Der Grundstein des Erfolgs von Edouard Carmignac wurde in Krisenzeiten gelegt. Dank der Absicherung gegen große Kursverluste erzielten seine beiden Fondsflaggschiffe Patrimoine und Investissement seit Auflegung 1989 eine sehr gute langfristige Wertentwicklung. Carmignac residiert am vornehmen Place Vendôme in Paris.
Herr Carmignac, eine Frage zur Situation in Ihrem Heimatland. Frankreichs Präsident François Hollande hat seine Regierung neu aufgestellt - war das schon der Schröder-Moment Frankreichs? Schließlich hat auch in Deutschland die politische Linke mit der Agenda 2010 entscheidende Strukturreformen geschafft.
Edouard Carmignac: Ich würde
gern so optimistisch sein und diese
Parallele zu Deutschland ziehen. Ich würde mir mehr Entscheidungsfreude
in Frankreich wünschen. Aber ich
sehe eher, dass Reformen nur kommen,
weil es keine anderen Optionen
mehr gibt. Aber sie werden kommen.
Denn es gibt tatsächlich keine
andere Möglichkeit für die Politik.
Der Markt glaubt anscheinend an
Reformen in europäischen Krisenländern.
Die Aktien und Anleihen
von Spanien, Italien und Co sind
seit Monaten im Rallymodus. Wie
haben Sie sich mit den Flaggschifffonds
Patrimoine und Investissement
in Europa positioniert?
Wir haben vor rund zweieinhalb
Jahren
eine größere Position in europäischen
Banken eingenommen.
Aktuell halten wir in unseren Aktienportfolios
größere Positionen an
italienischen, niederländischen
und
französischen Banken. Wir haben
auch einige zyklische Werte aufgenommen,
sind dort aber vorsichtig.
Denn einerseits erwarten wir keinen echten Konjunkturboom in Europa,
andererseits bekommen europäische
Unternehmen im Bereich Maschinen-
und Anlagenbau - die
Hauptprofiteure einer besseren Konjunktur
- immer mehr Konkurrenz
aus Asien. Und man darf nicht vergessen:
Wir haben immer noch
große Überkapazitäten in vielen Industrien.
Europäische Banken? Keine Angst
vor dem Stresstest der EZB?
Angst? Nein. Wir haben die Titel, die
wir gekauft haben, sehr genau analysiert.
Es scheint, als befinde sich Japan
in der entscheidenden Phase, nachdem
die Gelddruckmaschine angeworfen
wurde: höhere Steuern
und Löhne, um die Inflation anzuheizen.
Denken Sie, dass dieses
Konzept funktionieren kann?
Das Inflationsziel von zwei Prozent,
das Herr Abe vorgegeben hat, ist nun
in Sicht. Dies ist eine große Leistung.
Aber es müssen weitere Entscheidungen
getroffen werden, insbesondere
in Bezug auf die Implementierung
von Strukturreformen, den
sogenannten dritten Pfeil der "Abenomics".
Ein höheres nominales
Wirtschaftswachstum über eine positive
Inflation ist entscheidend für
die ordnungsgemäße Rückzahlung
der Staatsschulden Japans.
Haben Sie von der Rally in Japan
profitiert?
Wir haben schon im Dezember 2012 das Thema der Reflation Japans in unserem Aktienportfolio eingeführt und es insbesondere mithilfe von Investments in japanische Exportund Finanzunternehmen umgesetzt. Diese sind die direkten Profiteure des schwächeren Yen und höherer Inflation, die durch Abes Wirtschaftsplan ausgelöst wurden. Derzeit halten wir zehn Prozent unseres Portfolios in japanischen Aktien.
Auf Seite 2: Carmignac über den US-Wirtschaftsaufschwung
Für die USA rechnen Sie mit einem echten, breiten konjunkturellen Aufschwung. Warum?
Mein Optimismus stützt sich vor allem
auf den Arbeitsmarkt. Die Zahl
der neu geschaffenen Stellen steigt
weiter. Natürlich sinkt die Arbeitslosenquote
auch, weil sich viele Arbeitslose
aus der Statistik verabschiedet
haben. Und ich glaube, dass
diese Leute wahrscheinlich auch
nie wieder zurückkommen werden,
leider. Qualifizierte Arbeitskräfte
könnten in den USA schneller knapp
werden, als das viele jetzt glauben.
Dann muss die Zentralbank aufpassen,
nicht hinter der Kurve zu sein,
wie die Fachleute sagen, also die
Zinsen
zu spät anzuheben.
Sie erwarten steigende Löhne?
Ja, denn das Angebot an qualifizierten
Arbeitskräften wird bald erschöpft
sein. Damit erwarte ich auch
Inflationsdruck. Und damit wiederum
höhere Zinsen.
Höhere Zinsen, Einsparungen bei
den Staatsausgaben und steigende
Löhne - da können die Margen der
US-Firmen doch von ihrem aktuell
historischen Hoch fallen, oder?
Also raus aus US-Aktien?
Nicht notwendigerweise. Sicher
drückt das alles auf die Margen.
