Die Grundstücke, die Dennis Hope verkauft, sind echte Schnäppchen: 4000 Quadratmeter groß, ruhig gelegen, sensationeller Ausblick - und obendrein spottbillig. Ab umgerechnet rund 22 Euro sind sie auf der Homepage des US-Amerikaners erhältlich, und zwar nicht pro Quadratmeter, sondern für den gesamten Baugrund. Bloß die Anfahrt dürfte die Freude des Käufers etwas schmälern. Denn die Grundstücke, die der US-Amerikaner vertreibt, befinden sich nicht auf der Erde, sondern auf dem Mond. Hope ist Gründer und Geschäftsführer der Lunar Embassy, die in den USA seit mehr als 30 Jahren außerirdischen Grund und Boden verkauft. Wer bei Hope ein Stück Mond kauft, erhält eine Urkunde mit der genauen Position seines Anwesens, eine Landkarte, auf der das neu erworbene Eigentum eingezeichnet ist, und die eigens von ihm geschriebene "Mond-Verfassung", mit der Hope seiner Tätigkeit einen verbindlicheren Anstrich geben will. Sein Geschäft hat ihn reich gemacht: Mehr als 1000 Grundstücke hat er bisher verkauft. Der frühere US-Präsident George W. Bush besitzt etwa ein Stück Mond und auch der Schauspieler Tom Cruise.
Abgehoben: Die USA geben mit geschätzt weit über 40 Milliarden Dollar pro Jahr am meisten für staatliche Raumfahrtprogramme aus. Deutschland kommt auf nicht einmal zwei Milliarden Dollar. Auch wenn man diese Ausgaben ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung setzt, sind die Amerikaner vorn.
Eine "clevere Idee", nennt Ingo Baumann das Geschäftsmodell der Lunar Embassy. Rein rechtlich gesehen sei der Verkauf von Mondgrundstücken aber Unsinn. Baumann ist Anwalt bei der Kanzlei BHO Legal und auf Weltraumrecht spezialisiert. "Rechtlich gesehen gehören die Himmelskörper allen und niemandem, wie die Meere oder die Arktis", erklärt er. Das regelt der Weltraumvertrag von 1967. Er sollte verhindern, dass eine Nation den Erdtrabanten für sich beansprucht. Deshalb steht in Artikel II des internationalen Abkommens: "Der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper unterliegt keiner nationalen Aneignung." Der Mondvertrag von 1979, das aktuellste überstaatliche Abkommen zum Mond, erklärt den Himmelskörper gar salbungsvoll zum "gemeinsamen Erbe der Menschheit". Anders gesagt: Grund und Boden des Monds sind Allgemeingut. Keine Nation kann den Mond annektieren und damit auch kein Mensch.
Das hält Hope nicht davon ab, Mondgrundstücke zu verscherbeln. Und er ist nicht der Einzige, der auf dem Mond das große Geschäft wittert. 50 Jahre nachdem Neil Armstrong und Buzz Aldrin als erste Menschen auf dem Mond landeten, greift die Menschheit erneut nach den Sternen. Das Geschäft mit dem All boomt. Schätzungen der Schweizer Bank UBS zufolge könnte die "New Space"-Economy in den kommenden zwei Jahrzehnten von 340 Milliarden US-Dollar Marktvolumen auf eine Billion US-Dollar anwachsen. Analysten der US-Bank Morgan Stanley sind noch optimistischer: Sie rechnen sogar mit einem Volumen von 1100 Milliarden US-Dollar bis 2040.
Konkurrenz durch Konzerne. Treiber des Weltraumbooms sind nicht etwa staatliche Raumfahrtorganisationen wie die NASA in den USA oder das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), sondern private Unternehmen. Ihre Visionen von Raumfahrttourismus und Mondbergbau wurden in der Branche lange als teure Träumereien verspottet. Doch langsam werden die Pläne konkret. Eines der prominentesten Beispiele der vergangenen Dekade lieferte der IT-Konzern Google, heute Alphabet: Im Jahr 2007 rief er einen Wettbewerb für die erste privat finanzierte Mondlandung aus. Die Aufgabe: Lande mit einem kleinen Fahrzeug auf dem Mond, fahre mindestens 500 Meter und funke Live-Bilder in hoher Qualität zur Erde. Der Preis war als Türöffner für die erste kommerzielle Mondfahrt gedacht. Die Umsetzung war allerdings zäh. Trotz zweier Verlängerungen schaffte es keines der 34 Teams innerhalb der Deadline zum Mond. Anfang 2018 zog Alphabet das Preisgeld von 20 Millionen Dollar zurück. Doch mehrere Gruppen tüftelten weiter, darunter das Berliner Raumfahrt-Start-up PTScientists.
