In der griechischen Mythologie gibt es Wunder, in der griechischen Realität leider keine
Als Wirtschaftsprofessor weiß der griechische Finanzminister Varoufakis selbstverständlich, dass Griechenland seine Koloss von Rhodos-ähnlichen Schulden niemals wird ordentlich bedienen können. Also versucht er gemäß dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" das Beste aus dieser misslichen Situation zu machen.
Griechenland pokert mit hohem Einsatz. Athen versucht, alle glauben zu machen, Gläubiger und Schuldner säßen in einem Boot. Und in der Tat, ginge Griechenland in die Pleite, kämen auf z.B. deutsche Steuerzahler Verluste von circa 70 Milliarden Euro zu. Hatte die deutsche Regierung nicht versprochen, die Griechen-Rettung werde den deutschen Steuerzahler nichts kosten?
Auch wuchert Athen gerne mit dem Pfund, dass der GREXIT nur der erste Streich wäre, dem andere - ZYPREXIT, PORTEXIT, SPANEXIT, ITALEXIT - folgten. Und dann müsste der deutsche Steuerzahler einen Deckel mit noch viel mehr Strichen bezahlen. Auch könnte sich Griechenland mit Russland ins gemeinsame Finanz-Bett legen und damit der geschlossenen europäischen Phalanx im Ukraine-Konflikt fremdgehen.
Athens Strategie ist es, den Gläubigern unterzujubeln, sie hätten mehr zu verlieren als Griechenland. Tatsächlich soll es Fälle geben, in denen Schuldner - obwohl deren Bonität fragwürdig ist - immer neue Kredite erhalten, um die alten zur finanziellen Gesichtswahrung der Gläubiger nicht abschreiben zu müssen. Warum also auch nicht in der Causa Hellas dieser Logik folgen?
Auf Seite 2: Griechenland retten um jeden Preis?
Griechenland retten um jeden Preis?
Athen will einen Überbrückungskredit, um in der Zwischenzeit die konkreten Reformpläne zu verwirklichen. Es solle doch bitte niemand denken, die neue griechische Regierung würde sich später vom Saulus zum Paulus wandeln. Das sind alles nur Taschenspielertricks des Spieltheoretikers Varoufakis. Hier geht es nur um Zeitgewinn. Athen will, dass seine Robin Hood-Gesinnung in möglichst vielen anderen Euro-Ländern Junge bekommt. Im Herbst bei den Parlamentswahlen in Portugal und Spanien soll diese Saat aufgehen. Wenn auch dort spar- und reformrenitente Parteien Regierungsverantwortung übernehmen können, wird die Anzahl der Verbündeten gegen die Stabilitäts-Sheriffs in Brüssel und Berlin größer.
Offensichtlich zeigen die Poker-Qualitäten des kahlköpfigen Griechen bei den Gläubigern Wirkung. Grundsätzlich sind sie zu Kompromissen bereit. Bei der Höhe des zukünftig geforderten griechischen Primärüberschusses, der Ausgestaltung der Aufsicht über die Reformmaßnahmen und in punkto Zeitplan von Kredit- und Zinszahlungen wird ja Spielraum signalisiert.
Aber in Dauerschleife weitere Kompromisse der bereits großzügig gewährten Kompromisse der Vergangenheit einzugehen, kann es nicht geben. Keine Leistung ohne Gegenleistung. Sonst erhielte Athen noch eine Belohnung dafür, dass es bereit ist, keinen weiteren Euro-Schaden anzurichten. Und bei nächster Gelegenheit würden die griechischen Forderungen noch größer. Die Hand, die gibt, ist immer die erste, die gebissen wird.
Überhaupt, warum sollen die Gläubiger Griechenland immer mehr Freifahrtscheine ausstellen, wenn andere Länder wie Spanien, Portugal oder Irland keine Geschenke erhalten, obwohl sie in punkto Reformen Griechenland gegenüber nicht immobil sind?
Auf Seite 3: Ein verrücktes Huhn kann den ganzen Hühnerhof durcheinander bringen
Ein verrücktes Huhn kann den ganzen Hühnerhof durcheinander bringen
Zwar hat sich Griechenland dem Ultimatum der Eurogruppe gebeugt und einen Antrag auf Verlängerung des Kredithilfsprogramms gestellt. Auf den ersten Blick scheinen die Griechen tatsächlich nachzugeben und wollen treuherzig u.a. ihre Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern erfüllen und sogar mit der Nachfolgeinstitution der Troika zusammenzuarbeiten.
