Jens Knossalla, besser bekannt als "Knossi", sieht sich selbst als König von Twitch und nennt sich daher auch so. Nutzer schauen dem 34-Jährigen auf der Streamingplattform mehrmals die Woche dabei zu, wie er - stilecht mit Krone - Onlinecasinos besucht. In seinen Videos brüllt der Streamer Slot-Maschinen an, fleht um die richtige Kombination, hadert mit dem Schicksal - und lässt die Zuschauer in Echtzeit am Ergebnis teilhaben. Seinen bislang größten Erfolg feierte Knossalla im September 2019, als er beim Online-Automatenspiel "Razor Shark" auf einen Schlag mehr als 8.000 Euro gewann. In vielen Streams sieht man ihn wild tanzen und sogar vom Stuhl fallen.

Die Zuschauer lieben die Show. Auf Twitch folgen dem selbsternannten König mehr als 1,5 Millionen Menschen, auf Instagram und Youtube kommt "Knossi" jeweils auf über eine Million Follower. Der Streamer steht mit seinen Videos für einen Traum, den viele Menschen träumen: den vom schnellen Geld für wenig Arbeit. Wettlokale, Spielhallen und Onlinecasinos haben 2019 deutschlandweit knapp 16,3 Milliarden Euro umgesetzt, schreibt das Beratungsunternehmen Goldmedia in einer aktuellen Untersuchung. Das entspricht einem Plus von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allein der deutsche Marktführer für Sportwetten, Tipico, macht knapp eine Milliarde Euro Umsatz im Jahr. In beinahe jeder deutschen Kleinstadt gibt es ein Wettbüro des Unternehmens.

International Game Technology (IGT), einer der weltgrößten Hersteller von Einarmigen Banditen und anderen Spielautomaten, hat 2019 knapp 4,78 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Davon blieben IGT nach Abzug aller Kosten rund 13 Prozent als Gewinn übrig. Neben Verkauf und Vermietung von Spielautomaten verdient der Konzern einen wichtigen Teil des Umsatzes auch im Netz: Auf IGT gehen beliebte Onlineslots wie "Golden Jungle Grand" zurück.

Hohe Dividendenrenditen

Gerade im Onlineglücksspiel sind oft sogar noch höhere Margen drin. Der Anbieter von Onlinesportwetten, Bet-at-home, kam im vergangenen Jahr bei Einnahmen von rund 1,1 Milliarden Euro auf eine Umsatzrendite von knapp 28 Prozent. Analysten rechnen damit, dass das Unternehmen im neuen Jahr 2,37 Euro je Anteilschein als Dividende an seine Aktionäre ausschütten wird. Das entspricht beim aktuellen Kurs einer Dividendenrendite von sieben Prozent. Kein Einzelfall: Viele Glücksspielunternehmen versprechen neben stabilen Cashflows und wachsenden Erträgen Ausschüttungen von fünf Prozent und mehr. Das macht die Industrie für Anleger interessant.

Im Pandemiejahr 2020 erlebte die erfolgsverwöhnte Branche den ersten Rücksetzer seit Jahren. Als Casinos und Wettbüros während der Lockdowns schließen und Sport-Events abgesagt werden mussten, traf das auch die Glücksspielindustrie hart - zumindest jene Unternehmen, die "auf eine physische Präsenz angewiesen sind", sagt Russell Pointon, Analyst beim Research-Unternehmen Edison Group. Doch die Kunden kehrten überraschend schnell in ihre Stammlokale zurück, viele Unternehmen meldeten in den Monaten nach dem Lockdown im Frühjahr höhere Umsätze als zuvor.

USA-Trend als Blaupause

Anbietern von Onlinecasinos wie Wunderino, Drückglück oder Vera & John hat die Pandemie sogar in die Karten gespielt. Um an den digitalen Spielautomaten zu zocken, braucht es nicht mehr als ein Smartphone. Aus Mangel an Alternativen und womöglich bestärkt von Influencern wie Jens Knossalla wichen viele Spieler aufs Onlinezocken aus.

Demnächst könnten es sogar noch mehr sein: Bisher agieren die meisten Internetcasinos in Deutschland in einer Grauzone. Allein in Schleswig-Holstein ist Onlineglücksspiel bisher legal. Nach langen Verhandlungen haben sich die Länder im vergangenen Jahr jedoch darauf geeinigt, Angebote wie Onlinepoker und Onlinecasinos ab Sommer 2021 zu erlauben - wenn auch unter Auflagen. So soll unter anderem der Beitrag gedeckelt werden, den Nutzer im Monat in virtuellen Spielhallen ausgeben können.

