Sean Connolly macht einen bescheidenen Eindruck. Nachdem er vor zwei Jahren den Chefposten der amerikanischen Großfleischerei Hillshire übernommen hatte, bezog er ein kleines Zimmer mit Glaswänden im weitläufigen Bürokomplex in Chicago. Ein hölzernes Schneidebrett neben seinem Rechner dient ihm als Mousepad, an der Wand hängen Familienfotos. In dieser schlichten Umgebung gelangte Connolly zu der Überzeugung, dass etwas fehlt.
Er beauftrage Banker, sich nach Zukäufen umzuschauen. Nicht für sein Büro, sondern für den Konzern. Mit Pinnacle Foods, einem Hersteller von gefrorenem Gemüse, fand Connolly schließlich, wonach er suchte. Seitdem herrscht Hektik: Noch ehe der Deal endgültig besiegelt war, wurde Hillshire selbst zum Objekt der Begierde. Der Fleischtitan Tyson Foods und der Geflügelzüchter Pilgrim’s Pride wollen die aufstrebende Firma übernehmen - ihr Interesse hat Hillshires Aktienkurs um gut 70 Prozent nach oben getrieben.
Mit Fleisch werden fette Margen erzielt. Futtermittel sind günstig, für den Kunden sind die Packungen in den Kühltheken teuer. Vor allem die bekannter Marken. Hillshire verkauft beispielsweise die beliebten Würste namens "Jimmy Dean" oder "Ball Park"-Hot-Dogs. US-Verbraucher greifen da gern zu. Die führenden Anbieter punkten mit gesünderen Zutaten. Sie reduzieren Kalorien, Fette, Salz und nichtnatürliche Zusätze. Das lassen sich Verbraucher auch etwas mehr kosten.
Die große Auswahl in den Supermärkten täuscht darüber hinweg, dass es sich nur um wenige Anbieter handelt: "Das Grillhähnchen, die Peperoni, das Cordon bleu, der gefrorene Huhneintopf und der Speck kommen alle von vier Firmen", schreibt Autor Christopher Leonard in seinem Buch "The Meat Racket" (zu Deutsch "Fleischgaunerei"). Leonard warnt vor monopolartigen Strukturen in Amerikas Lebensmittelbranche. Vor 40 Jahren seien 36 Firmen für die Hälfte von Amerikas Hühnern verantwortlich gewesen - heute nur noch drei.
Vor allem Investoren aus den Schwellenländern schätzen den Lebensmittelsektor. Vermutlich weil sie am deutlichsten sehen, dass die wachsende Mittelschicht Asiens und Südamerikas mit steigendem Einkommen verstärkt Fleisch verzehrt und nach westlichem Vorbild verpackte Lebensmittel kauft.
Ein weiterer großer Trend wird die Nachfrage nachhaltig antreiben: Bis zum Jahr 2050 wächst die Weltbevölkerung laut Hochrechnung der Vereinten Nationen auf 9,2 Milliarden. Das bedeutet, dass 2,5 Milliarden mehr Menschen als heute ernährt werden müssen.
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Buffetts Einkaufszettel
Fressen oder gefressen werden - in der Lebensmittelbranche herrscht Übernahme-Euphorie. Einer der Hillshire- Bieter, Pilgrim’s Pride, wird mittlerweile vom brasilianischen Fleischverpacker JBS kontrolliert. Im Herbst riss sich die chinesische Shuanghui International den weltgrößten Schweinefleischzüchter, Smithfield Foods in Virginia, für 4,7 Milliarden Dollar unter den Nagel. Die Chinesen wollen nicht nur mehr Fleisch in die Heimat verschiffen, sondern auch von den Amerikanern lernen. Ihre Zuchtanlagen sind altertümlich, die Hygiene oft mangelhaft.
