Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Aktien, um diese zu verkaufen. Dabei hoffen sie, die Papiere bis zum Ende der Ausleihfrist billiger zurückkaufen und die Differenz als Gewinn einstreichen zu können. Hedgefonds setzen zwar des öfteren mit Leerverkäufen auf Kursverluste bei einzelnen Unternehmen, doch eine so umfangreiche Wette auf zahlreiche Firmen aus den unterschiedlichsten Branchen in verschiedenen Ländern ist ungewöhnlich. Möglicherweise positioniert sich Bridgewater, mit einem verwalteten Vermögen von 160 Milliarden Dollar der weltgrößte Hedgefonds, für einen Wirtschaftsabschwung in Europa.
Die Konjunktur sei in der Spätphase des Aufschwungs, schrieb Bridgewater-Gründer Ray Dalio am Montag auf seiner Linked-In-Seite. "Wir wissen nicht genau, wie weit die Aktienmärkte und dann die Wirtschaft vom Gipfel entfernt sind, aber es ist klar, dass die Anleihenmärkte den Gipfel überschritten haben", schrieb Dalio. "Ich sorge mich darum, wie der nächste Abschwung aussehen wird, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass er bald kommen wird."
WANN KOMMT DER NÄCHSTE ABSCHWUNG?
Die deutsche Wirtschaft ist 2017 bereits das achte Jahr in Folge gewachsen. Nach Prognosen aller führenden Institute hält der kräftige Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr an. Allerdings stößt der Konjunkturboom allmählich an seine Grenzen. "Wir lange der Boom anhält, lässt sich schwer abschätzen", sagte der Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths. Doch die Erfahrung lehre, dass die Grenzen der Überauslastung irgendwann erreicht würden. "2019 oder 2020 könnte die Spitze erklommen sein."
In Frankreich setzt Bridgewater unter anderem auf Kursverluste beim Ölkonzern Total, beim Lebensmittelkonzern Danone sowie den Großbanken BNP Paribas und Societe Generale. Insgesamt hält der Hedgefonds dort Leerverkaufspositionen im Wert von fast vier Milliarden Euro. In den Niederlanden sind es mehr als eine Milliarde Euro und in Spanien 1,4 Milliarden Euro.
Vor den Wahlen in Italien am 4. März wettet Bridgewater insbesondere gegen italienische Finanzwerte. Hier hält der Hedgefonds Leerverkaufspositionen unter anderem bei Intesa Sanpaolo, Unicredit und Finecobank. In den Niederlanden setzt Bridgewater auf Kursverluste etwa bei der Großbank ING, bei der Supermarktkette Ahold und dem Chip-Ausrüster ASML. In Spanien sind unter anderem die Großbanken BBVA und Santander sowie der Telefonkonzern Iberdrola betroffen.
Allein beim Münchner Technologiekonzern Siemens hat Bridgewater aktuell rund 800 Millionen Euro im Feuer. Laut Bundesanzeiger hielt Bridgewater am Montag Leerverkaufs-Positionen im Volumen von 0,86 Prozent des Grundkapitals von Siemens. Bei der Deutschen Bank waren es 0,78 Prozent, bei der Allianz 0,87 Prozent, bei BASF 0,84 Prozent. In den anderen europäischen Ländern liegen die Leerverkaufspositionen von Bridgewater meist zwischen 0,5 und 0,8 Prozent.
rtr