Mitte Februar meldete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für das Jahr 2018 einen Anstieg der Zahl der Beschwerden im Wertpapiersektor um 30 Prozent. Anleger beklagten sich häufig vor allem über eingeschränkte Handelsmöglichkeiten der von ihnen georderten Papiere. Der Anstieg liegt in den seit dem 3. Januar 2018 für die Banken verschärften Informations- und Beratungspflichten beim Wertpapierhandel begründet. Sie müssen vor der Order Kosten nennen und prüfen, ob das jeweilige Wertpapier für ihre Kunden ("Zielmarkt") geeignet ist. Unter "Zielmärkten" werden von den Behörden verschiedene Kundengruppen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen und Risikoneigungen verstanden.

Werden die für die Wertpapiere notwendigen Informationen nicht bereitgestellt, können die Orders dafür nicht ausgeführt werden. "Häufigste Ursache für die Handelseinschränkungen waren fehlende Basisinformationsblätter sowie fehlende Kosten- oder Zielmarktdaten", erläutert Rebecca Frener, Pressesprecherin der Bafin in Bonn.

Grundlage für die erhöhten Anforderungen an die Informationspflichten ist die Reform des Investmentsteuergesetzes sowie die Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie MiFIDII. Sie brachten für die Anleger zahlreiche Neuerungen mit sich. Außer der Aufzeichnungspflicht von Telefonorders (Taping) schreibt die Richtlinie den Instituten eben auch vor, ihre Kunden vor dem Wertpapierkauf mit den nach Ansicht des Gesetzgebers wichtigen Angaben auszustatten.

Ziel: Fehlinvestments verhindern



Dazu zählen beispielsweise die sogenannten Zielmarktdaten. Die wurden vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit der Finanzkrise 2008 eingeführt. Anleger hatten im Vorfeld der Krise zum Teil für sie ungeeignete und zu komplexe Produkte wie Verbriefungen und Hebelanlagen erworben, deren Risiken sie nicht richtig einschätzen konnten. Mit der Zuordnung geeigneter Produkte für die jeweilige Anlegergruppe wollen Gesetzgeber und Finanzmarktbehörden nun Fehlinvestments deutlich vermindern. Der Zielmarkt beschreibt also die Anforderungen, die ein Produkt an den Zielkunden stellt.
Die Anbieter der Anlegerprodukte, etwa Fonds oder Zertifikate, müssen daher vor der Freigabe bestimmen, für welche Kunden ihr jeweiliges Produkt geeignet ist. Fehlen der Bank solche Zielmarktdaten, kann nicht überprüft werden, ob die Anlage für den Kunden passt. Sie darf dann nicht zum Kauf angeboten werden.

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Banken sehen nur Umstellungsproblem



Seit Anfang 2018 müssen die Institute aber vor allem auch alle Kosten von Wertpapieren und dazugehörigen Dienstleis­ tungen vor dem Kauf (ex ante) transparent machen. Die Pflicht zur Ex­ante­Kosteninformation stellt einzelne Kundengruppen und Geschäftsmodelle allerdings vor besondere Herausforderungen. So können Kunden, die die Kosteninformationen nicht zeitnah empfangen können - etwa per Fax oder E-Mail -, Wertpapieraufträge telefonisch nicht mehr kurzfristig erteilen.
Um zu prüfen, ob die Vorgaben umgesetzt werden, checkte die Bafin bereits im Frühjahr 2018 in einer Stichprobe jeweils zehn Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie 20 Privat­ und Auslandsbanken. Das Ergebnis fiel laut Bafin weitgehend positiv aus: Die große Mehrheit der Institute ermittelte die voraussichtlichen Kosten auf der Basis des kundeindividuellen Anlagebetrags. Die Auswertung zeigte aber auch, dass die vorab offengelegten, dienstleistungsbezogenen Einstiegskosten in 170 (oder 45 Prozent) der 374 Fälle von den tatsächlich entstandenen Kosten abwichen. In den meisten Fällen (119) fielen die Abweichungen mit plus/minus fünf Prozent der prognostizierten Kosten aber nur sehr gering aus.

