Beim Spezialchemiekonzern Wacker Chemie läuft das Geschäft in allen Sparten. Dazu passt auch, dass die chemische Industrie ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr angehoben hat. Das superstarke zweite Quartal macht Lust auf mehr. Gegenüber dem Vorjahresquartal legte der Umsatz um 40 Prozent zu, und auch gegenüber dem Vorquartal waren es immer noch zehn Prozent mehr. Der operative Gewinn stieg gegenüber dem ersten Quartal 2021 um die Hälfte auf rund 327 Millionen Euro. "2021 kann ein ausgezeichnetes Jahr für Wacker werden", meinte der neue Vorstandschef Christian Hartel bei der Präsentation des Zahlenwerks.
Branchenexperten erwarten, dass das MDAX-Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr bei Umsatz und Ebit-Marge wieder das höchste Niveau seit 2016 erreichen wird. Das Stammgeschäft in der Polymer- und Silikonsparte beliefert mit seinen Zwischenprodukten wie Dispersionspulver, Harzen oder Dichtungsstoffen vor allem die Bau-, Auto- und Elektronikindustrie. Absatzmärkte also, die von der global anziehenden Konjunktur profitieren. "Bei den Polymeren bleiben die Rohstoffpreise hoch, aber dank der starken Marktposition ist Wacker in der Lage, diesen Faktor über Preiserhöhungen an die Kunden weiterzugeben", meint Sebastian Bray, Analyst bei der Berenberg Bank.
Polysilizium boomt wieder
Größter aktueller Gewinntreiber ist jedoch die Polysiliziumsparte, die den Rohstoff für die Produktion von Solarzellen liefert. Der wieder kräftig anziehende Bau von neuen Solarkraftwerken weltweit lässt die Polysiliziumpreise ordentlich steigen. Im abgelaufenen Quartal fuhr der Geschäftsbereich Polysilizium einen Umsatz von 352,9 Millionen Euro ein, was mehr als einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Wie groß der Hebeleffekt auf den Konzerngewinn bei Wacker Chemie ist, verdeutlicht der Blick auf die Margen. Im Geschäftsjahr 2017, der letzten Boomphase für Polysilizium, stand die Sparte für 28,6 Prozent am Konzern-Ebitda, der Umsatzanteil lag bei 22,7 Prozent. Im Corona-Jahr 2020 trug der Geschäftsbereich dann ganze 0,8 Prozent zum Ebitda bei.
Im zweiten Quartal 2021 schnellte das Ebitda auf 149 Millionen Euro nach oben - und sorgte dafür, dass Polysilizium mit einem Anteil von 45,6 Prozent die beiden umsatzstärksten Segmente Silikone und Polymere vom ersten Platz verdrängte. Mit einem Großauftrag vom chinesischen Solarmodulhersteller Jinkosolar wird Wacker Chemie über die nächsten sechs Jahre verteilt insgesamt über 70 000 Tonnen Polysilizium liefern. Der Konzern produziert jährlich 80 000 Tonnen.
Konservative Prognosen
Aktuell votieren zehn Analysten für den Kauf der Aktie, fünf empfehlen, den Titel zu halten, und nur ein Experte spricht sich für einen Verkauf aus. Berenberg-Experte Bray zählt zu den Analysten, die den Solarboom in der Firmenbewertung von einem Faktor acht beim Verhältnis von Unternehmenswert zu Ebitda auf dem aktuellen Kursniveau eingepreist sehen. Sollten die Preise für Polysilizium wieder fallen und Wettbewerber vor allem aus China ihre Produktionskapazitäten aufstocken, würde der Konzerngewinn in den nächsten Jahren wieder sinken. "Diese Befürchtungen sind noch nicht akut, aber um eine höhere Bewertung zu rechtfertigen, müsste Wacker aus meiner Sicht seine soliden Finanzen für Zukäufe nutzen, vorzugsweise für den Geschäftsbereich Biosolutions, der aufgrund seiner hohen Profitabilität auch höhere Bewertungskennziffern rechtfertigt."
Luft nach oben
Wir sehen im aktuellen 2022er-KGV weiterhin Luft für höhere Kursregionen. Das Wacker-Management plant traditionell konservativ. Setzt der Spezialchemiekonzern in den nächsten Quartalen den Aufwärtstrend in allen Geschäftsfeldern fort, könnten sich die bisherigen Vorgaben als zu niedrig angesetzt erweisen. Für 2021 erwartet das Management einen Umsatz von etwa 5,5 Milliarden Euro nach 4,69 Milliarden Euro im Vorjahr. Das Ebitda werde voraussichtlich zwischen 900 Millionen und 1,1 Milliarden Euro liegen.
1,3 Milliarden Euro, also gut 18 Prozent des aktuellen Börsenwerts, wird zudem der Verkauf der Anteile am Waferhersteller Siltronic dieses Jahr in die Kasse spülen. Dieser einmalige Sondereffekt wird den Anlegern für das Geschäftsjahr 2021 eine üppige Dividende bescheren. Wir heben deshalb Ziel- und Stoppkurs an und sehen die Aktie weiterhin als einen der aussichtsreichsten Wachstumstitel im MDAX.