Die Großbanken haben mit positiven Marktimpulsen die US-Berichtssaison eingeläutet. In den nächsten Tagen stehen die Zahlen der großen Techkonzerne im Fokus. Die Nervosität steigt. Von Wolfgang Ehrensberger
Die Berichtssaison zum dritten Quartal steuert kommende Woche auf ihren ersten Höhepunkt zu. Dann legen Tech-Konzerne wie Alphabet (Dienstag), die Facebook-Mutter Meta (Mittwoch), Intel und Apple (Donnerstag) ihre Zwischenberichte vor. Die Nervosität steigt, denn auch in diesem Schlüsselsektor der US-Wirtschaft dürften sich Bremsspuren schwächerer Konjunktur und höherer Notenbankzinsen zeigen.
Einen Vorgeschmack lieferte am Mittwoch der Elektroautobauer Tesla. Der steigerte zwar den Quartalsumsatz um 56 Prozent auf 21,45 Milliarden Dollar und den Absatz um 35 Prozent auf 344 000 Fahrzeuge, lag damit aber dennoch unter den Erwartungen. Tesla räumte ein, das Absatz-Wachstumsziel im Gesamtjahr von 50 Prozent knapp zu verfehlen. Die Aktie verlor sieben Prozent.
Auch bei Apple steht die Frage im Raum, wie stark sich der Premiumhersteller tatsächlich von der allgemeinen Konsumzurückhaltung abkoppeln kann. Für Unruhe sorgten Meldungen, dass Apple die Produktion des neuen iPhone 14 Plus drosselt. Wegen Konjunkturschwäche und Inflation gehen die Smart- phone-Verkäufe weltweit zu- rück — laut Branchenangaben im dritten Quartal im Jahresvergleich um neun Prozent. Dieser Trend setze sich in den nächsten Quartalen fort.
Die Lage der Tech-Aktien
Tech-Konzerne wie Microsoft, Meta oder Intel stellen sich bereits auf härtere Zeiten ein, bauen Tausende Stellen ab oder verkünden Einstellungsstopps. Tech-Aktien sind in diesem Jahr allerdings bereits stark unter die Räder gekommen, sodass einige Analysten schon wieder Aufwärtspotenzial sehen, insbesondere wenn sich Lichtblicke im Geschäft zeigen — wie bei Netflix. Der Streamingdienst baute die Kundenzahl stärker aus als geschätzt und lag bei Umsatz und Ergebnis über Erwartungen.
Laut Nachrichtenagentur Bloomberg zählt der Chiphersteller Nvidia mit 80 Prozent Kurspotenzial zu den aussichtsreichsten Werten im Technologie-Index Nasdaq 100. Auf 66 Prozent durchschnittliches Kurspotenzial bei den Analystenempfehlungen kommt derzeit die Facebook-Mutter Meta. Amazon liegt bei 57 Prozent, Microsoft bei 43, Intel bei 40 und Apple bei 32 Prozent. Dagegen hat Netflix das durchschnittliche Kursziel der Analysten von 255 Dollar schon übertroffen.
Banken überraschen positiv
Sind die Risiken eingepreist, steigt die Chance auf positive Überraschungen. Das hat sich zum Auftakt der Berichtssaison in den vergangenen Tagen bei den US-Banken gezeigt, denen drastische Gewinneinbrüche von 20 bis 30 Prozent vorhergesagt wurden. Die Institute vermeldeten zwar tatsächlich zum Teil deutliche Einbußen, den- noch schnitten Branchenriesen wie JP Morgan, Citigroup und Bank of America besser ab als von Analysten erwartet, was den Aktienkursen Auftrieb gab.
Für Aufsehen sorgte vor allem die Bank of America, die vom florierenden Zinsgeschäft profitierte. Dagegen machen den Instituten die Turbulenzen am Kapitalmarkt zu schaffen, vor allem das Investmentbanking lahmt. Zudem müssen sie für Zahlungs- und Kreditausfälle vorsorgen. Bei der Investmentbank Goldman Sachs hat die Flaute im Geschäft mit Übernahmen und Fusionen fast zu einer Gewinnhalbierung auf knapp drei Milliarden Dollar geführt. Das Geldhaus steht vor einem umfassenden Umbau. Da- bei wird das Kerngeschäft Investmentbanking neu ausgerichtet. Goldman Sachs will sich künftig auf die drei Geschäftsbereiche Vermögensverwaltung, Global Banking sowie Markt- und Plattformlösungen fokussieren.
Ist die Bilanzsaison durch, rückt für die Börsen schon ein weiterer wichtiger Termin näher: Am 8. November finden die sogenannten Zwischenwahlen (Midterms) statt. Historisch betrachtet ist der Aktienmarkt meist mit einer Seitwärtsbewegung in die Wahlen hinein- gegangen, während er in den Monaten danach zulegte.
Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 42/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.