Die 2018 bei der Bafin eingegangenen Beschwerden der Anleger betreffen nicht alle Anlagearten gleichermaßen. "Von den Handelseinschränkungen waren überwiegend Anleihen und Zertifikate, in geringerem Umfang auch Aktien und Investmentfonds betroffen", erläutert Bafin­ Sprecherin Frener.
Wertpapierdienstleister bestätigen, das Bereitstellen der Kosten­ und Zielmarktdaten sei für sie nicht einfach, da nicht alle Produktanbieter die Angaben rechtzeitig zur Verfügung stellten. Man habe sicherstellen müssen, die Kostenangaben von den Produktanbietern am besten von jetzt auf gleich zu erhalten und die Kunden somit rechtzeitig zur beauftragten Order darüber informieren zu können, erläutert Olaf Lorenz, Bereichsleiter Wertpapiere bei der Commerzbank in Frankfurt. Banken, Broker und Vermittler bedienten sich dabei externer Dienstleister wie der WM Datenservice in Frankfurt. Diese nimmt die fehlenden Daten von den Emittenten entgegen und übermittelt sie an die Banken. Abgedeckt werden Angaben für rund 60 000 Fonds und knapp zwei Millionen verbriefte Derivate mit internationalen Wertpapierkennnummern (ISIN).
Nach Angaben der Banken handelt es sich bei den nicht ausgeführten Orders um ein Umstellungsproblem, dass mittlerweile weitgehend behoben sei. "Die Beschwerden über fehlende Handelbarkeit von Finanzinstrumenten gingen im Wesentlichen im ersten Quartal 2018 ein", bestätigt Frener.

Um zu prüfen, ob es sich bei den nicht ausgeführten Orders und fehlenden Wertpapierdaten wirklich nur um ein Anfangsproblem handelt, hat die Bafin nun erneut eine Marktuntersuchung gestartet. Bis zum 22.Februar dieses Jahres mussten 40 Banken entsprechende Unterlagen einreichen, die aktuell ausgewertet werden. "Wir erwarten, dass sich in den Instituten seitdem einiges positiv entwickelt hat und die Startschwierigkeiten nun weitgehend überwunden sind", so Christian Bock, Abteilungsleiter Verbraucherschutz bei der Bafin. Von besonderem Interesse sei zu erfahren, ob die neuen Pflichten die Anleger tatsächlich schützen.

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Worauf Anleger Anspruch haben



Banken, Sparkassen und Finanzdienstleistungsinstitute müssen ihren Kunden gegenüber Angaben über die Funktionsweise und die Risiken der verschiedenen Arten von Wertpapieren machen. Der Umfang der Informationspflichten hängt davon ab, welche Erfahrungen die Kunden mit Wertpapieren haben. Vor allem müssen die Institute seit Anfang 2018 auch umfangreich über die Kosten von Wertpapieren und Wertpapierdienstleistungen informieren - und die Angaben noch vor dem Kauf (ex ante) transparent machen. So müssen die Ein- und Ausstiegskosten sowie die laufenden Kosten offengelegt werden. Der Kunde muss auch erkennen können, welche Kosten auf das Produkt selbst und welche auf die Dienstleistung des Instituts entfallen.

Auch Zuwendungen, die die Institute erhalten - beispielsweise einmalige Vertriebsprovisionen und Folgeprovisionen -, müssen sie als Teil der Dienstleistungskosten aufzeigen. Zumindest auf Nachfrage sollte der Kunde auch detaillierte Informationen erhalten, etwa in welchem Umfang die Kosten auf einen bestimmten Handelsplatz entfallen. Neben der bloßen Auflistung der Kosten müssen die Institute auch deren Auswirkung auf die Rendite der Anlage darstellen.
Bei fehlenden Angaben oder unausgeführten Orders können sich Anleger zum Beispiel direkt an die Finanzaufsicht Bafin in Bonn wenden: https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/verbraucher_node.html Tel.: 0228/41 08-0
E-Mail: poststelle@bafin.de