Die Zeit drängt, denn Covid-19 hält die Welt in Atem. Fieberhaft wird rund um den Globus an einem Mittel geforscht. Um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu bremsen, testet etwa die Rostocker Diagnostikfirma Centogene in einem Pilotprojekt täglich mehr als 3000 Mitarbeiter von Rettungsdiensten, Feuerwehr, Polizei und risikohohen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Ab April sollen täglich bis zu 10 000 Tests zur Verfügung stehen.
Die Schnelldiagnose, die Centogene entwickelt hat, könnte bald zu einem wichtigen Baustein innerhalb der deutschlandweiten Labornetzwerke werden. Längst ist klar, dass sich nur mit flächendeckenden Tests eine Ausbreitung des Virus eindämmen lässt, ohne dass die Gesundheitsversorgung zusammenbricht. Allerdings lassen sich die aktuellen Ausgangsbeschränkungen, mit denen ein Abflachen der Infektionskurve erreicht werden soll, nicht monatelang aufrechterhalten. Je länger die gesamte Wirtschaft heruntergefahren wird, desto schwerer wären der konjunkturelle Einbruch und seine langfristigen Folgeschäden.
Notfallmedizin als Lebensretter
Unterdessen laufen die klinischen Studien für Arzneien und Impfstoffe auf Hochtouren. Bis das erste Medikament gegen Covid-19 zugelassen wird, vergehen mindestens noch einige Monate. Impfstoffe, die dauerhaften Schutz gegen das Coronavirus versprechen, werden nach aktuellem Stand nicht vor Frühjahr 2021 verfügbar sein. Die neuen Substanzen greifen in die verschiedenen Phasen des Krankheitsverlaufs ein.
Um bei einem schweren bis lebensbedrohlichen Krankheitsverlauf eine langfristige Schädigung der Lunge zu verhindern, werden zwei Medikamente getestet, die bereits als Rheumamittel zugelassen sind. Actemra von Roche und Chugai sowie Kevzara von Sanofi und Regeneron Pharma sollen überschießende Immunreaktionen verhindern, die zu einem aseptischen Schock und Multiorganversagen führen. Eine Zulassung wird in den nächsten Monaten erwartet. In der aktuellen Pandemiephase sollten sich beide Produkte als ultimative Lebensretter profilieren.
Als "Feuerwehr" gelten auch die Wirkstoffe Chloroquin und Hydroxychloroquin. Beide werden seit Jahrzehnten zur Malariaprophylaxe eingesetzt und sind als Generika kostengünstig verfügbar. Die Hersteller Bayer, Teva und Mylan wären in der Lage, die Produktionskapazitäten schnell hochzufahren. Ob die Präparate auch bei Covid-19 das für die Virenvermehrung entscheidende Enzym blockieren, ist allerdings ungeklärt.
Wirkstoffe mit antiviraler Wirkung
Als aussichtsreichstes Medikament, das die Virenlast in unterschiedlichsten Krankheitsstadien drastisch reduziert, gilt Remdesivir von Gilead Sciences. Bei der Substanz handelt es sich um einen Protease-Inhibitor. In dieser Wirkstoffklasse wird auch der bereits als Aidsmedikament zugelassene Wirkstoff Lopanivir des Pharmakonzerns Abbvie getestet. Sollten die für April erwarteten klinischen Studienergebnisse aus China, den USA und Europa die erhoffte Wirkung zeigen, sollte Remdesivir innerhalb weniger Monate weltweit verfügbar sein. Gilead hat bereits begonnen, seine Produktionskapazitäten hochzufahren. Den "Off-Label-Use", also die Gabe in der Notfallmedizin mit Ausnahmegenehmigung ohne Zulassung, hat Gilead aufgrund der überbordenden Nachfrage bereits einstellen müssen. "Remdesivir könnte sich in Zukunft als erste Wahl für die Akutbehandlung von allen Personen etablieren, die nicht gegen das Coronavirus geimpft wurden", meint Hanns Frohnmeyer, Portfoliomanager bei Bellevue Asset Management. Ein Nachteil des Hoffnungsträgers: Das Mittel muss intravenös verabreicht werden. Aus diesem Grund, sagt Frohnmeyer weiter, sollte mit Remdesivir noch nicht das Ende der Fahnenstange bei der medikamentösen Behandlung von Virenerkrankungen erreicht sein. "Mittel- bis langfristig könnte der Fokus der Medikamentenentwicklung hier auf den Synergiepotenzialen für Wirkstoffcocktails liegen, die das Virus von verschiedenen Seiten angehen. Dadurch soll die Wirksamkeit maximiert werden", ist Mario Linimeier, Geschäftsführer und Fondsmanager bei Medical Strategy, überzeugt.
