Spätestens seit Herbst 2008 zählt Max Otte zu Deutschlands bekanntesten Wirtschaftswissenschaftlern. Denn damals bewahrheitete sich, was er in seinem Buch "Der Crash kommt" vorausgesagt hatte: Die schuldenfinanzierte Immobilen- und Derivateblase in den USA platzte, der Aktienmarkt brach in sich zusammen. Von diesem Zeitpunkt an war der Professor Dauergast in TV-Talkshows.
Der von Otte beratene PI Global Value Fonds performte nach Finanz- und Eurokrise so gut, dass 2013 der Max Otte Vermögensbildungsfonds hinzukam, der nach ebenfalls gutem Start eine längere Durststrecke zu überstehen hatte. Dass Otte sich zuletzt etwas aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, tut seinen Fonds offenbar gut. Beide laufen wieder besser.
BÖRSE ONLINE: Herr Professor Otte, wie gehen Sie damit um, dass sogenannte Promifonds teuer sind und meist schlechter laufen als der Gesamtmarkt?
Max Otte: Das betrifft mich nicht.
Das müssen Sie erklären.
Wenn mir vorgeworfen wird, ich hätte meine Popularität genutzt, um Fonds aufzulegen und abzukassieren, ist das blanker Unsinn. Ich war zuerst Fondsberater und bin später dann durch mein Buch bekannt geworden.
Aber der nach Ihnen benannte Max Otte Vermögensbildungsfonds wurde erst aufgelegt, nachdem Sie Gurustatus hatten, oder?
Ich bin weder Guru noch "Crashprophet". Ich bin Anlagepraktiker und versuche, vernünftiges Value-Investing nach den Grundsätzen von Benjamin Graham und Warren Buffett zu betreiben. Aber, um Ihre Frage zu beantworten: Den Max Otte Vermögensbildungsfonds haben wir 2013 aufgelegt, um deutschen Anlegern einen Fonds mit deutscher WKN und nach deutschem Recht anbieten zu können. Der Vermögensbildungsfonds wendet dieselbe Strategie an wie der PI Global Value. Privatanleger kaufen die Fonds, weil sie mir als Vermögensverwalter vertrauen.
Aber ausgerechnet der nach Ihnen benannte deutsche Fonds ist das Sorgenkind.
Warum sollte er das sein?
Vielleicht weil er auf Sicht von drei Jahren keinerlei Rendite gebracht hat, während der Vergleichsindex MSCI World fast täglich neue Höchststände markiert?
Im vergangenen Jahr haben wir für unsere Anleger fast 20 Prozent verdient, seit dem Start vor knapp vier Jahren immerhin 23,6 Prozent oder 5,5 Prozent per annum. Wenn man jemandem schaden will, kann man sich immer einen Zeitraum herausgreifen, in dem er besonders schlecht aussieht. Was zählt, ist die langfristige Performance. Für den PI Global Value als Mischfonds wäre ein Mix aus 50 Prozent MSCI World und 50 Prozent Anleihen, beispielsweise Eonia, die richtige Benchmark. Die hat er in den neun Jahren, die er nun schon existiert, klar geschlagen. Interessanterweise liegt dieser Fonds - wie übrigens auch der Max Otte Vermögensbildungsfonds - auch auf kurze Sicht, etwa im Einjahresrückblick, wieder vor der Benchmark. Und er hat vergleichbare Fonds wie den Flossbach von Storch Multiple Opportunities oder den Acatis Gané Value Event beide von sehr geschätzten Kollegen gemanagt, die über jeden Zweifel erhaben sind weit hinter sich gelassen.
Glück gehabt?
Mut gehabt! Ich habe mich - sicher auch teils wegen der öffentlichen Kritik - auf unsere Stärken besonnen. Ich investiere weiter in Königsunternehmen allererster Güteklasse mit langfristigem Wachstum, gleichzeitig aber auch in solche, die enttäuscht haben und zu stark heruntergeprügelt wurden. Ich nutze auch mal wieder kurzfristige Marktanomalien. Wenn mich eine Aktie anschreit: "Kauf mich", dann tue ich das auch bei mäßiger Investmentqualität. Deshalb haben wir im Herbst 2016 mit Lufthansa oder zuletzt mit RWE schöne Gewinne erzielen können.
Sie streiten ab, Fehler gemacht zu haben?
