Weltweit treiben die Staaten die Energiewende voran. Fossile Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas sind Auslaufmodelle. Die Europäische Union will bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden und dafür allein in den kommenden zehn Jahren rund eine Billion Euro springen lassen. Damit verbindet die EU auch ökonomische Motive: "Diejenigen, die zuerst und am schnellsten handeln, werden auch die Chancen des ökologischen Wandels nutzen", sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Auch für US-Präsident Joe Biden hat der Schutz des Klimas oberste Priorität: Bis 2035 soll die Energieversorgung der USA klimaneutral sein, bis 2050 das ganze Land. Die Vereinigten Staaten sind wieder dem Pariser Klimaabkommen beigetreten, das Vorgänger Donald Trump verlassen hatte. Es verpflichtet alle 190 Mitgliedsstaaten dazu, nationale Beiträge zum Klimaschutz einzureichen. So soll der Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden.
Um das zu erreichen, steht neben der umstrittenen Kernenergie eigentlich nur der sogenannte grüne Wasserstoff bereit, der mithilfe von erneuerbaren Energien erzeugt wird. Entsprechend könnten viele von den Hunderten von Milliarden Euro, die in die Energiewende investiert werden, in dieses Segment fließen.
Insbesondere wenn es um alternative Antriebe für Autos und Nutzfahrzeuge geht, hoffen viele auf Wasserstoff, schließlich sind damit bessere Reichweiten und schnellere Tankfüllungen möglich als bei batteriebetriebenen Elektroautos. Skeptiker halten das Thema hingegen für einen aufgeblasenen Hype. Für die einen bieten Wasserstoff-Aktien fantastische Perspektiven, für die anderen sind die Papiere maßlos überteuert. Wie die Wette ausgehen wird, wird die Zukunft zeigen. Wer sich daran beteiligen will, findet entlang der Wertschöpfungskette einige aussichtsreiche Titel. Gute Nerven sind unverzichtbar, denn die Aktien schwanken stark, wie die jüngste Korrektur zeigt.
Bei der Elektrolyse wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Dieser chemische Prozess erfolgt in Elektrolyseuren, dabei muss Energie zugeführt werden. Stammt der Strom dazu aus erneuerbaren Energien, sodass kein Kohlendioxid (CO2) bei der Produktion anfällt, spricht man von grünem Wasserstoff. Nur diese Variante hat eine echte Perspektive: "Die Zukunft gehört allein dem grünen Wasserstoff", sagt etwa Anja Karliczek, Bundesministerin für Bildung und Forschung. Sie schwärmt: "Mithilfe von Wasserstoff kann man das Kohlendioxid unschädlich machen. Das Potenzial von Wasserstoff ist also fantastisch."
Kein Wunder, dass die Aktie des norwegischen Wasserstoffproduzenten Nel Asa in einschlägigen Internetportalen regelmäßig das Ranking der meistgesuchten Werte anführt. Das Unternehmen aus Oslo hat bereits jahrzehntelange Erfahrungen mit Elektrolyseuren gesammelt und setzt auch auf Partnerschaften.
Erst kürzlich konnten die Norweger in Spanien punkten: Dort hat Iberdrola, einer der größten Energieversorger der Welt, ein Projekt zur Errichtung einer großen grünen Wasserstoffanlage gestartet und arbeitet dabei mit Nel Asa zusammen. Die Anlage soll die Energie für die Produktion von Dünger liefern. Nicht nur wegen dieses Projekts beurteilen Analysten die Perspektiven von Nel Asa gut: Sowohl die US-Großbank Citi als auch die norwegische Investmentbank Arctic Securities haben die Aktie kürzlich als Kauf eingestuft.
Komplexe Transporttechnik
Grüner Wasserstoff wird vor allem in sonnen- und windreichen Regionen produziert werden. Von dort muss er zum Ort der Verwendung transportiert und bis zum Verbrauch gespeichert werden. Dies geschieht in der Regel unter hohem Druck oder in flüssiger Form in Stahlbehältern, was technisch komplex ist.
