ULRICH KATER, CHEFVOLKSWIRT DEKABANK:
"Die Fed geht auf Nummer sicher. Sie will ihre bisherigen Erfolge bei der Stärkung der US-Wirtschaft nicht aufs Spiel setzen, indem sie mitten in die gegenwärtigen globalen Unsicherheiten die Zinsen erhöht. Viele Schwellenländer haben erhebliche Probleme bei der Konjunktur und in ihren Finanzsystemen. Das soll durch eine US-Zinserhöhung nicht noch verstärkt werden. Diese Risiken werden sich erst in den kommenden Wochen besser einschätzen lassen, so dass zwar ein Zinsschritt in diesem Jahr immer noch möglich ist. Die Entscheidung verdeutlich aber, dass ein Ausstieg aus der Nullzinswelt sehr mühsam ist und sehr lange dauern wird. Die Finanzmärkte sehen dies ebenso und haben daher nur moderat auf die Zinsentscheidung reagiert."
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK LIECHTENSTEIN:
"Die US-Notenbank hielt still. Dies war an den Finanzmärkten so auch mehrheitlich erwartet worden. Es gab keinen akuten Grund an der Zinsschraube zu drehen. Eine Leitzinserhöhung im Dezember bleibt das wahrscheinlichste Szenario. Die Fed dürfte vorerst noch weiter abwarten wollen. Im Dezember sollte es aber dann soweit sein. Reagiert Janet Yellen und ihre Kollegen auch nicht zum Jahresende, verspielen die Notenbanker ihre Glaubwürdigkeit."
ALEXANDER ERDLAND, PRÄSIDENT DES GESAMTVERBANDES DER DEUTSCHEN VERSICHERUNGSWIRTSCHAFT (GDV):
"Wir hätten uns eine Entscheidung gewünscht, als erstes Zeichen der Hoffnung, dass die Zinswende auch bei uns etwas näher rückt. Umso mehr erwarten wir im Dezember die Wende in den USA. Sie wäre ein deutliches Zeichen für die Märkte weltweit. Für die Vorsorge-Sparer und langfristigen Kapitalanleger ist es zentral, dass die Geldpolitik der Fed wieder in normales Fahrwasser kommt. Dafür ist es im Dezember noch nicht zu spät."
HOLGER SANDTE, EUROPA-CHEFVOLKSWIRT NORDEA:
"In der Fed ist man sich unsicher, wie stark die Inflation tatsächlich steigen wird. Diese Unsicherheit wird sich in den kommenden Monaten nicht unbedingt legen. Der Wille zur Zinserhöhung ist zwar nach wie vor da, aber er kann in den nächsten Monaten durchaus schwinden. Auch wenn der Leitzins in den nächsten Monaten steigt - der Zinserhöhungspfad wird wahrscheinlich flach ausfallen, denn einen zu starken Dollar kann die Fed nicht wollen."
ANDREAS BLEY, CHEFVOLKSWIRT DEUTSCHE VOLKS- UND RAIFFEISENBANKEN:
"Leider hat die Fed die lange überfällige Leitzinserhöhung noch einmal herausgeschoben. Die Konjunktur hat sich in den USA weitgehend normalisiert. Dazu passt kein Leitzins nahe null. Die Fed sollte im Dezember den Mut haben, den Leitzins anzuheben, auch wenn die Teuerung dann noch auf einem niedrigen Niveau verharrt. Der Preisanstieg dürfte wieder zunehmen, wenn die Energiepreise allmählich wieder anziehen. Auch im Euro-Raum dürfte sich die Inflation im kommenden Jahr wieder normalisieren und die wirtschaftliche Erholung fortsetzen. Für Sorgen vor einer Deflation besteht daher trotz des niedrigen Preisanstiegs kein Anlass."
BRIAN REHLING, WELLS FARGO:
"In unseren Augen ist das die richtige Entscheidung. Die Inflationsdaten stützen derzeit noch keine Zinserhöhung. Auch die globalen Turbulenzen sprechen für diese Entscheidung.
Ein bisschen enttäuscht bin ich über die Hinweise auf die Zukunft. Ich hatte mit etwas mehr Andeutungen auf den Zeitpunkt für einen Zinsschritt erhofft. Es gab aber nicht sehr viele Signale."
MARCEL FRATZSCHER, PRÄSIDENT DIW-INSTITUT:
"Die Entscheidung der US-Notenbank ist enttäuschend und nicht konsequent. Die Fed hat sich vom großen Druck der Finanzmärkte beeindrucken lassen. Eine Nullzinspolitik ist nicht mehr angebracht, da die US-Volkswirtschaft nicht mehr in der Krise ist. Wachstum, Beschäftigung und Inflationserwartungen deuten alle auf eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung in den USA hin.
