Zum Teil liegt das zweifellos daran, dass die Welt, in der sie leben und die sie sich bewegen, gefühlt eine ganz andere ist als die, die ihnen tagaus tagein vermittelt wird. Aber beruhigen Sie sich: "Mit 90 Prozent der Menschheit nicht übereinzustimmen, ist eines der wichtigsten Anzeichen für geistige Gesundheit", wusste schon Oscar Wilde.

Heute vor vielen Jahren besuchte ich die Apotheke meines Vertrauens und traf zu meiner Freude auch gleich auf den Eigner. Mit leicht gequälter Miene ersuchte ich ihn, mir zwei Stück zuckerfreie Diabetikerseife zu verkaufen. Offensichtlich war ihm nicht ganz klar, was ich da haben wollte und er fragte mehrmals nach, woraufhin ich mein Anliegen wiederholte.

Die Ratlosigkeit meines Gegenübers wuchs, so dass er mich um einen Moment Geduld bat, um sich weiter hinten im Laden mit seinen Damen zu beraten. Nach einigen Minuten kam er zurück und fragte, ob mein Kaufwunsch irgendetwas mit dem Datum zu tun habe. Was ich natürlich bejahte.

Wenn auch Sie die Gabe haben, mit seriös und ernsthaft wirkendem Auftreten Leute das ganze Jahr über in den April zu schicken, sollten Sie über eine Professionalisierung dieses Talents nachdenken. Es einfach brach liegen zu lassen, wäre sträflich, stehen Ihnen doch glänzende Karrieremöglichkeiten etwa in Politik, Notenbanken oder TV offen. Wird beispielsweise ein Verkehrsflieger abgeschossen, tun Sie mit brüchiger und bewegter Stimme vor laufenden Kameras kund, den dafür Verantwortlichen zu kennen und zögern Sie nicht, harte und entschlossene Konsequenzen einzufordern.

Wenn Sie bei so etwas anfänglich noch rot werden, nur gemach: Es ist noch kein Meister ist vom Himmel gefallen. Hauptsache, sie erzählen immer brav das, was alle erzählen. Und begründen das damit, dass man sich nicht auseinanderdividieren lassen dürfe, dass die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gelten dürfe usw. Sollten Ihnen beim Verfassen Ihrer Rede einmal die Argumente ausgehen, googeln Sie einfach einmal nach einem "Floskel-Generator". Ebenso eloquente wie sinnfreie Aussagen bekommen Sie nirgends schneller.

Nicht auf Linie zu bleiben, ist per se schlecht. Vermutlich gelten Sie dann als Querulant, als Populist oder als populistischer Querulant. Und wollen Sie von dem Recht auf freie Meinungsdiktatur gar keinen Gebrauch machen, dann sind Sie ein Gauweiler. Wie der Peter. Und der tat gestern das einzig Richtige: Nachdem ihn die Bayerische Staatskanzlei öffentlich aufgefordert hatte, bei der letzten Abstimmung zur sgn. Euro-Rettung gegen seine Überzeugung zu stimmen, schmiss Herr Gauweiler gestern das Handtuch und trat von allen Ämtern zurück. Wieder einer von wenigen kritischen Politikern weniger. Und vielleicht einer mehr für die AfD.

Auf Seite 2: Zweifel an der Euro-Rettung dürfen nicht sein



Zweifel am Euro oder an seiner Rettung waren nie zulässig. Und wer nicht bereit ist, zum Schutze dieser Währung eine Schwindel erregende Doppelmoral zu praktizieren, der soll halt einem aufstrebenden Nachrücker Platz machen. Das Volk will es angeblich so. Denn eine in der letzten Woche von der Nürnberger GfK veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass 57 Prozent der Deutschen dem Euro vertrauen - satte 19 Prozentpunkte mehr als bei einer Umfrage vor zwei Jahren. Wenn sich das in Ihrem Bekanntenkreis anders entwickelt haben sollte, wohnen Sie halt im falschen Viertel.

Jetzt geht’s steil bergauf!

Besagte GfK lässt uns auch Monat für Monat wissen, wie es denn um die Kauflust der Deutschen bestellt sei. Und Sie wissen es: Es ist phantastisch bestellt. Die offizielle Arbeitslosenzahl, das wissen wir seit gestern, liegt nun wieder unter drei Millionen. Und das Statistische Bundesamt vermeldete in der letzten Woche für 2014 einen Anstieg des Reallohnindex gegenüber 2013 um 1,7 Prozent.



Quelle: www.querschuesse.de

Auf Seite 3: Der Reallohn-Index spricht eine andere Sprache



Auch das ist irgendwie ein schöner Aprilscherz, wenn auch erst auf den zweiten Blick. Denn zum einen wird uns unterschlagen, dass der Reallohn-Index, von unten kommend, nun wieder exakt auf dem Niveau von 1992(!) angekommen ist. Und zum anderen enthält man uns vor, dass diese Reallohnsteigerung vornehmlich starken Lohnzuwächsen bei den oberen und obersten Einkommensgruppen zu verdanken ist, während es in "der Mitte" und im unteren Lohnsegment ganz anders zuging.