Doch auf den zweiten Blick ist das ein vergiftetes Angebot, dass nicht zuletzt die Absicht hat, die Eurogruppe zu spalten. Es fehlt das Bekenntnis zu tiefgreifenden Reformen, die nun mal das A & O für langfristiges Wirtschaftswachstum sind. Daher lehnt die deutsche Seite den Kreditantrag zu Recht ab. Dagegen sind Frankreich und Italien zumindest im Geiste griechische Verbündete. Sie mögen offiziell zwar für die Stabilitätsunion trommeln. Hinter vorgehaltener Hand ziehen sie dieser aber immer mehr den Boden unter den Füßen weg. Kein Wunder, schaut man sich ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik an, weiß man, dass Stabilitätskriterien und Reformaktivitäten in Paris und Rom ähnlich viel Attraktivität beigemessen wird wie Bauchmerzen.
Rein theoretisch könnte noch bis etwa Mitte März ein Kompromiss zwischen den Gläubigern und Griechenland gefunden werden. Bis dahin könnte sich Griechenland mit Notfallkrediten der EZB an die griechischen Banken durchwurschteln.
Kommt es schließlich zu einer wie auch immer gearteten Einigung, wird der europäische Stabilitätsgedanke zwar wieder einmal kräftig mit Füßen getreten. Und geheilt ist der griechische Patient damit auch nicht. Denn Athen kann die Eurozone nur mit permanentem Länderfinanzausgleich ausgleichen. Aber die Finanzmärkte werden zunächst erleichtert sein, weil sie sich nicht mit den Konsequenzen eines GREXIT auseinandersetzen müssen.
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Wäre der GREXIT verkraftbar?
Sollte Griechenland sich aber ohne jegliches Entgegenkommen weiter wie die Axt im Euro-Walde präsentieren, wird der GREXIT zur Tatsache. Oder sollen sich die Gläubiger von Athen weiter wie willfährige Ochsen am Nasenring durch die Finanz-Manege führen lassen und ihre Glaubwürdigkeit wie einen abgetragenen Mantel in die Altkleidersammlung geben? Irgendwann wird der zu zahlende Preis der Kompromissbereitschaft zu hoch, auch weil schlafende Hunde in anderen Euro-Ländern geweckt würden. In letzter Konsequenz würde die Eurozone mit einem GREXIT - wenn auch sehr spät - ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und andere Euro-Länder mit dem Wink des Zaunpfahls Strukturreformen anmahnen.
Ohnehin, müssen wir uns nicht die ehrliche Frage stellen, in wie weit ein Überleben Griechenlands in der Eurozone überhaupt möglich ist? Haben wir es hier nicht eher mit einer Lebenslüge der Eurozone zu tun?
Der GREXIT würde nicht sicher reibungslos verlaufen. Und bei dem Gedanken habe ich durchaus Magengrummeln. Die Gefahr wird beschworen, der GREXIT könnte ähnlich wie der Lehman-Pleite-Moment wirken, d.h. ein Übergreifen des griechischen Krisenvirus auf Zypern, Portugal, Spanien und Italien nach sich ziehen. Doch würde die EZB - die unter Draghi längst zu einer Krisenvollkaskoversicherung geworden ist - dann Staatspapiere dieser Länder kaufen und den Banken der Eurozone unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen. Zur Verhinderung von Bank Runs in der Euro-Peripherie wären dann auch Bargeldrestriktionen zu erwarten. Nicht zuletzt legten die Fed und die Bank of England ihre Zinswendepläne komplett ad acta.
Ja, ein GREXIT hätte an den Finanzmärkten zunächst eine ähnliche Wirkung wie der Aschermittwoch auf den Karnevalisten. Ein gehöriger Kursrutsch, der z.B. den DAX auf 10.000 Punkte fallen ließe, wäre zunächst zu erwarten.
Aber ich glaube, nach dem ersten Schock würden sich die Märkte wieder zügig erholen. Der Euro würde zur Freude der Exportwerte noch weiter sinken. Auch die Renditen unserer Staatsanleihen verlören aufgrund ihres Status als sichere Häfen noch weiter an Niveau und damit an Attraktivität. Dagegen würde die Anziehungskraft der Dividendenrenditen immer größer.
Eine lange Fastenzeit erwarte ich insgesamt also nicht. Grundsätzlich würden viele Investoren, die noch nicht im Aktienmarkt vertreten sind, griechische Kursrückgänge zum Einstieg nutzen. Ohnehin würde zunehmend die Meinung vertreten: Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Die griechische Polit-Quertreiberei wäre beendet und die Eurozone hätte ein großes Problem weniger. Nicht zuletzt spricht die Kursschwankungsbreite des DAX - gemessen am VDAX -Volatilitätsindex - eine klare Sprache: Im historischen Vergleich signalisiert sie immer noch ein hohes Maß an Entspanntheit. Krise sieht anders aus.
Ja, der deutsche Steuerzahler würde beim GREXIT zur Kasse gebeten. Doch muss gegengerechnet werden, dass der Bundesfinanzminister seit Beginn der Euro-Krise 2010 über 140 Mrd. Euro an Zinszahlungen gespart hat. Netto betrachtet wäre er ein Krisengewinnler.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.