Größere Konzerne mit Know-how in ähnlichen Bereichen und mit ausreichend Entwicklungskapazitäten haben die größeren Chancen, dauerhaft am Markt zu bestehen, da sie Rückschläge und Durststrecken eher verkraften, etwa Hexagon Composites. Der norwegische Spezialist für Hochdruckbehälter und -systeme hat Ende 2020 seine Aktivitäten im Bereich Wasserstoffmobilität und Batteriesysteme in der Geschäftseinheit Purus gebündelt und als Hexagon Purus an die Börse gebracht. Durch ein Investment in die Konzernmutter, die noch drei Viertel der Anteile an Hexagon Purus hält, können Anleger vom Wasserstoffboom profitieren. Zugleich mindern sie das Investitionsrisiko durch die breitere Produktpalette von Hexagon Composites.
Japan zählt in Sachen Wasserstoff zu den führenden Ländern, gerade im Autosektor. Für den Ausbau des Tankstellennetzes ist der Mischkonzern Iwatani verantwortlich. Als integrierter Wasserstoffanbieter bietet Iwatani die Möglichkeit, am Aufschwung der Zukunftstechnik teilzuhaben. Als Mischkonzern weist er ein vergleichsweise risikoärmeres Investitionsprofil auf.
Die Risiken im Blick
Auf dem Weg zu einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur kommt man am Industriegase-Riesen Linde nicht vorbei. Der Konzern kann die gesamte Wertschöpfungskette beim Thema Wasserstoff abdecken. Für ihn wie für Iwatani gilt, dass Wasserstoff nur einen Teil des Geschäfts ausmacht. Die Risiken eines Einstiegs sind daher begrenzt. Linde ist aufgrund seiner Größe in der Lage, die Aktivitäten auszuweiten, wenn die Industrie die Aufbauphase hinter sich gelassen hat.
Das Herzstück der Wasserstoffnutzung ist die Brennstoffzelle. Hier wird die im Wasserstoff gebundene Energie in Strom oder Wärme gewandelt. Übrig bleibt Wasser. Brennstoffzellen arbeiten mit sehr hohem Wirkungsgrad und sind wartungsarm.
Mittlerweile tummeln sich etliche Hersteller auf dem Markt, die daran interessiert sind, ihre Forschungs- und Entwicklungskosten durch Projekte mit verschiedenen Partnern zu senken. Denn die Produktionskosten müssen runter, will die Technik mehr sein als eine Zukunftsvision. Einer der Marktführer ist Ballard Power. Die Kanadier produzieren ihre Brennstoffzellen für Schwertransporter, Busse, Züge, Gabelstapler sowie Schiffe. Ballard Power gilt als Wasserstoffpionier im Automobilbau und arbeitet in zahlreichen Projekten weltweit eng mit der Autoindustrie zusammen, vornehmlich in Europa, China und Kalifornien.
So besteht in Deutschland eine Kooperation mit der Volkswagen-Tochter Audi bei der Konzeptstudie zum wasserstoffbetriebenen h-tron. Auch mit den technologisch führenden japanischen Automobilherstellern wie Toyota arbeiten die Kanadier zusammen. In China ging das Unternehmen 2018 eine strategische Partnerschaft mit dem Motorenbauer Weichai Power ein, um den asiatischen Markt mit Brennstoffzellen zu beliefern. Im Rahmen dieser Partnerschaft stieg Weichai mit einem Anteil von fast 20 Prozent bei Ballard Power ein.
Seine führende Stellung schützt das Unternehmen einerseits durch die starke Vernetzung mit seinen Partnern, andererseits durch vielfältige Kooperationen über die Autoindustrie hinaus. Mit dem deutschen Industriekonzern Siemens arbeitet Ballard Power im Bereich Schienenfahrzeuge zusammen, im Schiffsbau mit ABB Marine & Ports. Außerdem verfügt der Brennstoffzellenhersteller über zahlreiche Patente, etwa um das teure Platin in der Brennstoffzelle durch preiswertere Materialien zu ersetzen.