Richtig ist aber auch, dass die gepurzelten Energiepreise und die Nullverzinsung von Erspartem die Kauflaune natürlich beflügeln. Wobei man sich an fünf Fingern abzählen kann, wohin diese Zinspolitik in punkto Altersarmut einmal führen wird. Die EZB-Zinspolitik schiebt zwar die Aktien- und Anleihekurse in den Himmel, stellt für die gerade von politischer Seite immer wieder geforderte Eigenvorsorge der Bürger einen regelrechten Dolchstoß dar.

Ungut ist, dass man vom heutigen Schlamassel ja keineswegs überrascht wurde. Schon in seinem Gutachten 01/2011 wies der Wissenschaftliche Beirat des Bundestages auf die kommenden Probleme hin. Überschrieben wurde das damalige Gutachten mit "Überschuldung uns Staatsinsolvenz in der Europäischen Union", Kapitel 2.2.5 und 2.2.6 tragen die schönen Namen "Fehlanreize der Rettungspakete" und "Begünstigung von Staatsschulden durch die Europäische Zentralbank". Gelesen hat’s anscheinend niemand. Und nun?

Auf Seite 4: Lernen von Odysseus



Nun kann sich jeder selbst aussuchen, wie er die Dinge sehen möchte. Ich meine, von einer auch nur ansatzweisen Problemlösungskompetenz war weder auf Seiten der Politik noch der der Notenbank(en) bis jetzt viel zu sehen. Auf alles, was an Schwierigkeiten auftauchte, gab es immer nur die gleiche, stereotypische Antwort: noch mehr Geld. Die Effekte auf Aktien- und Anleihemarkt sind bekannt. Und irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass viele Anleger zwar wissen, es sich aber nicht eingestehen wollen, dass die Kursexzesse ein beredtes Symptom der Krise sind, ganz gewiss aber nicht deren Lösung. Die Risikobewertungsfunktion der Rentenmärkte haben die Notenbanken geschreddert, während die Aktienbörsen nur noch steigen, weil es "keine Alternative" gibt.

Mit dem angeblichen Mangel an Alternativen wurde schon viel zu viel Unfug angerichtet. Heute kommt es darauf an, ein waches Auge zu behalten und nicht auf alles zu hören, was Ihnen die Sirenengesänge in die Ohren blasen. Als Odysseus in der Meerenge von Messina zwischen Skylla und Charybdis hindurchsegelte, verleibte sich Skylla sechs seiner Gefährten ein, weil ihr das Schiff zu nahe gekommen war. Odysseus hätte bei seiner Fahrt lediglich einen "Stopp setzen" müssen, um das zu verhindern.

Genau das sollten auch Sie, wie ich bereits in der vergangenen Woche betont habe. Wie viel Spielraum Sie sich dabei einräumen, liegt an Ihrer persönlichen Risikobereitschaft. Zwei Charts sollten Sie sich morgen Abend aber in jedem Falle anschauen: Den des MDAX und den des TecDAX. Morgen ist der letzte Handelstag der Woche, bevor es dann erst am Dienstag weitergehen wird.



Quelle: www.private-profits.de

Auf Seite 5: Was die Charts von MDax und TecDax verraten



Was in diesem auf Wochenbasis geführten Candlestickchart am interessantesten ist, sind die letzten vier Kerzen. Die erste von ihnen hatte einen ausgeprägten weißen Körper. Ihr folgte etwas, was einem Kreuz ähnelt, bevor dann eine rote, also abwärts gerichtete Kerze auftauchte. Zusammen genommen, bilden diese drei Kerzen einen sogenannten Abendstern - eine potentielle Trendwendeformation. Sollte der MDAX morgen unterhalb des Körpers der roten Kerze (20.585) schließen, würde dieses Verkaufssignal bestätigt.



Quelle: www.private-profits.de

Ganz ähnlich sieht es in der Tat beim TecDAX aus. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass der Index in dieser Woche punktgenau auf der seit Oktober etablierten Aufwärtstrendlinie aufgesetzt hatte. Auch hier gilt: Schließt der Index morgen unterhalb seines Schlusskurses vom vergangenen Freitag (1.597), bestätigt sich das Verkaufssignal.

Setzen Sie Stopps für Ihre Engagements am Aktienmarkt, verkaufen Sie alle Anleihen und warten Sie ab, ob Öl als nächstes ein Kauf- oder ein Verkaufssignal gibt. Einigt man sich in den Atomgesprächen mit dem Iran, spricht vieles für ein Verkaufssignal. Wenn auch Ihr Instinkt Ihnen signalisiert, dass "irgendwie" Gefahr im Verzug ist, dann verhalten Sie sich auch entsprechend. Gerade jetzt, wo ich schon DAX-Prognosen von 50.000 lese.

Frohe Ostern, viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .