"Der Sieg der Konservativen ist eine gute Nachricht für die Aktienmärkte", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Bis Ende 2020 werde es zwar noch nichts mit einem Freihandelsabkommen. Mit einer deutlichen Parlamentsmehrheit im Rücken könne Johnson die EU jedoch um mehr Verhandlungszeit bitten. "Und solange die Briten verhandeln, bleiben sie im Binnenmarkt. Ich bin entspannt", sagte Krämer.

Die Aussicht auf einen Ausweg aus dem Brexit-Dilemma und die positiven Signale im Handelsstreit USA-China lösten am Freitag ein Kursfeuerwerk an den Börsen aus. Das Pfund kletterte auf ein Eineinhalbjahreshoch von 1,3514 Dollar. Zum Euro markierte es mit 1,2079 sogar den höchsten Stand seit dreieinhalb Jahren.

An der Londoner Börse profitierten insbesondere Finanztitel und Immobilienwerte. In der Hoffnung auf eine Marktbelebung legte der britische Immobilienindex um fast sieben Prozent auf ein Vierjahreshoch zu. Die Zuwächse bei Banken- und Reise-Indizes lagen bei vier Prozent. "Der Markt erwartet einen kleinen Boris-Boom", hieß es.

In die positiven Reaktionen mischten sich auch vorsichtigere Töne, dass der Weg in Richtung Freihandelsabkommen holprig sein könnte. "Die Verhandlungen dorthin werden vermutlich noch komplexer als die bisherigen zum EU-Austritt, glaubt etwa VP-Bank-Chef-volkswirt Thomas Gitzel. Und Donner&Reuschel-Chefökonom Carsten Mumm hält es bei Verzögerungen sogar für möglich, "dass auch das Szenario eines ungeregelten Brexits wieder auf die Agenda kommt". Zumindest dürfte der Brexit-Prozess auch 2020 je nach Verhandlungsstand für Bewegung an den Märkten sorgen.

Wirtschaft drängt zur Eile


Führende deutsche Wirtschaftsverbände verlangten am Freitag den raschen Abschluss eines Freihandelsabkommens. "Die EU und Großbritannien müssen mit Hochdruck daran arbeiten und es bis Ende 2020 abschließen", forderte etwa Thilo Brodtmann vom Maschinenbauverband VDMA. "Gelingt dies nicht, gehen die mit einem harten Brexit verbundenen Diskussionen und Unsicherheiten Ende 2020 wieder los. Das muss unbedingt vermieden werden."

Ähnlich sieht das auch Commerzbank-Ökonom Krämer. Ohne Freihandelsvertrag käme es zu Zöllen zwischen der EU und Großbritannien - "und damit doch zu einem wirtschaftlich harten Brexit". Aber dieses Risiko, so Krämer, werde Johnson nicht eingehen. "Wir erwarten am Ende ein umfassendes Freihandelsabkommen, auf das sich die Unternehmen dann im Warenhandel verlassen -können."

Der Handel zwischen Großbritannien und der EU ist mit -einem Volumen von 447 Milliarden Euro vergleichbar mit dem zwischen dem Euroraum und den USA (517 Milliarden Euro) und dem zwischen USA und China (559 Milliarden Euro).

Auf die Performance einzelner DAX-Aktien hatten die Brexit-Turbulenzen in den vergangenen drei Jahren dagegen kaum Auswirkungen. "Dabei sollte es bleiben, selbst wenn es bis zum angestrebten Austritt Ende Januar noch zu Problemen kommen sollte", glaubt Commerzbank-Experte Krämer. Bei den meisten DAX-Konzernen liegt der Umsatz- und Vorsteuerergebnis-Anteil Großbritanniens bei unter zehn Prozent. Die größten Umsatzanteile haben Eon und RWE mit über 20 Prozent, Anteile von über zehn Prozent haben noch SAP, Deutsche Post und BMW. Viele Unternehmen haben zudem Vorkehrungen getroffen und sich auch -gegen ein schwächeres Pfund abgesichert