Herr Johansen, als Sie im vergangenen Sommer den Job als Deutschland-Geschäftsführer von Oracle angetreten haben, war die Lage denkbar angespannt: Das Verhältnis zwischen Oracle und den Usern sei so verhärtet wie noch nie, hatte die Deutsche Oracle Anwendergruppe DOAG im Vorjahr bemängelt. Sie haben sich davon aber nicht abschrecken lassen und Ihren Job als Dänemark-Boss gegen den Posten als Oracle-Deutschland-Chef eingetauscht. Wieso?


Dafür gab es zwei Hauptgründe: Wir wollten mit unserer Familie ein neues Umfeld. Aber natürlich war vor allem die Aufgabe reizvoll: Oracle nimmt auf dem Weg in die Cloud viel Fahrt auf. Wir haben im vergangenen Oktober in Frankfurt ein neues Datenzentrum für Unternehmen aus der EU eröffnet. Das war eine spannende Ausgangslage.

Und eine schwierige dazu. Viele Kunden hierzulande waren vor allem sauer, weil sie in bestimmten Virtualisierungsumgebungen für Leistungen bezahlen sollten, die sie gar nicht genutzt haben?


Es geht hier eher um komplexe Technologien, die sehr dynamisch bei der Nutzung und Veränderung von Kapazitäten sind. Dass es hier mitunter Diskussion gibt, ist völlig normal.

Das sieht die DOAG etwas anders. Sie stört sich aktuell vor allem daran, dass Oracle in virtuellen Umgebungen jede Konfiguration einzeln prüft. Stattdessen würde sich die DOAG zumindest ein so genanntes "Reconfiguration Approval" wünschen. Die Idee wäre, dass Kunden eine bestimmte Konfiguration ohne Extra-Kosten nutzen können, sofern Oracle eine vergleichbare Konfiguration schon mal durchgewunken hat. Was halten Sie davon?


Zunächst: Oracle hat die Lizenzbedingungen nicht geändert. Dass es hier Diskussonsbedarf gibt, geht eher auf Änderungen zurück, die VMWare in einem neuen Release vorgenommen hat. Unsere Kunden verstehen das auch. Und wenn es doch Fragen zur Lizenzierung geben sollte, helfen wir unseren Kunden und Partnern.

Aber würde eine Art General-Vertrag statt einer fallweisen Überprüfung nicht mehr Sinn machen und viel Arbeit sparen?


Nein, denn die Installationen sind von Kunde zu Kunde viel zu verschieden. Von daher sehe ich nicht, dass wir das hier im Sinne einer generellen Vorgabe lösen können

Neben der Lizensierung gab es zuletzt auch Kritik am Support. Oracle hat die Support-Zentren in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland geschlossen und den Kunden-Dienst stattdessen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest zusammengezogen. Viele Kunden hierzulande beklagen seither, dass es kaum noch deutsch-sprachige Expertise gebe?


Zunächst: Unsere Kunden wollen vor allem Zugang zu Fachleuten, die ihnen dabei helfen, ihre Probleme zu lösen. Dafür haben wir verschiedene, regionale Support-Hubs, unter anderem in Bukarest. Und offen gestanden sehe ich die Sprache nicht als zentrales Thema. Support-Sprache ist generell Englisch. Die allermeisten, wenn nicht gar alle Techniker unserer Kunden sprechen Englisch.

Also gibt es keine Überlegung, die Uhr wieder zurückzudrehen und zumindest in den wichtigsten regionalen Märkten wieder Support-Zentren aufzubauen mit Experten, die User in ihrer Landessprache unterstützen können?


Wir haben im Rahmen des umfassenderen Advanced-Customer-Support deutschsprachigen Support. Wir bieten diese Alternative also lokal an.

Oracle ist Ende 2015 aus dem Branchen-Verband Bitkom ausgetreten. Das hat viele in der IT-Branche überrascht. Wann werden Sie wieder Mitglied?


Sämtliche Engagements von Oracle werden einer jährlichen Prüfung unterzogen. Im Rahmen dieser Prüfung sind wir damals zu dem Ergebnis gekommen, unser Engagement im Bitkom zum 31.12.2015 einzustellen. Wir schließen nichts aus, sind aber mit dem Verband dazu auch nicht im Gespräch.

In den vergangenen zwei, drei Jahren hat Oracle einen großen Strategiewechsel eingeleitet und setzt seither voll auf die Cloud. Oracle hat im vergangenen Oktober ein neues Datenzentrum in Frankfurt eröffnet. Wie sehr hat Ihnen dieser Schritt geholfen?


Wir wissen aus unseren Gesprächen nicht nur in Deutschland, sondern aus der gesamten EU, dass es für die Kunden sehr wichtig ist, wo ihre Daten gespeichert sind. Die allermeisten bevorzugen ein Datenzentrum in der EU, am allerliebsten natürlich in ihrem eigenen Land schon wegen der Latenzzeiten. Außerdem wollen sie gerade bei unternehmenskritischen Anwendungen maximale Verfügbarkeit. In Frankfurt verläuft ein zentraler Internet-Knoten. Daher haben wir uns für diesen Standort entschieden. Das Feedback bei den Kunden war sehr gut.

Oracles Cloud-Geschäft hat in den vergangenen Quartalen deutlich Fahrt aufgenommen. Wie entwickelt sich Ihr Geschäft mit der Datenwolke in Deutschland?


Wir veröffentlichen grundsätzlich keine lokalen Daten. Aber weltweit ist das Cloud-Geschäft im jüngsten Quartal um 44 Prozent gewachsen. Die Entwicklung in Deutschland ist vergleichbar. Viele deutsche Unternehmen sind am Anfang durchaus zurückhaltend, aber wenn sie das Thema angehen, dann richtig. Das erleben wir gerade, und zwar branchenübergreifend.

Bei Oracles jüngster Kundenmesse Open World im vergangenen Herbst hat Unternehmensgründer Larry Ellison eine völlig neuartige, autonome Datenbank angekündigt. Wie ist das Kunden-Interesse bislang?


Bei solchen, innovativen Lösungen ist es ein bisschen so wie beim autonomen Fahren: Die Leute glauben zunächst noch nicht so richtig daran. Aber wenn man in San Francisco unterwegs ist, kann man in autonom fahrende Taxis einsteigen.

Wie viel können Unternehmen denn mit der autonomen Datenbank einsparen?


In einem Rechenzentrum entfallen rund 20 Prozent der Kosten auf Lizenzen und Support. Der Rest geht vor allem in die Infrastruktur und das Personal. Mit einer autonomen Datenbank lassen sich also 80 Prozent der Kosten angehen. Je mehr wir das automatisieren, desto mehr Ressourcen stehen für andere Zwecke zur Verfügung, etwa für zusätzliche Entwicklungsressourcen oder die Analyse von Daten. Dafür gibt es einen riesigen Bedarf. Hier wollen wir helfen.

Aber das Umfeld für Ihr Datenbank-Geschäft wird ja nicht einfacher - im Gegenteil: Microsoft rüstet seine Datenbank SQL auf, dazu kommt die Konkurrenz durch Amazon oder Google, die mit kosten-günstigen Lösungen für Standard-Anforderungen sehr aggressiv unterwegs sind. Wie gefährlich ist diese Entwicklung für Oracle und Ihre Margen?



Natürlich stehen wir im Wettbewerb, vom Einstiegsbereich mit der Open-Source Datenbank MySQL über den Mid-Market bis zum Highend. Aber wir sitzen ja nicht nur rum und schauen, was die anderen machen. Wir bringen Innovationen auf den Markt und sind da sehr deutlich vor dem Wettbewerb. Nehmen Sie nur Autonomous Warehouse: Es gibt niemanden auf dem Markt, der ein vergleichbares Angebot hat, auch nur ansatzweise. Dazu bieten wir den Kunden auch Innovationen im Geschäftsprozess, etwa im Rahmen von "Bring your own licence", wo unsere Kunden ihre Lizenz auch nutzen können, wenn sie die Datenbank in der Cloud betreiben wollen.

Wird Oracle in zehn Jahren noch eine Datenbank-Anbieter sein oder ein Cloud-Unternehmen?


Wir sind schon eine Cloud-Company.

Analysten erwarten, dass Sie im laufenden Jahr rund 6,4 Milliarden Dollar Umsatz in der Cloud machen - bei einem Konzern-Umsatz von rund 39 Milliarden?


Natürlich machen wir einen großen Teil unseres Umsatzes im klassischen Lizenzgeschäft sowie Wartung und Support. Aber wir haben heute bereits 38.000 Kunden in der ERP-Cloud. Wir wachsen etwa bei Personal-Management-Lösungen in der Cloud doppelt so schnell wie der nächste Wettbewerber. Wir glauben, dass bis 2025 rund 80 Prozent der gesamten IT in der Cloud laufen werden. Dafür haben wir das Fundament gelegt mit dem ausgereiftesten Lösungen und dem breitesten Angebot. Von daher sehen wir uns da hervorragend gerüstet.