Auch bei einer ersten Zinserhöhung wäre die Geldpolitik der USA noch immer extrem expansiv gewesen. Jede geldpolitische Entscheidung enthält Risiken. Die Risiken einer zu frühen Zinserhöhung und negativer Effekte für Schwellenländer steht das größere Risiko für die Finanzstabilität gegenüber. Die US-Notenbank muss in den kommenden zwei Jahren die Zinsen nachhaltig anheben, um nicht den gleichen Fehler der 2000er-Jahre, in der eine Zinserhöhung zu lange herausgezögert wurde, zu wiederholen.
Die größte Gefahr für die Finanzmärkte ist nicht eine Zinserhöhung der US-Notenbank, sondern eine anhaltende Unsicherheit über den geldpolitischen Kurs der USA. Die Entscheidung der US-Notenbank diese Woche hat die Unsicherheit über den künftigen geldpolitischen Kurs nicht reduziert, sondern weiter erhöht."
LIANA BUCHHOLZ, HAUPTGESCHÄFTSFÜHRERIN BUNDESVERBAND ÖFFENTLICHER BANKEN (VÖB):
"Die amerikanische Notenbank verzögert die Zinserhöhung und spielt mit ihrer Glaubwürdigkeit. Obwohl die Fed eines ihrer erklärten Ziele, die Vollbeschäftigung, nahezu erreicht hat, traut sie es der US-Konjunktur noch nicht zu, eine erste Zinserhöhung zu verkraften. An den Märkten verlängert die Fed durch ihr Zögern die Unsicherheit über die lang erwartete Zinswende in den USA.
Von einer Zinserhöhung für Europa ist auch die Europäische Zentralbank (EZB) noch weit entfernt. Vor einem ersten Zinsschritt - frühestens im Jahr 2017 - muss zunächst das Anleihen-Kaufprogramm enden. Ob dies bereits, wie zunächst angedeutet, im Herbst 2016 der Fall ist, erscheint heute unwahrscheinlich. Die extreme Niedrigzinsphase in Europa wird uns somit noch länger begleiten."
BOB MICHELE, JPMORGAN ASSET MANAGEMENT:
"Ich bin alles andere als überrascht. Es hätte mich schockiert, wenn die Fed ihre Zinsen angehoben hätte. Denn der Markt wäre darauf alles andere als vorbereitet gewesen."
VOLKER TREIER, DIHK-AUSSENWIRTSCHAFTSCHEF:
"Wir wünschen uns Zeiten, in der auch Zinserhöhungen möglich sind. Eine US-Zinserhöhung zum jetzigen Zeitpunkt wäre aber gefährlich gewesen, weil wir vielen globalen Krisenherden ausgesetzt sind - von China bis Brasilien. Viele Schwellenländer befinden sich in einer Konjunkturkrise. Mit einer US-Zinserhöhung wäre der Kapitalabfluss aus diesen Schwellenländern noch größer als ohnehin schon.
Die robuste Konjunktur und der verbesserte Arbeitsmarkt in den USA legen nahe, dass die Zinswende nicht außer Reichweite ist. Nach wie vor ist der Preisdruck über Lohnerhöhungen aber recht gering, so dass Eile nicht geboten ist. Irgendwann wird und muss die Zeit des billigen Geldes auch enden."
OTMAR LANG, CHEFVOLKSWIRT TARGOBANK:
"Seit zwei Jahren prognostizieren Analysten weltweit den Beginn eines Zinsanhebungszyklus in den USA - und immer wieder wird dieser verschoben. Klar rechnen auch wir irgendwann mit einem Zinsschritt. Aber wir glauben nicht, dass damit auch tatsächlich langfristig eine Schubkraft für die Kapitalmärkte verbunden wäre. Denn eine Erhöhung würde ohnehin nur im minimalen Bereich erfolgen - das würde dann sicher auch für die weiteren Folgeschritte in den kommenden Monaten gelten.
Eine andere Taktik kann sich die USA auch gar nicht erlauben. Sie ist im Prinzip gefangen in ihrer eigenen Zinsstarre - denn eine tatsächliche Wende in der Politik des billigen Geldes könnte die Erholung am US-Immobilienmarkt ins Wanken bringen. Außerdem würde bei steigenden US-Zinsen und gleichzeitig einem Null-Zins-Kurs in der restlichen Welt der US-Dollar sehr stark an Wert gewinnen. Zwei Konsequenzen wären dann naheliegend: Zum einen brächen die US-Exporte weg; zum anderen würden aus den Schwellenländern sehr hohe Geldbeträge abfließen und dort einen dramatischen konjunkturellen Einbruch herbeiführen. Und das könnte die gesamte Weltwirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen. Wir sind der Überzeugung, dass die US-Notenbank nicht bereit ist, diese Risiken einzugehen."
Reuters