Kurzfristig könnten die strengeren Regeln den Umsatz belasten. Marktbeobachter gehen aber davon aus, dass die Branche langfristig von der Gesetzesnovelle profitieren wird. Goldmedia prognostiziert, dass der Markt bis zum Jahr 2024 auf rund 18,2 Milliarden Euro wächst. Das entspräche einem jährlichen Plus von 6,5 Prozent. "Mit einer Legalisierung könnten sich nun Unternehmen aus Deutschland, die bisher keinen Auslandssitz hatten, in dem Markt neu versuchen", erklärt Felix Lutz vom Frankfurter Analysehaus FMR Frankfurt Main Research. Auch Analyst Pointon von der Edison Group rechnet damit, dass der Wettbewerb zunimmt.

Vor knapp einem Jahr beflügelte in den USA allein die Aussicht auf eine Legalisierung von Sportwetten die Aktienkurse von Glücksspielunternehmen wie William Hill.

Als der Supreme Court das Verbot von Sportwetten aufhob und damit den Weg für eigene Gesetze in den Bundesstaaten frei machte, schoss der Aktienkurs des Wettanbieters um zehn Prozent nach oben. In Deutschland konnte man zuletzt ähnliche Effekte beobachten. So zog die Aktie des Online-Sportwetten- anbieters Bet-at-home um 16 Prozent auf 38,35 Euro an, als das österreichische Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf bekannt gab, künftig auch über eine deutsche Konzession zu verfügen. Der Börsenwert des Anbieters für Onlinelotto, Zeal Network, hat sich von Januar bis Dezember verdoppelt.

Investoren zunehmend kritischer

Wer sich nicht scheut, Rendite mit Glücksspiel zu erzielen, kann neben Einzelaktien in den USA auch in Fonds investieren. Im Juni hat die US-Fondsgesellschaft Roundhill Investment den ersten ETF aufgelegt, der sich auf Anbieter von Sportwetten und andere Unternehmen aus der Glücksspielbranche fokussiert. Der Roundhill Sports Betting & iGaming ETF ist seit Auflage bis Dezember um 55 Prozent im Wert gestiegen, ist aber in Deutschland genauso wenig zugelassen wie der Vitium Global Fund des US-Fondsanbieters USA Mutuals. Bis zum Jahr 2019 hieß er deshalb sogar offiziell Vice Fonds, zu Deutsch: Laster-Fonds.

Ob Glücksspielaktien langfristig auf Erfolgskurs bleiben, ist unter Experten aber umstritten. Immer mehr Fonds schließen Unternehmen aus moralisch fragwürdigen Sektoren kategorisch aus. Branchenvertreter berichten im Gespräch mit €uro am Sonntag von einer wachsenden Skepsis sowohl aufseiten der Fondsanbieter als auch bei Anlegern. Insbesondere große institutionelle Investoren wollten zunehmend nicht mehr mit solchen Branchen in Verbindung gebracht werden und hätten daher ihre Engagements in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren oder sogar gänzlich eingestellt. Langfristig könnten die Aktienkurse von Glücksspielunternehmen also unter Druck geraten. Aber wie das bei Wetten immer so ist: Mit Sicherheit lässt es sich nicht sagen, wie das Spiel am Ende so ausgeht.
 


INVESTOR-INFO

Zeal Network

Lotto-Liebling

Die Glücksspielfirma aus Hamburg vermittelt über ihre Portale Lotto24 und Tipp24 Lotterieteilnahmen. Die Vermittlung ist ein risikoarmes Geschäft. Auf die Ausrichtung eigener Zweitlotterien verzichtet Zeal Network inzwischen. Zusätzliches Potenzial könnten Sofortlotterien bringen. Für das Geschäftsjahr 2020 kalkuliert der Vorstand mit einem Transaktionsvolumen zwischen 610 und 630 Millionen Euro sowie 900.000 Neukunden. Die im SDAX notierte Aktie hat weiter Potenzial.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 52,00 Euro
Stoppkurs: 36,00 Euro

Bet-at-Home

Dividenden-Spiel

Die Glücksspielfirma mit 5,3 Millionen registrierten Kunden bietet über das Internet Sportwetten, Casino, Live-Casino oder auch Poker. Staatliche Regulierungen erschweren das Geschäft. Aufgrund neuer Auflagen rechnet Bet-at-home für das Geschäftsjahr 2021 mit einem Rückgang der Brutto-Wetterträge von etwa 20 Millionen Euro. Die Dividendenrendite der Aktie ist auf dem Papier hoch, allerdings auf keinem sicheren Fundament.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 35,00 Euro
Stoppkurs: 27,00 Euro

Novomatic-Anleihe

Glücksspiel-Konzern

Das österreichische Unternehmen entwickelt und vertreibt Glücksspielausrüstung, betreibt Spielbanken, Spielhallen und Sportwettlokale, ist aber auch online aktiv. Schließungen im Lockdown belasten, Onlinezuwächse können dies nicht ganz wettmachen. 2019 wurde mit 22.000 Mitarbeitern in 50 Ländern ein Umsatz von 2,6 Milliarden Euro erzielt, 2020 dürfte er um 20 Prozent sinken. Das mit dem Bond verbundene Risiko ist dennoch überschaubar.