BÖRSE ONLINE: Was erwarten Sie für Volkswagen unter dem neuen Konzernchef Herbert Diess?


Ferdinand Dudenhöffer: Dass er sich in der schwierigen VW-Konzernstruktur durchsetzen kann, hat Herbert Diess doch schon als Markenchef bewiesen. Diess wird seine Sache als Vorstandschef in Wolfsburg gut machen, davon bin ich überzeugt. Er wird die neue Ausrichtung des Konzerns vorantreiben, und er wird die Nutzfahrzeugesparte abspalten. Die Unberechenbarkeit des Konzerns liegt weiterhin in der Konzern- und Gesellschafterstruktur.

Die auch zum plötzlichen Abgang von Vorstandschef Matthias Müller geführt hat.


Ja. Die Bilder könnten doch nicht unterschiedlicher sein: Deutsche Bank Chef John Cryan wurde gefeuert, weil er die Verluste nicht stoppen konnte. VW hat sein bestes Verkaufsjahr, Bilderbuchgewinne, eine umwälzende strategische Neuausrichtung und endliche eine moderne Unternehmenskultur - und der Aufsichtsrat feuert den Chef.

Die Deutsche Bank hat auch keine einfache Gesellschafterstruktur, mit US-Fonds, Scheichs und einem klammen chinesischen Mischkonzern als Großaktionäre. Von der Kultur ganz zu schweigen.


Die Deutsche Bank hat, sagen wir es mal so, eine "normale" Gesellschafterstruktur. Bei VW hängt die Gesellschafterstruktur völlig schief. Ein übermächtiger Betriebsrat und die IG-Metall, der Politiker Weil, eine nicht immer ganz harmonische Familie und ein merkwürdiges VW-Gesetz bilden eine spezielle Gemengelage. Ein undiplomatisches Wort zu Managergehältern oder Affentests kann in so einem Umfeld den Vorstandschef den Job kosten.

Dass der mächtige Betriebsratsschef Bernd Osterloh jetzt seinen Vertrauten Gunnar Kilian im Vorstand installiert hat, macht die Sache für Diess doch auch nicht einfacher?


Wenn der Betriebsratschef seinen Vertrauten zum Personalvorstand hochhievt, kann man nur noch den Kopf schütteln. Mit diesen personellen Weichenstellungen der Arbeitnehmerseite wird der Volkswagen-Konzern noch zentralistischer, als er ohnehin schon ist.

Welche Folgen könnte das haben?


Je mehr Einfluss die Arbeitnehmerseite hat, umso mehr muss sie mit Gegengeschenken versorgt werden. Das Risiko für Skandale nimmt dadurch weiter zu. Früher sind die Mitglieder des Betriebsrates mit finanziellen Zuwendungen, Luxusreisen und Dienstleistungen von Prostituierten bestochen worden. Ich erwarte, dass es für den Konzern jetzt eine Weile rund läuft. Aber dann bricht wieder irgendetwas auf. Der nächste Skandal ist praktisch programmiert.

Worauf muss sich Diess einstellen?


Unterschätzen Sie Diess nicht. Er ist taff, er wird einen neuen Zug in den Konzern reinbringen, auch wenn die Strukturen schwieriger werden. Die größere Eigenständigkeit der Marken wird dabei von Vorteil sein.

Was bedeutet das für das künftige Geschäft von VW?


VW wird erfolgreich sein. Der Konzern wird noch mehr Autos verkaufen, noch schneller in die Elektromobilität gehen, und sie werden die Rendite weiter nach oben treiben.

Die Nutzfahrzeugesparte Truck & Bus wird in eine kapitalmarktfähige AG umgewandelt und soll so für einen Börsengang vorbereitet werden, an dem VW aber mehrheitlich beteiligt bleiben will. Welche Bedeutung hat dieses Geschäftsfeld künftig für Volkswagen.


Schwer zu sagen, in welche Richtung das langfristig geht. Ich denke, VW wird mehrheitlich beteiligt bleiben, für den Konzern wird das aber mehr ein langfristiges Anlageobjekt sein, eine Art Vermögenswert, den man bei Bedarf aber auch mal verkaufen kann.