Bei manchen Banken ist der Kunde immer noch nicht König. Doch nicht jede Kröte müssen Verbraucher schlucken. Denn viele Gebühren für Konto und Co sind illegal. Von Michael H. Schulz
Das hat Ulrich Wiechers in 20 Jahren am Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht erlebt. "Über uns ist ein Tsunami an Revisionen hereingebrochen", sagt der Vorsitzende Richter des Bankensenats am BGH. Damit spielt er auf rund 100 anhängige Klagen gegen Banken an, die Bearbeitungsgebühren für Verbraucherkredite kassierten. Wiechers und seine Richterkollegen erklärten am 13. Mai die Klauseln in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Bonner Postbank und National Bank mit Sitz in Essen für rechtswidrig, weil sie Kunden unangemessen benachteiligen (Az. XI ZR 170/13, XI ZR 405/12). Betroffene können laut Verbraucherschützern, die sich auf eine Bundesbankstatistik berufen, insgesamt mit Erstattungen im zweistelligen Milliardenbereich rechnen.
Sie probieren es immer wieder: Im Kleingedruckten geben sich manche Banken nicht nur in puncto Gebühren erfinderisch. Änderungen der AGBs können Verbraucher zwar widersprechen, doch dann riskieren sie die Kontokündigung. Allerdings müssen sie auch nicht jede Kröte schlucken. Unrechtmäßig sind Gebühren zum Beispiel immer dann, wenn die Geldhäuser einen gesetzlichen Auftrag erfüllen. Auch sind Leistungen kostenfrei, die sie im eigenen Interesse ausführen. Also etwa bei der Anlageberatung, wenn sie für den Verkauf einer Geldanlage vom Anbieter eine Rückvergütung erhalten, diese aber verschweigen.
An anderer Stelle höhlen Banken legal den einklagbaren Rechtsanspruch auf die gesetzlich geregelte Absicherung der Spareinlagen aus. So etwa die Stadtsparkasse München: "Die Sparkasse haftet nicht für Schäden, die durch Verfügung von hoher Hand des In- und Auslands auftreten." Im Klartext: Wenn Vater Staat oder die Europäische Union zur Rettung von notleidenden Banken die Spareinlagen beschlagnahmen, kommt die Sparkasse nicht für den Schaden auf.
Weitere Fälle, in denen Banken nicht die Hand aufhalten dürfen:
Keine Gebühr fürs Kreditkonto
Banken dürfen für die Führung eines Kreditkontos von Privatkunden keine Gebühren kassieren. Die Kontoführungsgebühr sei weder ein Entgelt für die Gewährung des Darlehens noch für eine Sonderleistung der Bank (BGH, Az. XI ZR 388/10).
Rücklastschrift kostet wieder
Eigentlich hatte der BGH Gebühren für geplatzte Lastschriften veboten (Az. XI ZR 5/97). Doch durch die Hintertür infolge der Umstellung auf den einheitlichen Zahlungsverkehr, kurz Sepa, führte der Gesetzgeber die Gebühr wieder ein. Kleiner Trost: Viele Banken haben in der Vergangenheit die für Rücklastschriften und geplatzte Schecks rechtswidrig kassierten Entgelte ihren Kunden nicht erstattet, sondern kreativ in Schadenersatzforderungen umbenannt (Az. XI ZR 154/04). Ist die Verjährung noch nicht eingetreten, können sich Verbraucher die Gebühr erstatten lassen.
Unzulässiges Entgelt für P-Konto
Seit 2012 haben Verbraucher Anspruch darauf, dass ihr Girokonto bis zu einem Guthaben von 1045,04 Euro pro Monat als sogenanntes Pfändungsschutz- oder P-Konto geführt wird. Für Banken ist das oft eine Einladung zum Abkassieren. Sie erhöhen die Kontoführungsgebühr. Zu Unrecht, wie der BGH in drei Fällen urteilte (Az. XI ZR 260/12, XI ZR 145/12 und XI ZR 500/11).