In einem unscheinbaren Gewerbehof in Berlin-Marzahn, sinnigerweise nahe der Allee der Kosmonauten, entwickelt das Team um Gründer Robert Böhme sogenannte Rover - Mondroboter, die den Erdtrabanten später autark erforschen und Gesteinsproben sammeln sollen. Mittlerweile beschäftigt das Start-up rund 70 Mitarbeiter und hat Außenstellen in Salzburg und Houston. Die ersten Rover sollen schon 2020 zum Mond fliegen. Mit an Bord: Partner wie Vodafone, Nokia oder Audi. Während der Autobauer nach eigenen Angaben auf neue Erkenntnisse in der Materialforschung hofft, planen Vodafone und Nokia den Aufbau eines lunaren LTE-Netzes.
Experten sehen im Engagement der Sponsoren in erster Linie einen PR-Gag. "Da sollte man sich keine Illusionen machen: Wer glaubt, auf dem Mond heute das große Geld zu machen, ist naiv", sagt Hansjörg Dittus, Vorstandsmitglied des DLR (siehe Interview). Doch dabei muss es nicht bleiben: Denn der Mond ist reich an Bodenschätzen. Auf dem Erdtrabanten finden sich seltene Metalle wie Gold, Platin und Silizium ebenso wie Helium-3, ein Isotop, das in der Industrie als möglicher Treibstoff für die Fusionsreaktoren der Zukunft gilt.
Grundsätzlich greife das Völkerrecht auch für den Abbau dieser Bodenschätze, erklärt Weltraumrechtler Baumann. Sie seien "das gemeinsame Erbe der Menschheit". Den Abbau müsste danach eigentlich ein internationales Gremium regeln. Doch so weit ist die Welt noch lange nicht. Im Gegenteil: Um ganz vorn mit dabei zu sein, haben rund 20 Staaten nationale Gesetze erlassen, die im All gewonnene Rohstoffe zu ihrem Eigentum erklären. Dazu zählen die Mongolei ebenso wie die USA, Russland und zahlreiche europäische Staaten - Deutschland aber nicht.
Was macht Deutschland? Im aktuellen Koalitionsvertrag will die Bundesregierung zwar den Weg für den Aufbruch ins All ebnen. Konkrete Maßnahmen lassen aber auf sich warten. Beobachter halten das für einen Fehler. Im Mai forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie in einem Grundsatzpapier, dass die Regierung "innovative Projekte des Weltraumbergbaus stärker fördern" und bessere Bedingungen für Investitionen schaffen solle. Dass es hierzulande noch kein Weltraumgesetz gebe, erzeuge "Rechtsunsicherheit", heißt es dort. "Private Initiativen zur Entwicklung der Raumfahrt und des Weltraumbergbaus werden in Deutschland dadurch gehemmt oder sogar im Keim erstickt."
Weil Risikokapitalgeber lieber in Länder mit klaren Gesetzen investieren, hat es die deutsche "New Space"-Industrie schwer. Anstatt spektakuläre Zukunftsvisionen zu entwerfen, fährt die Branche deshalb eine andere Strategie. "Eine gute Story allein reicht nicht aus, um Investoren zu gewinnen", sagt Klaus Slenzka. Er ist Forschungsleiter des Bremer Raumfahrtunternehmens OHB und arbeitet an Methoden, wie man auf dem Mond Pflanzen züchten kann. Slenzka weiß: Um Kapitalgeber von sich zu überzeugen, muss man ihnen deutlich machen, welchen Nutzen die Forschung heute schon stiftet - und wie sie davon profitieren können. Geldgebern erzählt der Weltraumforscher deshalb: Wer in der Lage ist, Pflanzen auf dem Mond anzubauen, kann zum Beispiel auch irdische Wüsten begrünen. Derzeit befinden sich die Forscher in Gesprächen mit chinesischen Partnern, wie das Wissen aus dem All zum Begrünen der Wüsten in der Mongolei beitragen kann.
Die Sorge der Industrie: Wer die Wüste verspricht, aber eigentlich auf den Mond will, schafft es im Zweifel nicht rechtzeitig - und droht, von der internationalen Konkurrenz ins Abseits gestellt zu werden. Der Wissenschaftler findet sein Vorgehen dennoch richtig. "Weltraumforschung ist kein Selbstzweck, sondern sollte auch das Leben auf der Erde verbessern", sagt Slenzka. Tatsächlich gehen viele große Erfindungen auf die Weltraumforschung zurück: Satelliten, Kabelfernsehen, Wettervorhersage, sogar die neueste Technik, um Fieber zu messen, basieren auf NASA-Technologie. Für Unternehmen und Staaten kann es sich also heute schon lohnen, nach den Sternen zu greifen - selbst wenn sich der eigentliche Ertrag erst in einigen Jahrzehnten zeigt.