Nahezu im Monatsrhythmus kommen derweil in Nordamerika Deals zustande. Der Getreideflockenanbieter Post Holdings stimmte Mitte April dem Kauf Michael Foods für 2,5 Milliarden Dollar zu, um das Geschäft mit Eiweißmischungen, Kartoffeln und Käse aufzumischen. Anfang 2013 übernahm Warren Buffett den Ketchuphersteller Heinz für 23 Milliarden Dollar. Der Börsenaltmeister hatte sich mit dem brasilianischen Investor 3G verbündet. 3G hatte sich mit der Übernahme des Biergiganten Anheuser Busch einen Namen gemacht. Die Brasilianer managen außerdem die Fast-Food-Kette Burger King, an der sie die Mehrheit besitzen.
Buffett hat bereits angedeutet, er strebe weitere Deals mit 3G an. In seiner Kriegskasse liegen 49 Milliarden Dollar. Große Transaktionen zeichnen sich ab. Schließlich ist die Börsenlegende ein Fan starker Marken, hoher Cashflows und krisensicherer Geschäftsmodelle. Was immer die Konjunktur macht, Lebensmittel schneiden im Regelfall gut ab - gegessen wird schließlich immer. An der Wall Street wird bereits heftig spekuliert: Wer gerät als Nächster auf Buffetts Speisezettel?
Viele Wetten setzen auf ConAgra. Der Lebensmittelerzeuger hat in Omaha im Bundesstaat Nebraska seinen Sitz - dort, wo Buffett lebt und wo seine Beteiligungsfirma Berkshire Hathaway zu Hause ist.
ConAgra, 1919 gegründet, böte zudem Synergien. Verglichen mit Heinz ist das Portfolio nahezu identisch. ConAgra stellt Ketchup, Suppen, Tiefkühlgerichte, Kindernahrung, Pizza und Margarine her. Traditionsreiche amerikanische Marken sind darunter, etwa die Erdnussbutter Peter Pan. 97 Prozent der US-Haushalte haben mindestens ein ConAgra- Produkt im Vorratsschrank. Zugleich beliefert das Unternehmen Supermärkte mit Eigenmarken. Mit 13,5 Milliarden Dollar ist der Börsenwert moderat - dem steht schließlich ein für 2014 geschätzter Umsatz von 17,7 Milliarden Dollar gegenüber. Aber es stehen auch neun Milliarden Dollar Schulden zu Buche.
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Über 100 Jahre Dividende
Buffett könnte die Gewinnmargen kräftig ausweiten. Kurz nach der Heinz-Übernahme stimmte er tiefen Einschnitten zu: Fabriken mussten schließen, und Tausende Stellen fielen weg. Überlappungen in Fabriken, im Vertrieb, Marketing und in der Verwaltung bieten Spielräume bei ConAgra. Auffallend: Viele Rivalen verdienen mehr. Mit einer operativen Marge von zehn Prozent liegt der Konzern gegenüber Branchenriesen wie Kraft Foods und Nestlé zurück. Diese tüten zwischen 27 und 16 Prozent ein.
Auch der Nahrungsmittelkonzern General Mills gilt als Kandidat, der ins Beuteschema passt. Der Konzern genießt bei vielen Anlegern Kultstatus. Denn seit 115 Jahren zahlt General Mills ununterbrochen Dividende. Als ein weiterer Buffett-Kandidat wird Kraft Foods gehandelt. Der Titan vermarktet Käsemakkaroni, Hot Dogs, Streichkäse und Steaksaucen. Teilweise bestehen die Marken seit 70 bis 80 Jahren. Allerdings stagniert der Umsatz ebenfalls schon eine geraume Weile. Aufgrund seiner Größe wäre Kraft jedoch für jeden Käufer schwer zu verdauen. Die Kartellbehörden, die eine Übernahme mit Auflagen versalzen könnten, würden sehr genau hinsehen.
Hillshire hingegen ist ein vergleichsweise kleiner Happen. Die Wahrscheinlichkeit ist somit groß, dass Sean Connolly sein Büro samt Schneidebrett räumen muss.
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