden Software- und IT-Experten immer wichtiger. "Die Welt der Spaltmaße muss mit der Digitalisierung zusammenwachsen", fordert Bratzel. Ellinghorst spricht von gewaltigen Veränderungen, die durch Carsharing oder neue Online-Dienstleistungen auf die Hersteller zukämen. "Die Frage ist aber, welches Unternehmen es schafft, die neuen Kundenbedürfnisse früh zu erkennen, darauf aktiv reagiert und damit einen Wettbewerbsvorteil generiert." Ansonsten blieben Hersteller - wie so oft - auf den Kosten sitzen und erzeugten wenig Wert. Ob die deutschen Konzerne auch in zehn Jahren noch so erfolgreich sind wie heute, hängt Bratzels zufolge auch von der neuen Führungsgeneration ab. Drastischer formuliert dies ISI-Experte Ellinghorst: "Wie soll ein CEO aus der Power-PS-Generation, der kaum ein Handy bedienen kann und glaubt, dass Blogger auf Bäumen sitzen, ein Autounternehmen in die vernetzte und elektrische Mobilität führen?"
Bei Daimler und Volkswagen lassen die Chef-Wechsel noch ein Weilchen auf sich warten. Die beiden Konzerne leiten die Nachfolge ihrer langgedienten Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche (61) und Martin Winterkorn (67) gerade ein. Bei dem Stuttgarter Konzern steht der Schwede Ola Källenius (45) in den Startlöchern, wenn Zetsche - vermutlich 2019 - das Feld räumt. Bei Volkswagen sind es gleich mehrere Kandidaten, die sich warmlaufen: Die besten Chancen werden dem von München nach Wolfsburg wechselnden bisherigen BMW-Manager Harald Diess (56) eingeräumt. Er soll im Oktober nächsten Jahres zunächst Chef der größten Konzernmarke VW werden. Auch der künftige Chef-Trucker von VW, Ex-Daimler-Manager Andreas Renschler (56), kann sich wohl Hoffnungen auf eine Beförderung machen, wenn Winterkorn in einigen Jahren in den Aufsichtsrat wechselt. Bisher hat Winterkorn lediglich erklärt, dass er seinen bis Ende 2016 laufenden Vertrag erfüllen will. Es gilt in Wolfsburg jedoch als wahrscheinlich, dass er zwei Jahre dranhängt. Dann wäre er 71.
"Das muss nicht bedeuten, dass ein 60- oder 70-jähriger Vorstand keine gute Arbeit mehr machen kann", sagt Analyst Frank Schwope von der NordLB. Es komme vor allem auf gute Teams an. Die Verjüngung der Chefetagen sieht Schwope als langfristige Weichenstellung: "Die vernetzten Autos wird es natürlich nicht in zwei, drei Jahren geben. Das ist ein Thema, das 2020 beginnt und nach 2030 den Markt beherrschen wird. Dafür bereiten sich die Konzerne jetzt vor."
Reuters