Erst forsche Töne, dann eine verpatzte Wahl und immer mehr Zeitdruck. Theresa May stolpert in die Verhandlungen mit der europäischen Union um die Brexit-Bedingungen. Wirtschaftsführer und Anleger machen sich ernsthaft Sorgen. Das Pfund notiert seit dem Brexit um zehn Prozent niedriger.

Die schlechte Stimmung ist gut für Value-Investoren. Wo andere sich abwenden, schauen sie genauer hin, weil sie Chancen wittern. Zumal, wenn man die Sache nüchtern sieht: Der Handel zwischen Großbritannien und der Europäischen Union wird auch nach einem Brexit weitergehen.

Es gibt in Großbritannien Unternehmen, die vom Brexit relativ unbeeinflusst sind oder sogar von ihm profitieren werden.
Prof. Dr. Max Otte


Ein Unternehmen, das wir schon länger auf dem Radar haben, ist Rolls-Royce. Der Hersteller von Flugzeugtriebwerken hatte 2016 kein leichtes Jahr. Trotz Umsatzsteigerung um fast neun Prozent schrieb das Unternehmen rote Zahlen. Unter anderem führte die Abwertung des Pfunds nach dem Brexit-Referendum zu einer Buchbelastung. Nun bessert sich aber die Situation. Der Umstrukturierungsplan trägt Früchte, der Aktienkurs stieg bereits deutlich. In der zivilen Luftfahrt generiert Rolls-Royce gut die Hälfte des Umsatzes. Und auch wenn der Konzern in den anderen Geschäftsbereichen Rückgänge hinnehmen musste - in diesem wichtigen Hauptsegment sind die Auftragsbücher randvoll. Ich bin von der Langfristperspektive des Unternehmens überzeugt. Mit einem geschätzten KGV von 26 für 2017 ist Rolls-Royce nicht billig, aber die Gewinne des Unternehmens sollten in den nächsten Jahren deutlich steigen.

Weitaus günstiger ist die Aktie des Outsourcing-Dienstleisters Capital. Das Unternehmen betreibt Callcenter, das Mautsystem in London und viele Dienstleistungen für die öffentliche Verwaltung sowie für Finanzunternehmen. Der Kurs fiel von 13,2 Pfund im Sommer 2015 auf 4,78 Pfund Ende 2016 - ein Minus von über 60 Prozent. Durch den Kauf einiger deutscher Callcenter war die Bilanz temporär mit Schulden belastet. Dann traten Probleme mit dem Mautsystem auf. Und schließlich kam der Brexit. Drei Schläge ins Kontor. Das Management von Capital hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es sein Geschäft versteht. Als Dividendenkönig hat das Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren nie seine Dividende gesenkt und meistens gesteigert. Durch den Verkauf eines Geschäftsbereichs wird die Bilanz bereinigt. So hat der Kurs vom Tief schon um 30 Prozent angezogen, aber da ist noch Luft. Mit einem KGV von 13 für das nächste Jahr und einer Dividendenrendite von 4,6 Prozent hat die Aktie von Capital mindestens noch 20 Prozent Luft nach oben.

Noch günstigere Bewertungskennzahlen finden sich bei Englands größter Pub-Kette Greene King. Zwar kämpft die Pub-Branche mit mangelnder Trinklust vor allem bei jungen Briten, die weniger an der Pub-Tradition hängen. Aber selbst in einem stagnierenden Markt hat Greene King mit über 3000 Filialen großes Potenzial. Noch werden 40 Prozent aller Pubs in England von Einzelunternehmern oder kleinen Betreibern gemanagt. Große Ketten können Effizienzvorteile heben. Mit einem KGV von zehn und einer Dividendenrendite von geschätzten 5,6 Prozent für das nächste Jahr ist die Aktie wirklich attraktiv.

Max Otte: Der in Princeton promovierte Ökonom lehrte nach Tätigkeiten an den Hochschulen Worms, Boston und Würzburg zuletzt an der Universität Graz. Er ist ordentlicher Professor an der Hochschule Worms und als Vermögens- und Fondsberater tätig. Otte ist Mitbegründer des Instituts für Vermögensentwicklung und des Zentrums für Value Investing. Er schreibt an dieser Stelle jeden Monat über die aktuelle Börsenentwicklung und Leitlinien für erfolgreiches Anlegen.

Hinweis: Die von Max Otte beratenen Fonds Max Otte Vermögensbildungsfonds und PI Global Value Fonds sind in Rolls-Royce, Capital und Greene King investiert.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des wöchentlichen Börsenbriefes DER PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer sowie Hauptgesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH.