Das Thema Niedrig- und Negativzinsen bewegt Banken und Investoren. Die Situation ist derart paradox, dass einige Schuldner mittlerweile Geld bekommen, wenn sie Kredite aufnehmen. Dazu gehört vor allem der Schuldner Bundesrepublik Deutschland. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat berechnet, dass deutsche Staatsanleihen im Wert von rund 630 Milliarden Euro negativ verzinst werden.
Es ist angesichts des gerade gestarteten Anleihekaufprogramms der Europäischen Zentralbank (EZB) sehr wahrscheinlich, dass sich dieses Volumen in den nächsten Monaten deutlich erhöhen wird. Die EZB wird nämlich für ihre umstrittene Maßnahme vor allem Euro-Staatsanleihen mit erstklassiger Bonität kaufen. Die zusätzliche Nachfrage wird die Preise für diese Papiere weiter nach oben treiben. Damit fallen Staatsanleihen als Anlagealternative auf unabsehbare Zeit aus.
Banken kämpfen selbst mit den niedrigen Zinsen, denn sie drücken ihre Margen im Anlage- und Kreditgeschäft so stark, dass sie immer weniger verdienen. Selbst mit der früher so populären Fristentransformation (Teile der kurz- und mittelfristigen Einlagen als langfristige Kredite zu vergeben) ist kaum noch ein Blumentopf zu gewinnen. Die Kreditnachfrage ist gering, auch weil Unternehmen lernen, sich ohne Banken zu refinanzieren. Auskömmliche Margen sind für viele Banken nur noch gegen die Inkaufnahme höherer Risiken möglich.
Was aber machen die Anleger, die regelmäßig sparen wollen und entweder keine oder negative Zinsen erhalten? Aus vielen persönlichen Gesprächen weiß ich, dass das Interesse trotz oder besser wegen der negativen Zinsen an Fragen der Geldanlage deutlich gestiegen ist. Mittlerweile, so mein Eindruck, nimmt das Bewusstsein zu, dass höhere Zinsen nur mit höherer Risikobereitschaft erzielt werden können.
Auf Seite 2: Vermögensaufbau mit FinTech
Schaut man dann in die Finanzwelt, welche Alternativen für den Vermögensaufbau in der jetzigen Situation geboten werden, dann fällt einigen Banken nichts Besseres ein, als erneut um staatliche Unterstützung zu bitten. Mehrfach hörte man in den vergangenen Wochen - insbesondere aus dem Sparkassensektor - den Vorschlag, der Staat möge das Sparen mit einer staatlichen Prämie unterstützen.
Hier reibe ich mir verwundert die Augen. Nach Auffassung des Deutsche Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) gefährden die niedrigen Zinsen die Sparkultur in Deutschland. Eine ganze Generation könne nun zu Verlierern der persönlichen Altersvorsorge zu werden. Konkret fordert der DSGV Verbesserungen bei vermögenswirksamen Leistungen und der Riester-Rente. Anstatt das Risikobewusstsein auch für die Altersvorsorge zu schärfen (wie es viele Sparkassen und auch die Deka eigentlich ganz gut machen), wird hier wieder einmal schwarz gemalt und staatliche Hilfe gefordert.
Dabei bieten auch hier leider noch viel zu wenig bekannte Anbieter aus dem Umfeld der Financial Technologie (FinTech) hilfreiche Unterstützung beim Vermögensaufbau an. Beispiele dafür sind etwa Vaamo und Easyfolio. Und sie machen ihre Leistungen in einer Weise verständlich, die auch diejenigen anspricht, die sonst nicht viel mit Börsen zu tun haben wollen.
Beiden Plattformen scheinen sich etwas von der Philosophie von Apple abgeschaut zu haben. Steve Jobs interessierte bei den Produkten, die Komplexität für den Kunden so stark wie möglich zu reduzieren und die Produkte aus der Sicht der Kunden zu entwerfen. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was viele Banken und Broker bei der Geldanlage machen. Für Apple steht die Benutzererfahrung im Vordergrund.
Auf Seite 3: So funktionieren die Anbieter
Hinter den Konzepten von Vaamo und Easyfolio steht komplizierte Finanzmathematik. Beide Plattformen gelingt es aber Anleger vor diese Technik abzuschirmen und die Kapitalanlage aus Sicht des Anlegers zu konzipieren. Sie bieten das, was man im Fachslang heute als Robo-Advisory bezeichnet. Auf einfache und hoch standardisierte Fragen an den Anleger nach seinen Anlagezielen und seiner Risikoneigung, erstellen Algorithmen eine Anlageempfehlung. Diese können auf Wunsch auch gleich in konkrete Produkte angelegt werden.
Bei Vaamo legt man zum Beispiel einen Traumurlaub als Anlageziel fest, nennt den dafür benötigten Betrag und gibt Auskunft über seine Risikobereitschaft. Daraus wird dann eine monatliche Sparrate berechnet und der Zielkorridor, in dem sich der Zielbetrag voraussichtlich bewegen wird. Wer mehr über die Risiken wissen will, den klärt Vaamo nach den gesetzlichen Vorgaben auf. Nach nur einem weiteren Klick ist man bereits bei der konkreten Anlagemischung. Ein weiterer Klick genügt, und man hat einen Sparplan eröffnet. Einfacher geht es nicht, vorausgesetzt man hat sich vorher bereits registriert und ein Konto eröffnet.
Genau an dieser Schnittstelle wird es dann aber für einige Anleger verwirrend, denn die Depoteinrichtung erfolgt nicht bei Vaamo, sondern bei der FIL Fondsbank (FFB), die aber kaum ein Anleger kennen dürfte. So einfach und pfiffig das Konzept ist, den Bruch von Vaamo hin zur FFB verstehen viele nicht. Klar, diese Zusammenarbeit hat regulatorische, technische und organisatorische Gründe. Wollte Vaamo selbst Depotbank sein, hätte das Unternehmen deutlich höhere Hürden zu überwinden, um einen entsprechende Lizenz zu erlangen. So können die Anleger aber sicher sein, dass ihre Gelder nach den gesetzlichen Vorgaben sicher verwahrt werden.
Das Grundprinzip von Easyfolio ist ähnlich. Das Unternehmen stellt aber eher auf langfristige Anlageziele bzw. die Altersvorsorge ab. Dazu sind die Fragen etwas differenzierter, was eine bessere Einschätzung ermöglicht. Am Ende steht dann die Empfehlung einer bestimmten Anlagemischung, den sogenannten Easyfolios. Das sind Dachfonds, die die Anlagegelder in drei verschiedenen Risikoklassen am Ende in verschiedene Exchange Traded Funds (ETFs) investieren. Hier ist der Vorteil, dass jeder Anleger diese Easyfolios bei seinem eigenen Broker kaufen kann. Wer also bereits ein Depot hat, braucht nicht den bei Vaamo notwendigen Eröffnungsprozess durchzugehen.
Auf Seite 4: Stärken und Schwächen
Vorsichtig bin ich mit dem Attribut der Wissenschaftlichkeit der Anlagemethoden. Man kann mit wissenschaftlich fundierten Methoden zwar ein Portfolio zusammensetzen. Wissenschaftlich bedeutet aber nicht, dass die Anlagen frei von Risiken sind. Das behauptet aber auch keiner der neuen Anbieter. Es geht hier hauptsächlich darum, Risiken möglichst sinnvoll zu streuen. Einen Erfolg können beide natürlich nicht garantieren. Aber um jemanden, der eine hohe Verzinsung ohne Risiko verspricht, sollten Anleger ohnehin einen großen Bogen machen.
Beide Plattformen haben Stärken und Schwächen. Methodisch kann man sich, wie bei jeder Anlageempfehlung, trefflich über die Details streiten. Und natürlich gibt es Puristen, die sagen, das kann man auch selbst machen. Ja, kann man, aber die Fachleute und Puristen sind gar nicht die Zielgruppe solcher Angebote. Angesprochen werden die Anleger, die sich gerade nicht mit dem aufgeblasenen Fachchinesisch der Kapitalmärkte befassen wollen.
Trotz dieser Vorzüge ist längst nicht klar, ob die einfache Benutzererfahrung auch im Finanzwesen funktioniert. Beide Anbieter arbeiten nur mit geringen Marketingbudgets. Bekannt sind die Plattformen daher vorwiegend in Fachkreisen und ausgerechnet bei den Anlegern, die sie nicht brauchen.
Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.