Sie will kritisch unter die Lupe zu nehmen, wie die Banken ihr Geld verdienen - und ob ihre Ideen dafür auch noch in einigen Jahren tragen. Eine neue und eine unangenehme Frage für viele Banken, auch sechs Jahre nach der Finanzkrise. "Das ist ein sehr sensibles Thema. Die Banken mögen das nicht, aber das Sagen hat der Regulierer", sagt Strategie-Experte Christian Thun von Moody's Analytics. "Also müssen sie damit zurechtkommen."

Die Prüfung der Geschäftsmodelle ist Bestandteil des neuen, geheimen "Aufsichts-Handbuchs" der EZB-Bankenaufseher, das die jeweils besten Methoden der nationalen Behörden zusammenführen soll. Ihnen hat die EZB die Überwachung der 120 größten und wichtigsten Banken in der Euro-Zone aus der Hand genommen. Und die Branchenaufseher in Italien oder Deutschland hatten durchaus unterschiedliche Vorstellungen, wie man Banken am effektivsten überwacht. Erstere setzten traditionell auf Zahlen, letztere eher auf eine qualitative Prüfung. "Die Datenflut, die die EZB im Stresstest verlangt hat, waren nur ein Bruchteil davon, was italienische Banken der Aufsicht immer schon liefern mussten. Das waren die Deutschen nicht gewohnt", schmunzelt ein deutscher Regulierer.

Sie werden sich daran gewöhnen müssen: "Die neue Aufsicht wird deutlich quantitativer als es die deutsche Aufsicht in den vergangenen Jahren war", bringt es die Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Elke König, auf den Punkt. Das allein ist aber auch nicht der Weisheit letzter Schluss: Neun von 16 italienischen Banken fielen krachend durch den Stresstest der EZB. "Wenn man die Katastrophen betrachtet, die bei Banken in Italien passiert sind... das war immer eine Frage der Unternehmensführung und der Qualität des Humankapitals", sagt ein hochrangiger italienischer Banker. "Kapital war da nie ein Thema."

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EZB WILL TIEFER SCHÜRFEN

Die Prüfung der Geschäftsmodelle kommt eher aus der Praxis von Bundesbank und BaFin. "Eine vorausschauende Aufsicht wird immer versuchen, das Geschäftsmodell zu verstehen", sagt König. "Aber sie ist nicht derjenige, der sagt, wie es besser ginge." Aufseher seien nicht die besseren Bankmanager, betont sie. KPMG-Partner Daniel Quinten, selbst früher Bundesbanker, glaubt aber, dass die EZB über den Ansatz der deutschen Aufseher hinausgehen wird. "Bundesbank und BaFin haben das nie so tiefschürfend gemacht." Die Wahrscheinlichkeit tiefer Eingriffe in Strukturen und Geschäftsmodelle der Banken sei gestiegen.

Der ehemalige Commerzbank-Manager Korbinian Ibel, der jetzt eine der vier Generaldirektionen in der EZB-Bankenaufsicht leitet, versucht die Erwartungen zu drosseln: "Manchmal legen Banker Geschäftspläne vor, in denen sie die Zukunft in rosigen Farben malen", sagte er kürzlich auf einem Bankenkongress. "Wir können das infrage stellen, aber wir werden ihnen niemals vorschreiben, wie sie ihr Geschäft zu machen haben."

Was die Aufseher aber machen können und wollen, wenn ihnen ein Geschäftsmodell nicht nachhaltig vorkommt, sind kostspielige Auflagen für die Banken. Viel mehr Eigenkapital für fragwürdige, kurzsichtige Geschäfte, zusätzliche Berichterstattungspflichten und sogar die Trennung von Managern kann die Aufsicht verlangen. "Wenn wir die Pläne der Banken mit Kapitallücken prüfen, geht es absolut ums Geschäftsmodell", sagte die oberste EZB-Bankenaufseherin Daniele Nouy Reuters in der vergangenen Woche. Sie hat die Institute schon aufgefordert, sich von schwachem Geschäft zu trennen. Die Aufseher schauten nur auf nachhaltige Gewinne.

Und wenn der Druck steigt, lässt sich manches eben nicht mehr mit Kapitalerhöhungen oder der Streichung von Dividenden reparieren. Dann geht es um die Frage, womit sich auf Dauer eigentlich Geld verdienen lässt. Ist die Finanzierung der notleidenden Schifffahrt überhaupt noch ein Geschäftsmodell? Die HSH Nordbank ist ein Beispiel für das Dilemma, in dem manche Bank steckt. Sie hat den Stresstest nur dank staatlicher Garantien bestanden. Doch die kosten die Hamburger Bank so hohe Gebühren, dass sie kaum Luft hat, sich zu restrukturieren und ihre Kapitalreserven aufzufüllen. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret spricht nicht umsonst seit Wochen von wenig anderem als der Notwendigkeit einer Bereinigung unter den 1657 deutschen Banken.

Reuters