Kein Wucher mit Kontoauszug
Hat ein Kunde Kontoauszüge verloren und die Bank muss nachträglich ältere Auszüge erstellen, darf sie dafür nicht pauschal 15 Euro pro Auszug berechnen. Entsprechende Klauseln in den AGBs der Commerzbank erklärte der Bundesgerichtshof für nichtig. Eine solche pauschale Umwälzung der Kosten auf die Kunden sei unangemessen und verstoße gegen das Bürgerliche Gesetzbuch (Az. XI ZR 66/13).
Nie Dispozins nach Gutsherrenart
Eine gesetzlich vorgeschriebene Deckelung des Zinses für den Dispositionskredit scheiterte bislang am Gesetzgeber. Immerhin erklärte der BGH 2009, dass Sparkassen sich nicht das einseitige Recht in den AGBs vorbehalten dürfen, die Dispozinsen nach eigenem Ermessen festzulegen. Konkret: Sind die Änderungsvoraussetzungen zur Senkung des Dispozinses unklar und enthält die Klausel keine Verpflichtung der Bank zur Senkung des Zinssatzes, obwohl die Kosten der Bank sanken, benachteiligt das Verbraucher unangemessen (Az. XI ZR 78/08).
Auch ist für viele Kontoinhaber in manchen Fällen immer noch nicht erkennbar, unter welchen Bedingungen die Geldhäuser den Dispozins anpassen. Ob sie sich dabei etwa an dem Leitzins der Europäischen Zentralbank oder, wie Verbraucherschützer fordern, an dem sogenannten Euribor orientieren. Letzterer ist der Zinssatz, der gilt, wenn sich Banken untereinander Geld leihen. So mussten 2012 einige Genossenschaftsbanken nach einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Dortmund zu viel gezahlte Dispozinsen zurückzahlen (Az. 25 O 132/11).
Keine Gebühr für Depotwechsel
Ob einzelne Wertpapiere oder gar das gesamte Depot von einer Bank zur anderen wechseln, dabei anfallende Kosten dürfen nicht auf Verbraucher abgewälzt werden. Die Herausgabe der Wertpapiere sei keine Dienstleistung, sondern der gesetzliche Auftrag der depotführenden Bank, stellte der BGH klar (Az. XI ZR 200/03, XI ZR 49/04). Die kostenlose Depotübertragung gilt auch für Fondsplattformen.
Grundschuldlöschung ist gratis
Ist ein Immobilienkredit, der mit dem Eigenheim grundpfandrechtlich besichert war, zurückgezahlt, können Eigentümer den Eintrag im Grundbuch löschen lassen. Das lohnt sich aber nur, wenn das Eigenheim später nicht noch mal als Sicherheit für einen Kredit dienen soll. Die Löschung der Hypothek oder Grundschuld müssen Banken bewilligen. Dafür dürfen sie keine zusätzliche Gebühr verlangen, urteilte der BGH (Az. XI ZR 244/90).
Risiken verheimlicht? Geld zurück
Banken müssen beim Verkauf von Anteilen an Offenen Immobilienfonds Anleger grundsätzlich ungefragt von sich aus über das Risiko der Aussetzung der Anteilrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären. Die vorübergehende Verweigerung der Rücknahme der Anteile kollidiere mit dem Liquiditätsinteresse der Anleger, urteilte der BGH (Az. XI ZR 477/12, XI ZR 130/13). Weil die Commerzbank beim Verkauf des Fonds Morgan Stanley P2 Value Anleger nicht von sich aus darüber aufklärte, ist sie schadenersatzpflichtig. Für den Branchendienst "Kapitalmarkt Intern" könnten "die Urteile einen beispiellosen Serienschaden bei Banken auslösen".
Schadenersatz wegen Kickbacks
Ungefragt müssen Banken auch Provisionsrückvergütungen, die sie etwa von Fondsgesellschaften dafür erhalten, dass Anleger einen bestimmten Fonds zeichnen, gegenüber Kunden offenlegen. Klärt die Bank sie nicht über den Erhalt dieser sogenannten Kickbacks auf, liegt darin eine Verletzung der Beratungspflicht. Damit schuldet die Bank Anlegern grundsätzlich Schadenersatz (Az. XI ZR 262/10)