Die Regierungserklärung von Angela Merkel zum Brexit am vergangenen Donnerstag wurde in Irland aufmerksam verfolgt. Mit Genugtuung wurde registriert, dass die Bundeskanzlerin in ihrer Rede die Situation der Inselrepublik deutlich hervorhob. Kein Land ist vom Abschied des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) stärker betroffen und daher so sehr an praktikablen Lösungen in den bevorstehenden Verhandlungen interessiert. Als großer diplomatischer Erfolg wird gewertet, dass die irische Grenzfrage als eine von drei Prioritäten in den auf dem Brüsseler EU-Gipfel verabschiedeten Leitlinien genannt wird - neben dem Status von EU-Bürgern in Großbritannien und der Abschlussrechnung.
Irlands Wirtschaft ist eng verknüpft mit Großbritannien: Rund 14 Prozent seiner Exporte gingen 2015 in das Vereinigte Königreich, doppelt so viel wie im EU-Durchschnitt. Darüber hinaus wird ein erheblicher Teil des Handels mit den übrigen EU-Ländern im Transit durch das Nachbarland abgewickelt. Trotz aller Unsicherheiten erwartet das Dubliner Economic and Social Research Institute (ESRI) 2017 und 2018 aber ein Wachstum des irischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,8 und 3,6 Prozent sowie eine unter sechs Prozent sinkende Arbeitslosigkeit. Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt sich indes etwas zurückhaltender und rechnet im laufenden Jahr mit einem Konjunkturplus von 3,5 Prozent.
An der Börse hat der Auswahlindex Iseq 20 mit den 20 größten irischen Unternehmen den Brexit-Schock zunächst überwunden. Allerdings sollten Anleger irische Unternehmen und deren internationale Verflechtungen gerade jetzt genau unter die Lupe nehmen.
Der Dämmstoffhersteller Kingspan berichtete jüngst über einen um 24 Prozent gestiegenen Quartalsumsatz, und dies trotz schwächelnder Aufträge aus dem Vereinigten Königreich. Ohne Akquisitionen lag das Plus immer noch bei 14 Prozent und damit deutlich über den Erwartungen.
Aufgrund gestiegener Kosten dürfte der Ertrag nicht ganz so stark zulegen. Kingspan erzielt nur vier Prozent seines Umsatzes im eigenen Land, etwas über ein Viertel in Großbritannien und mehr als 40 Prozent im restlichen Europa. Dort erholt sich die Konjunktur, zudem steigen Investitionen in Energieeffizienz. Beides sorgt für positive Aussichten.
Ebenfalls attraktiv ist der Baustoffriese CRH, der über die Hälfte seines Umsatzes jenseits des Atlantiks und 45 Prozent in Europa erzielt. Ein Plus beim Quartals-umsatz von zuletzt vier Prozent bestätigte den langjährigen Wachstumskurs. Fast zwei Drittel des Umsatzes machen bei CRH Asphalt- und Betonprodukte aus. Daneben umfasst das Portfolio Glas- und andere Produkte für den Ausbau.
Für Ryanair dürfte der Brexit kein unüberwindliches Hindernis darstellen. Zwar wird die Billigfluglinie auf ein künftiges Luftfahrtabkommen zwischen der EU und Großbritannien reagieren müssen. Das Unternehmen ist aber ausreichend flexibel. Zur Sicherheit hat Ryanair sein geplantes Wachstum, das auch große Drehkreuze wie Frankfurt im Visier hat, bereits regional angepasst. Die Iren sind nach Passagierzahlen Marktführer in Europa - damit verfügen sie über eine starke Position.
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Risikofaktoren Zölle und Pfund
Der Aromen- und Zusatzstoffspezialist Kerry Group ist bei diesen Produkten weltweit Marktführer und auch außerhalb Europas mit Entwicklungszentren präsent. An Endverbraucher richtet sich das Unternehmen mit Fleisch- und Milchprodukten sowie mit Fertiggerichten. Dieser Bereich sorgt zwar nur für etwa ein Fünftel des Umsatzes, konzentriert sich aber stark auf Großbritannien. Entsprechend machte sich im vergangenen Jahr das schwache Pfund negativ bemerkbar. Und auch die Risiken mit Blick auf die Brexit-Verhandlungen sind hier größer, weil bei einem Scheitern hohe Zölle in einem preissensiblen Markt drohen. Anleger sollten daher derzeit auf ein klareres Bild warten.
Spekulativ bleibt der Finanzsektor. Die Geschäftsbank Bank of Ireland befindet sich zwar inzwischen in ruhigerem Fahrwasser, mit Blick auf ihre Kapitalbasis kündigte sie aber an, erst 2018 wieder Dividenden zu zahlen. Daneben soll der Zustand als Pennystock zunächst durch eine Holdingstruktur mit neuen Aktien im Verhältnis 30 zu eins beendet werden.
Für Umschichtungen im irischen Aktienmarkt könnte indes die Regierung sorgen. Schon in diesem Monat will sie sich von 25 Prozent ihrer Anteile an Allied Irish Banks (AIB) trennen. Das Geldinstitut hatte seine Selbstständigkeit im Zuge der Finanzkrise praktisch verloren, könnte nun aber vor einer Rückkehr in den Iseq 20 stehen.