"Die jetzt vorliegenden finanziellen Ergebnisse sind deutlich besser als ursprünglich erwartet und zeigen, wozu unser Unternehmen gerade auch in einer Krise fähig ist", erklärte Finanzchef Frank Witter am Freitag. Für das laufende Jahr stellte der nach Toyota weltweit zweitgrößte Autobauer deutlich höhere Auslieferungen und einen signifikant steigenden Umsatz in Aussicht. Die Anleger griffen daraufhin zu, die VW-Aktie war am Nachmittag größter Gewinner im Leitindex Dax.

Börsianer werteten die Zahlen als Beleg dafür, dass der Wolfsburger Konzern den Wandel zu einem softwaregetriebenen Technologieunternehmen dank gut gefüllter Kassen aus eigener Kraft schaffen kann. Frank Schwope von der NordLb schließt zwar nicht aus, dass ein Börsengang der Ertragsperle Porsche intern in einem Extremszenario durchgespielt wurde. "Aber eine Notwendigkeit hierfür ist derzeit überhaupt nicht vorhanden", sagte der Autoanalyst. Sein Kollege Arndt Ellinghorst von Bernstein Research meinte, zumindest aus Liquiditätsgründen sei ein solcher Schritt nicht nötig. Wolle Konzernchef Herbert Diess den Börsenwert aber auf 250 Milliarden Euro hieven, wäre dies "sehr hilfreich". Insidern zufolge hält sich Volkswagen die Möglichkeit offen, seine Sportwagentochter aufs Börsenparkett zu bringen. In diesem Jahr werde aber nicht damit gerechnet.

NICHT ALLES SONNENSCHEIN


Witter erklärte, der Konzern habe die Auswirkungen der Pandemie auf das Geschäft erfolgreich eingedämmt und gleichzeitig wichtige Weichen für die Transformation gestellt. Den Schwung aus der Erholung im zweiten Halbjahr 2020 wolle man ins laufende Jahr mitnehmen. Zugleich sollten die Programme zur Senkung der Fix- und der Materialkosten den Konzern nachhaltig robuster machen. Das Management zeigte sich entsprechend optimistisch und traut sich eine operative Rendite am oberen Ende der in Aussicht gestellten Spanne von 5,0 bis 6,5 Prozent zu. Das Ziel überzeugte allerdings nicht alle Analysten: Die Experten von Jefferies erklärten, angesichts einer beeindruckenden operativen Marge von 12,2 Prozent im Schlussquartal 2020 sei der Rendite-Ausblick fürs laufende Jahr "etwas enttäuschend". Moniert wurde auch, dass VW keine Angaben zu den Auswirkungen des Chipmangels machte, der die Produktion ins Stocken gebracht hat. Weltweit sind fast alle großen Autobauer von dem Engpass bei Mikrocontrollern betroffen.

Volkswagen begründete sein robustes Abschneiden im vergangenen Jahr mit der raschen Erholung in China, dem stabileren Premium-Geschäft und der Finanztochter Financial Services. Der Konzernumsatz sank um 11,8 Prozent auf knapp rund 223 Milliarden Euro, er fiel damit aber nicht so stark wie der Absatz mit minus 16,4 Prozent. Das deutet darauf hin, dass Volkswagen erneut auch viele SUVs losschlug, an denen er mehr verdient. Weltweit lieferte Volkswagen 9,3 Millionen Fahrzeuge aus (minus 15,2 Prozent) und landete damit hinter Toyota, der 2020 auf 9,5 Millionen kam.

Das Rennen zwischen den beiden Dauerrivalen ist nach Meinung von Experten in diesem Jahr offen. Die Wolfsburger haben gerade erst den kompakten ID.3 und Elektro-SUV ID.4 an den Start gebracht. Weitere Modelle sollen rasch folgen. Um die Investitionen in neue Dienste und selbstfahrende Autos zu stemmen, ist entscheidend, dass das Geschäft rund läuft und dem Konzern genug Finanzmittel zufließen. Die Nettoliquidität erhöhte sich im abgelaufenen Jahr um rund 26 Prozent auf rund 26,8 Milliarden Euro. Der Barmittelzufluss (Netto-Cash-flow) sank um 40 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro. Dennoch zeigten sich Experten davon beeindruckt.

Unter dem Strich blieb ein Nettogewinn von 8,8 (Vorjahr 14,0) Milliarden Euro. Trotz des Rückgangs soll den Aktionären eine stabile Dividende von 4,80 Euro je Stamm- und 4,86 Euro je Vorzugsaktie zufließen. Für das vorangegangene Rekordjahr 2019 hatte Volkswagen ursprünglich 6,50 Euro beziehungsweise 6,56 Euro ausschütten wollen, die Erhöhung wegen der Corona-Krise später aber gestrichen und den verbliebenen Bilanzgewinn von 855 Millionen Euro auf neue Rechnung vorgetragen.

rtr