Aber stärkeres Wachstum wird das
ausgleichen. Mit Blick auf US-Aktien
bin ich weiter optimistisch. Nicht zuletzt
weil die USA momentan eine
der wenigen Volkswirtschaften auf
der Welt sind, die eine nachhaltige
Erholung nach der Finanzkrise geschafft
haben, die ohne fiskalische
Unterstützung wachsen können. Ein
weiteres Beispiel ist Deutschland.
Mit welchen Branchen setzt man
am besten auf einen US-Aufschwung
auf der Aktienseite?
Wir investieren im Energiesektor,
wo wir wegen des billigen Frackinggases
große Preisvorteile gegenüber
der weltweiten Konkurrenz sehen.
Daran hängen auch unsere Investments
in den Chemiesektor. Außerdem
haben wir auch Aktien aus dem
Bereich Anlagenbau, Banken und
aus dem TV-Kabelgeschäft. Es verteilt
sich also auf viele Industrien.
In Ihren Fonds sind Sie derzeit
maximal
in Aktien investiert.
Bieten
sie nach fünf Jahren Hausse
wirklich ein gutes Chance-Risiko-
Verhältnis oder sind Anleihen
angesichts der niedrigen Renditen
einfach
keine Alternative?
Sicher sind die Renditen niedrig, und die Gefahr fallender Kurse bei steigenden Zinsen in den USA ist real. Aber erstens glaube ich nicht, dass das Wachstum - selbst in den USA - so stark sein wird, dass es ein Blutbad an den Bondmärkten gibt. Und zweitens ist der Anleihemarkt nicht einheitlich. So sind mittlerweile einige Schwellenländeranleihen in Lokalwährung durchaus attraktiv. Ich glaube, dass man in diesem Marktumfeld mit einem gut strukturierten Portfolio, einer guten Auswahl an Kreditrisiken trotz steigender Zinsen einen absolut positiven Ertrag mit Anleihen erreichen kann. Das ist unser Ziel.
Auf Seite 3: Carmignac über die Erwartungen seiner Anleger
Ihre beiden Fonds Patrimoine und Investissements liegen auf Sicht von mittlerweile fünf Jahren hinter den jeweiligen Vergleichsindizes. Was ist schiefgelaufen?
Die vergangenen fünf Jahre waren
überwiegend von einer steigenden
Risikobereitschaft der Fondsmanager
geprägt, die an ihren Vergleichsindizes
klebten. Riskantere Anleihen
stiegen und stiegen, viele entwickelte
Aktienmärkte haben sich von
den Niederungen der Finanzkrise
erholt, einige bewegen sich auf ihrem
Allzeithoch. Wir hatten in den
vergangenen Jahren entschieden,
vorsichtig zu sein: Wir haben unsere
Aktienpositionen einige Male gehedgt
und haben daher nicht vollständig
an den Marktaufschwung
partizipiert. Und Ben Bernankes Ankündigung
im vergangenen Frühjahr,
die Fed wolle die ultralockere
Geldpolitik zurückfahren, erlaubte
es uns nicht, unsere Schwellenlandpositionen
rechtzeitig abzubauen.
Was sagen Ihre Anleger?
Natürlich sind einige unzufrieden.
Wichtig ist, das unsere Anleger verstehen,
was wir als Risikomanager
machen. Es gibt drei Arten von
Fondsmanagern. Die erste Gruppe
will nur Geld einsammeln und verkauft
einen Themenfonds nach dem
anderen. Die zweite Gruppe, die
meisten klassischen Fondsmanager,
versuchen den Index zu schlagen,
ohne sich aber zu weit von ihm wegzubewegen.
Und dann gibt es die
dritte Gruppe der aktiven Risikomanager,
zu denen ich zum Beispiel
uns und Hedgefonds zählen würde.
Was haben Sie mit Hedgefonds
gemeinsam?
Wir wollen für den Anleger möglichst
einen positiven absoluten
Ertrag
erwirtschaften. Hedgefonds
machen das auch, sind aber im
Gegensatz
zu uns illiquide, intransparent
und für viele nicht zu kaufen.
Also werden Sie den nächsten
Crash wieder antizipieren und Ihre
Anleger schützen?
Das ist zumindest unser Ziel. Das ist
unser Ansatz, unsere Kultur, dafür
steht unsere Marke. Wenn es so weit
ist, können Sie ja gern wiederkommen,
und wir werden sehen, wie
wir dann im Verhältnis zu den Vergleichsindizes
stehen.
Fondsmanager
und Kunstsammler
Edouard Carmignac wurde am 5. September 1947 in Paris geboren. Der Diplomatensohn wuchs in Peru auf, studierte Wirtschaftswissenschaften in Paris und an der Columbia-Universität in den Vereinigten Staaten. Seine Karriere begann er 1972 bei der US-Investmentbank Blyth, Eastman Dillon & Co. 1989 gründete er seine eigene Vermögensverwaltung: Carmignac Gestion. Heute verwaltet er 53 Milliarden Euro. Carmignac hat vier Kinder, seine Tochter Maxime arbeitet im Unternehmen mit. Der Fondsmanager spielt Polo und sammelt Kunst. Im Oktober 2012 lud er die Rolling Stones zu einem Privatkonzert für sich und seine Kunden, Mitarbeiter und Freunde ein.