Impfstoffe und Diagnostika
Ins Spiel kommen hier auch Antikörpertherapien, die Eli Lilly und Regeneron Pharma entwickeln. Um Kandidaten für klinische Studien zu entdecken, greift Eli Lilly auf die Immunzellen von bereits geheilten Patienten zurück. Regeneron will im Sommer mit den klinischen Studien beginnen und dabei aus zwei verschiedenen Antikörpern einen Wirkstoffcocktail entwickeln. Das Präparat soll bereits infizierten Personen helfen und sich zugleich als Impfung für jene eignen, die einem größeren Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Erste Wirksamkeitsdaten sind für beide Präparate erst 2021 zu erwarten. Um sich gegen potenzielle Pioniere zu behaupten, müssten sie hinsichtlich Wirkprofil und Preis eine Verbesserung bedeuten. Einen Schritt früher setzen Impfstoffe an, die eine aktive oder passive Immunisierung des menschlichen Körpers auslösen sollen. Die verschiedenen Ansätze reichen von Antikörpern über RNA-Vakzine bis zu Immunglobulinen. Ihnen ist gemeinsam, dass die klinischen Studien eben erst begonnen haben und bis zu einer Zulassung noch zwölf bis 18 Monate vergehen werden. Der japanische Konzern Takeda Pharma testet mit TAK-888 ein polyklonales Hyperimmunglobulin (G-IG), das seine Wirksamkeit bereits bei schweren akuten Atemwegsinfektionen gezeigt hat. Der Wirkmechanismus ist hinlänglich bekannt. Das größte Problem für Takeda bei der klinischen Entwicklung ist die Suche nach der ausreichenden Anzahl von Personen, die genesen sind.
Branchenexperten sehen Moderna Therapeutics im zeitlichen Vorteil. Das US-Unternehmen hat im März mit klinischen Studien begonnen. Geht alles glatt, könnten im Herbst die ersten relevanten Ergebnisse vorliegen. Mit BioNTech und Curevac zählen zwei deutsche Biotechfirmen zu den Vorreitern, die bei den Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 zuerst das Rennen machen könnten. Und angesichts des immensen medizinischen Bedarfs ist genug Platz für mehrere Produkte.
Ist die globale Pandemiegefahr durch das Coronavirus durch Impfstoffe erst einmal gebannt, wird sich die Nachfrage abflachen. Außerdem sind dem kommerziellen Potenzial durch den gesellschaftlichen und politischen Druck auf die Preissetzung Grenzen gesetzt. Kai Brüning, Fondsmanager bei Apo Asset Management, warnt deshalb vor zu viel Euphorie: "Kurzfristig ergeben sich daraus keine konkreten Umsatz- und Gewinnsteigerungen, und auch langfristig ist nicht gesagt, dass sich hier riesige Umsatzpotenziale mit Impfstoffen ergeben." Ein ähnliches Bild ergibt sich für Brüning im weiten Feld der Diagnostik-Testkits, deren Nachfrage gerade in die Höhe schießt: "Um sich hier eine lukrative Marktnische zu erschließen, kommt es darauf an, bei der Schnelligkeit der Testverfahren, möglichst kurzen Wartezeiten für die Ergebnisse und bei der Skalierbarkeit von ambulanten Point-of-Care-Tests führend zu sein."
Die richtige Dosis
Aus Anlegersicht gilt es zu beachten, dass das am schnellsten verfügbare Produkt den Aktienkurs der entsprechenden Firma in die Höhe schießen lässt. Langfristig gebe aber der Qualitätsfaktor den Ausschlag, meint Manager Linimeier: "Nicht das erste Produkt, sondern das beste Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil entscheiden." Vom Risiko-Rendite-Profil bieten sich fünf Aktien zum Einstieg ein. Unter den Pharmakonzernen ist Roche mit seiner globalen Top-Position bei den Diagnostika und dem Umsatzpotenzial von Actemra erste Wahl. Die beiden noch tiefrote Zahlen schreibenden Biotechs Moderna Therapeutics und Novavax eignen sich als hochspekulative Biotechinvestments. Gilead Sciences hat das Zeug, mit Remdesivir seine mehrjährige Stagnation bei Umsatz und Gewinn zu durchbrechen. Und für Centogene eröffnen die Corona-Diagnostik-Kits die Chance, neben zusätzlichen Einnahmen den Bekanntheitsgrad unter deutschen Anlegern zu erhöhen. Die auf Diagnostika für Erbkrankheiten spezialisierte Firma feierte im November 2019 an der Nasdaq ihr Börsendebüt.
Drei schon mehrfach vorgestellte Fonds bieten die Möglichkeit, sich das Potenzial von Arzneien gegen das Coronavirus ins Depot zu holen, ohne das Rückschlagsrisiko von Einzelinvestments einzugehen. Den höchsten Corona-Anteil im Portfolio hat der BB Adamant Biotechnology mit aktuell 28,5 Prozent. Insgesamt acht Firmen arbeiten an Therapien oder verkaufen Diagnostiktests oder Verfahren für die Gensequenzierung. Der Candriam Equities L Biotechnology ist ein Klassiker und hat ein mit rund 100 Titeln breit gestreutes Portfolio. Der Medical BioHealth hat den Fokus auf Nebenwerten. Das zahlt sich in der Langfristperformance aus, wo der Fonds den Nasdaq Biotechnology Index hinter sich lässt.
Therapieformen:
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden aktuell rund 70 Substanzen daraufhin getestet, ob sie sich zur Behandlung gegen das Coronavirus eignen. Die verschiedenen Ansätze versuchen, in unterschiedliche Phasen des Krankheitsverlaufs einzugreifen.
Notfallmedizin: Entzündungshemmer sollen Lungenschäden und überschießende Immunreaktionen verhindern. Dauer bis zur Zulassung: 3+ Monate.
Virostatika: Sie unterbinden den Vermehrungsprozess der Viren, indem sie bestimmte Enzyme oder Proteine blockieren oder per RNA-Interferenz die für diese Replikation zuständigen Gene ausschalten (6+ Monate).
Passive Immunisierung: Hier werden Antikörperkonzentrate oder Blutplasma von Personen, die eine Immunität gegen die Virusinfektion entwickelt haben, den zu impfenden Menschen injiziert. Wie lange sich damit eine Immunisierung gegen Covid-19 aufbauen lässt, ist noch ungeklärt (12+ Monate).
Aktive Immunisierung: Sie gilt als das zuverlässigste Verfahren, um Vireninfektionen dauerhaft zu verhindern. Die größte Zahl an Impfstoffen wird in diesem Bereich entwickelt. Zu den therapeutischen Ansätzen zählen klassische Impfungen, wie sie vor allem Pharmakonzerne verfolgen. Biotechs forschen an neuartigen RNA-Vakzinen und Technologien, die das Immunsystem stimulieren.