Natürlich nicht. Ich habe Fehler gemacht und werde bestimmt wieder welche machen. Ich wäre der Letzte, der das nicht zugibt. Es gehört zum Value-Investing, dass man eine gewisse Demut lebt, sich selbst immer wieder hinterfragt. Und dann auch wieder beherzt zugreift, wenn sich Chancen ergeben. Selbst die ganz Großen machen Fehler: Warren Buffet macht sich auf den Berkshire-Hauptversammlungen ja gern selbst regelrecht nieder. Oder auch bei Prem Watsa, einem wirklich smarten Investor, der über Jahrzehnte bewiesen hat, dass er’s kann, lief es zuletzt alles andere als rund.
Und Sie nutzen solche Durchhänger der ganz Großen, um sich zu positionieren?
Ja, wir haben in Prem Watsas Gesellschaft Fairfax Financial investiert, weil wir davon ausgehen, dass er früher oder später wieder in die Spur zurückfinden wird. Mit dem Alter wird man ja eigentlich besser, und er ist jetzt 66. Aktuell ist die Position sogar größer als unser Kerninvestment Berkshire Hathaway.
Sie sind zwar erst 52, aber sind Sie auch schon weiser geworden? Welchen Fehler würden Sie heute nicht mehr machen?
Ich musste einsehen, dass meine Auftritte in der Öffentlichkeit einfach nicht mehr mit der Tätigkeit als Vermögensverwalter und Fondsberater unter einen Hut zu kriegen waren. Ich habe daher die Zahl meiner Vorträge und Talkshow-Besuche von einstmals über 80 auf weniger als 20 pro Jahr reduziert. Meine Lehrtätigkeit ruht derzeit auch. Ich will mich aufs Investieren konzentrieren. Und für die Familie will ich ja auch da sein können.
Geht es nur um die schiere Anzahl der Auftritte oder mussten Sie auch einsehen, dass Sie nicht immer glücklich agiert haben? Vielleicht waren es ja auch Ihre Sympathien für Donald Trump, die dazu führten, dass Sie in der Presse zuletzt schlecht wegkamen?
Einspruch, Euer Ehren. Ich habe nie gesagt, dass Trump der Supermann sei. Ich würde auch keine Geschäfte mit ihm machen wollen. Ich habe nur gesagt, dass er im Vergleich zu Hillary Clinton oder Barack Obama das kleinere Übel ist. Wenn man das nicht mehr sagen darf, ohne dafür öffentlich an den Pranger gestellt zu werden, dann stecken wir schon ganz schön tief in der Matrix.
Und wie stehen Sie heute dazu?
Was er im Wahlkampf über das Ungleichgewicht von Arm und Reich gesagt hat, dass der Bogen der Globalisierung überspannt ist, dass man die Aussöhnung mit Russland suchen und auch mit Assad zusammenarbeiten sollte, das würde ich alles heute noch unterschreiben. Enttäuscht hat mich, dass er in vielen Punkten eingeknickt ist und sich nun eben doch mehr und mehr dem Politestablishment beugt.
Zurück zu Ihren Investments: Welche Aktien schreien denn gerade "Kauf mich"?
Da gibt es einige Werte, die in die Graham-Kategorie "ugly, obscure and disappointing" fallen, also hässlich, versteckt und enttäuschend. Zum einen haben wir einen Banken-Basket aus Santander, Royal Bank of Scotland, Deutsche Bank und der russischen Sberbank. Diese Werte sind extrem billig und außerdem unsere Versicherung gegen eine mögliche Zinswende. Wenn sie kommt, sollten Banken in jedem Fall profitieren. Zum anderen sehen wir uns gerade in der Modebranche um. Natürlich macht Amazon besonders den Filialisten das Leben schwer. Aber einige sind zu stark gefallen. Ralph Lauren zum Beispiel hat sich im Kurs nahezu gedrittelt. Das sind Preise, die schreien.
Sie halten aber auch hoch bewertete Aktien wie Alphabet, Amazon oder Facebook.
Das ist der andere Schwerpunkt meiner Strategie: Qualitätsaktien, die ich grob der Buffett-Kategorie zuordnen würde. Die sind zwar nicht billig, wegen der oft marktbeherrschenden Stellung dieser Unternehmen finde ich die Bewertungen aber durchaus vertretbar. Facebook hat zum Beispiel ein cashbereinigtes 2017er-KGV von etwas über 20. Angesichts von 86 Prozent Gewinnwachstum geht das für meine Begriffe in Ordnung.