Das waren selten vernommene Töne: Daniel Loeb, Chef des Hedgefonds Third Point und Disney-Großaktionär, brach eine Lanze für langfristigen Wertzuwachs und wandte sich gegen die Fokussierung auf kurzfristige Gewinne und die Dividende. In seinem Schreiben an Disney-CEO Robert Chapek Anfang Oktober nutzte Loeb einen Spruch der Investorenlegende Warren Buffett: Unternehmen bekämen die Aktionäre, die sie verdienen. Disney verdiene "an Wachstum interessierte, langfristig orientierte Investoren".
Loeb sieht die größte Kultmarke in der Unterhaltungsindustrie vor der wichtigsten Veränderung der Unternehmensgeschichte: die Verlagerung des Vertriebs von der Kinokasse in die Wohnungen. Zentral für diesen strategischen Schwenk sei der Streamingdienst Disney+, der sich direkt an Endkunden wendet. Im November 2019 gestartet, hat Disney+ nicht mal ein Jahr nach Gründung bereits rund 65 Millionen Abonnenten. Ursprünglich waren zwischen 60 und 90 Millionen Abonnenten erst innerhalb von fünf Jahren angepeilt.
Disney+ statt Dividende
Um dieses rapide Wachstum weiter zu forcieren und lukrativer zu machen, schlägt Loeb vor, die jährliche Dividende von rund drei Milliarden Dollar dauerhaft auszusetzen. Das Geld sei besser in der Produktion von Inhalten und in Zukäufe investiert, die das Endkundengeschäft von Disney+ stärken. Er verweist auf die Verfilmung des Musicals "Hamilton", die Disney zwei Millionen Abonnenten und Hunderte Millionen Dollar eingebracht habe, bei Kosten von etwa 75 Millionen Dollar.
Es gibt weitere Gründe für eine Konzentration auf Videos nach Bedarf. Das Geschäft mit Erlebnisparks liegt bedingt durch die Corona-Maßnahmen am Boden. Auch Kinos sind rund um den Globus noch immer geschlossen oder nur mit Einschränkungen geöffnet.
Der vorgeschlagene Strategieschwenk brächte Disney stärker als bisher in Konkurrenz etwa zu Netflix. Um aber zum Marktführer bei den Streamingdiensten aufzuschließen, muss sich Disney gehörig strecken. Loeb schätzt beispielsweise die Summe, die ein Disney-Kunde während der Laufzeit seines Abonnements dem Unternehmen bringt, auf etwa 100 Dollar. Für Netflix geht der Markt derzeit von einem Kundenwert über die Laufzeit des Abonnements von rund 1.200 Dollar aus.
Das liegt auch daran, dass pro Monat nur etwa zwei Prozent der Netflix-Kunden ihr Abo kündigen, weil der Nachschub an Inhalten sie lockt, dabeizubleiben. Zum Vergleich: Bei Disney springen monatlich rund fünf Prozent Abonnenten ab. Dabei sind die weltweit gut 190 Millionen Netflix-Abonnenten bereit, 13 Dollar im Monat zu zahlen, während es bei Disney+ lediglich 6,99 Dollar sind.
Nur wenige Tage nach dem Brief von Loeb reagierte Walt Disney. Das Unternehmen kündigte an, statt Inhalte gesondert für Fernsehen, Kino oder Streaming zu produzieren, werde in den Studios in Zukunft unabhängig von den Vertriebskanälen gearbeitet. Eine getrennte Abteilung entscheide, wie und wo die Inhalte vertrieben und monetarisiert werden.
Walt Disney wandelt sich. Auch wenn etwa Konkurrent Netflix enteilt zu sein scheint, ist der Start von Disney+ mehr als ein Achtungserfolg. Disney verfügt über eine starke Marke, ein umfangreiches Inhalteportfolio und besitzt Produktionsstudios mit Erfahrung im Massenmarkt. Zusammen mit den vorhandenen Streamingdiensten Hulu und ESPN+ steigt ein Schwergewicht in den Ring, das allerdings seine Kräfte noch weiter bündeln muss.
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